Pelosi besuchte Taiwan: Chinas Parteiführung ist wütend

Die Lage ist fragil. Was kommt nach dem Besuch von US-Politikerin Nancy Pelosi auf Taiwan?
Pelosi besuchte Taiwan: Chinas Parteiführung ist wütend
Die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi (mit Schärpe), erhielt durch Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen (rechts daneben) den Orden „Propitious Clouds with Special Grand Cordon“, die höchste zivile Auszeichnung Taiwans.Foto: Chien Chih-Hung/Office of The President via Getty Images
Von 3. August 2022

Die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, traf am Abend des 2. August in Taipeh ein. Drohungen aus Peking konnten sie nicht davon abhalten, das Parlament zu besuchen und sich mit der taiwanischen Präsidentin, Tsai Ing-wen, und verschiedenen Ministern der Regierung zu treffen.

Weil die Welt vor der Wahl zwischen Autokratie und Demokratie stehe, sei die Solidarität der Vereinigten Staaten mit den Menschen in Taiwan wichtiger denn je, erklärte Pelosi nach ihrer Ankunft. Welche Bedeutung hat ihr Besuch? Für Peking ist er eine Niederlage.

Aufgeputschte Stimmung in Festlandchina

Seitdem die „Financial Times“ am 19. Juli über Pelosis geplanten Besuch in Taiwan berichtet hat, nahmen die Drohungen der Kommunistischen Partei Chinas zu. Mit militärischen Manövern wurde die Lage aufgeheizt, um diesen Besuch möglichst zu verhindern. 

Beispielsweise am 30. Juli. An jenem Tag führte die chinesische Armee (PLA) eine Übung mit scharfer Munition an der engsten Stelle der Taiwanstraße durch.

Auch am Morgen des 2. August entsandte die KP Chinas eine Reihe von Militärflugzeugen an die Mittellinie der Taiwanstraße, was „sehr provokativ“ sei. Peking schickte auch eine Reihe von Kriegsschiffen, um in der Nähe der Mittellinie der Meerenge zu bleiben, wie „Reuters“ berichtete.

Parallel wurde in China die Stimmung mithilfe der Medien aufgeheizt. Chinesische Akademiker und öffentliche Kreise forderten, die Gelegenheit zu nutzen, um den „Wiedervereinigungsprozess“ voranzutreiben. Der ehemalige Chefredakteur des Parteimediums „Global Times“ twitterte sogar, eine Rakete habe Pelosis Flugzeug direkt abgeschossen.

Pelosi Ankunft wurde per Livestream übertragen, über illegale VPN-Tunnel. Mindestens 70 Millionen Menschen in China verfolgten live über entsprechende Flight-Radar-Websites ihre Ankunft. 

Die öffentliche Meinung „explodierte“ und „geriet außer Kontrolle“, beschreibt Tao Rui die Lage. Tao ist leitender Angestellter eines amerikanischen Technologieunternehmens und ehemaliger Laborleiter an der Harvard University. In Weibo und auf anderen Plattformen wurde gehetzt, was die Tasten hergaben.

Flagge zerreißen, Pelosis Bild mit Füßen treten: Anhänger der KP Chinas protestieren vor dem Generalkonsulat der Vereinigten Staaten am 3. August 2022 in Hongkong, China. Foto: Anthony Kwan/Getty Images

„Wer hätte gedacht, dass unzählige Online-Medien Pelosis Flug live übertragen durften“, so Tao Rui, „aber die von Hunderten Millionen Menschen erwartete und von der Propaganda angekündigte ‚großartige nationale Reaktion der Volksbefreiungsarmee‘ tauchte nicht auf dem Bildschirm auf. Stattdessen landete Pelosi völlig ruhig.“

Die ganze Welt schaute zu. „Auf der Karte kommt Pelosi aus dem Südosten herauf, umgeht dann Hualien und betritt den Flughafen Songshan“, beobachtete der chinesisch-amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Li Hengqing gegenüber The Epoch Times. Li Hengqing arbeitet für das Center for Strategic and International Studies (CSIS), das unter anderem die US-Außenpolitik berät.

