Pekings „Geschenk“ zum 23. Jahrestag: Hongkonger Sicherheitsgesetz noch schärfer als befürchtet
Das neue Nationale Sicherheitsgesetz für Hongkong ist noch schärfer als erwartet. Es gibt Chinas Organen weitreichende Vollmachten in der Sonderverwaltungsregion. Als Höchststrafe für Verstöße gegen das Gesetz ist lebenslange Haft vorgesehen, wie aus dem inzwischen vorliegenden Gesetzestext hervorgeht.
Die ehemalige britische Kronkolonie wurde am 1. Juli 1997 an China zurückgegeben und Hongkong begeht nun den 23. Jahrestag dieser Übergabe. Doch einen Grund zur Freude gibt es nicht für die Hongkonger. Entgegen der damals garantierten Freiheitsrechten und der Autonomie des Territoriums können chinesische Stellen in Hongkong künftig offiziell und eigenmächtig Ermittlungen durchführen und Rechtshoheit ausüben.
Die Kommunistische Partei Chinas lässt jedoch feiern. Auf einem weiträumig abgesperrten Areal am Hafen wurden die Flaggen der Volksrepublik und Hongkongs gemeinsam gehisst.
Regierungschefin Carrie Lam äußerte die Hoffnung, dass mit dem neuen Sicherheitsgesetz wieder „Frieden“ einkehren werde. Die Polizei verbot jegliche Proteste. Man begründete dies mit der Corona-Pandemie und der „anhaltenden sozialen Unruhe“ in der Weltfinanzmetropole.
Hongkonger rufen zu Protesten auf
Trotz des Verbots riefen Protestgruppen dazu auf, auf die Straße zu gehen. Wie viele der sieben Millionen Hongkonger der Aufforderung folgen werden, blieb angesichts zunächst unklar. Denn: Das Nationale Sicherheitsgesetz ist vage formuliert und sieht hohen Strafen vor.
Ungeachtet weltweiter Kritik hatte der Ständige Ausschuss des – nicht frei gewählten – chinesischen Parlaments in Peking das bis zum Inkrafttreten geheim gehaltene Dekret einstimmig abgenickt. Der bekannte pro-demokratische Hongkonger Aktivist Joshua Wong meinte dazu:
Es markiert das Ende von Hongkong, wie die Welt es kannte.“
(Joshua Wong, Hongkong-Aktivist)
Andere sehen ein Ende des Grundsatzes „ein Land, zwei Systeme“, nach dem die Hongkonger bisher größere Freiheitsrechte genossen haben, als die Menschen im kommunistischen China.
Viele hatten das Nationale Sicherheitsgesetz gefürchtet. Doch dessen Bestimmungen gehen noch deutlich weiter, als viele befürchtet hatten.
So können Agenten aus China von Mittwoch an Untersuchungen gegen Verdächtigte in Hongkong einleiten. Das Oberste Gericht Chinas kann „komplizierte“ Fälle an ein Gericht in China überweisen. Damit werden Verdächtigte ausgeliefert und der von der kommunistischen Partei abhängigen Justiz in China ausgesetzt.
Statt Auslieferungsgesetz jetzt Sicherheitsgesetz
Ähnlich war es schon im sogennannten Auslieferungsgesetz vorgesehen, das vor einem Jahr Massenproteste in Hongkong ausgelöst hatte. Nachdem Millionen von Hongkongern auf den Straßen demonstriert hatten, zog die Regierung das Auslieferungsgesetz zurück. Doch die Proteste endeten nicht. Die Menschen wollten mehr Demokratie.
Stattdessen reagierte die kommunistische Führung in Peking mit dem Sicherheitsgesetz, das eine Umgehung der Hongkonger Justiz und ihrer Schutzmechanismen erlaubt.
Das Gesetz richtet sich unter anderem gegen „Abspaltung“ oder „Untergrabung der nationalen Einigung“. Genannt werden Bemühungen, eine Unabhängigkeit Hongkongs oder anderer Gebiete anzustreben, die Peking als Teil der Volksrepublik ansieht. Damit kann es auch um Taiwan, Tibet oder Xinjiang gehen.
Bestraft wird auch „Untergrabung der Staatsgewalt“, was heute in der Volksrepublik schon im Umgang mit Bürgerrechtlern sehr weit interpretiert wird – etwa wenn sich die Zentralgewalt mit Forderungen nach Demokratie infrage gestellt fühlt.
Ferner richtet sich das Gesetz gegen „terroristische Aktivitäten“. Dazu zählt Gewalt gegen Personen, Brandstiftung und die Zerstörung von Transporteinrichtungen. Das Gesetz bestraft auch „geheime Absprachen“ mit Kräften im Ausland. Es kann sich auf den Ruf nach Sanktionen oder „feindliche Aktivitäten“ gegen Hongkong oder China beziehen.
In Hongkong wird zudem eigens ein chinesisches Sicherheitsbüro mit Ermittlern eingerichtet, die mit Zustimmung der Zentralregierung Fälle übernehmen sollen. Die chinesischen Agenten unterliegen weder der