Pelosis Besuch ist von großer Bedeutung

Von Anfang an behauptete die chinesische Staatsführung, dass Pelosi Taiwan nicht besuchen könnte. Nun ist es geschehen. Für die KP bedeutet das eine herbe Niederlage, die angesichts des kommenden 20. KP-Parteitags im Herbst noch bitterer ist.

Pelosis Besuch in Taiwan sei von großer Bedeutung, sagt Li Hengqing. Zuallererst beweise dieser Vorfall, dass die KP Chinas und ihre Armee „Papiertiger“ sind. Sie seien zwar geübt darin, Staaten zu erschrecken und zu bedrohen, aber dieses Mal habe Pelosi dem Druck entschlossen standgehalten und sei das Risiko eingegangen. 

„Dann kommt Harris als Nächstes? Wird Biden auch Taiwan besuchen? Natürlich wird das zu einem immer größeren Problem … Der britische Premierminister? Der deutsche Bundeskanzler? Die führenden Politiker aller Länder werden wahrscheinlich Pelosis Beispiel folgen und sich nicht scheuen, die Kommunistische Partei anzuschreien“, so der Wirtschaftswissenschaftler Li Hengqing.

Pelosis Besuch in Taiwan sei „eine große Lektion für diejenigen, die von allen möglichen Konflikten mit dem kommunistischen China umgeben sind, einschließlich Interessen, Territorien, Hoheitsgewässern usw., sowie für einige Verbündete der Kommunistischen Partei.“

„Dies ist ein schwerer Schlag für Xi Jinping, diesmal aus den Händen einer 80-jährigen Frau“, in chinesischer blumiger Sprache setzt er fort: „eine Papierlaterne mit einem großen Loch, der Bankrott der Idee der Wolfskrieger-Diplomatie“.

Was bedeutet die Umschreibung? Die Papierlaterne steht für heiße Luft, eine politische Luftblase, die von der Parteiführung erschaffen wurde. Die Wolfskrieger-Diplomatie, also Pekings Drohungen, zähnefletschend wie ein Wolf, angriffslustig hetzend und manipulierend, scheiterte an einer Politikerin, die noch dazu in hohem Alter ist. Was für ein Schmach.

Droht Vergeltung? Überfällt China nun Taiwan?

Was die Kommunistische Partei Chinas betrifft, die so beschämt wurde, so analysierte ein politischer Kommentator, der direkt in China lebt und aus Sicherheitsgründen anonym bleibt, für The Epoch Times, dass es nach dem Besuch von Pelosi in Taiwan einige Folgemaßnahmen geben könnte.

Er vermutet, dass die Kommunistische Partei Chinas einige Raketen abschießen oder Taiwan überfliegen könnte, um ihre „Wut“ auszudrücken. Gleichzeitig nimmt er an, dass die KP ihr „Temperament“ unter Kontrolle halten werde.

Die Wagenkolonne der Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, auf dem Weg zum Jing-Mei White Terror Memorial Park in New Taipei City. Foto: SAM YEH/AFP via Getty Images

Ein anderer Fehler scheint Peking unterlaufen zu sein, als das CCP Military Network den Inhalt der Pressekonferenz des Außenministeriums veröffentlichte. Es sah aus wie ein Rohtext, der nur halb redigiert wurde. Der Text war voller Fragezeichen: „’Das Außenministerium teilt der US-Seite mit, dass die Volksbefreiungsarmee? wird nicht tatenlos zusehen‘, auf die Frage eines Reporters, ‚China hat in letzter Zeit wiederholt? Die chinesische Seite hat es der amerikanischen Seite klargemacht? Wir sind entschieden dagegen. Das Außenministerium der Volksrepublik China hat den Vereinigten Staaten wiederholt mitgeteilt, dass es den Besuch von Sprecherin Pelosi in Taiwan entschieden ablehnt, und betonen, dass Pelosi?‘ …“

Die staatliche Nachrichtenagentur „Xinhua“ gab ihrerseits eine autorisierte Ankündigung heraus, in der es hieß, dass die PLA in sechs See- und Luftgebieten Taiwans vom 4. bis 7. August 2022 Pekinger Zeit von 12:00 bis 12:00 Uhr wichtige militärische Übungen durchführen und Schießübungen veranstalten wird.“

Taiwan zumindest sei vorbereitet. Alle großen Einkaufszentren, öffentliche Gebäude und Wolkenkratzer in Taipeh haben ihre Untergeschosse als Bunker ausgebaut und für die Menschen geöffnet, damit sie Schutz finden, falls das kommunistische Militär Chinas Raketen oder Ähnliches schickt. Die 23 Millionen Einwohner Taiwans sind bereit, ihr Land zu verteidigen.

Im Falle einer Invasion Chinas würde die Geopolitik völlig verändert

Nun könnte es schwierig werden, das Problem zwischen China und den USA in Bezug auf Taiwan zu lösen, so der Insider und Kommentator. Die Kommunistische Partei Chinas werde ihre Macht zur Schau stellen oder sie einsetzen, um ein Zeichen zu setzen. Erste wirtschaftliche Sanktionen wurden von Peking bereits verhängt, militärische Manöver haben begonnen. Befürchtet wird eine See- und Luftblockade durch China.

Andererseits werde die USA vermutlich Taiwan einige wichtige Waffen zur Verfügung stellen, und zwar nicht nur Verteidigungswaffen, sondern auch Offensivwaffen oder Abschreckungswaffen. Er sagte Epoch Times:

„Dieser Vorfall wird wahrscheinlich nicht zu einem größeren militärischen Konflikt in der Straße von Taiwan führen. Im Moment ist China nicht bereit, Taiwan anzugreifen.“

Andere China-Kenner sind weniger optimistisch. Für „Business Insider“ erklärte Asien-Expertin Viktoria Bräuner: „Experten halten eine chinesische Invasion Taiwans wie jene der Ukraine durch Russland für möglich.“

Taiwans Chipindustrie als Pfand

Im Falle einer Invasion Chinas würde nicht nur Taiwan in wirtschaftliche Turbulenzen geraten, auch die westlichen Länder. Denn Taiwans Pfand ist die Chipherstellung, voran die Fabriken von Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC), die allein 50 Prozent des Weltmarkts mit den modernsten Produkten beliefern. TSMC arbeitet vor allem auch für Apple und Qualcomm. 

Dr. Mark Liu, Geschäftsführer des Chipherstellers, warnte in einem Gespräch mit „CNN“, dass „es keinen Gewinner in einem Krieg gibt, jeder ein Verlierer ist“. 

Die globalen Lieferketten seien unabdingbar für die Chipindustrie, um weiterhin produzieren zu können. Würde diese unterbrochen, hätte das unvorstellbare Auswirkungen.

„Niemand kann TSMC mit Gewalt kontrollieren. Wenn man militärische Gewalt einsetzt oder einmarschiert, wird man die TSMC-Fabriken unbrauchbar machen“, sagte Dr. Liu, „denn es handelt sich um eine sehr komplexe Produktionsstätte, die auf unmittelbare Verbindungen zur Außenwelt, nach Europa, Japan und in die Vereinigten Staaten angewiesen ist, von Materialien über Chemikalien und Ersatzteile bis hin zu technischer Software und Diagnostik und so weiter.“

Das taiwanische Volk habe ein demokratisches System aufgebaut und seine eigene Lebensweise gewählt. „Im Falle eines Krieges sind vielleicht nicht die Chips das Wichtigste, worüber man sich Sorgen machen muss, sondern dass die Weltordnung zusammenbricht und sich die Geopolitik völlig verändert“, erklärte Dr. Liu.

Die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses Nancy Pelosi (Demokratin) und Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen im Büro der Präsidentin in Taipeh, Taiwan. Foto: Handout/Getty Images



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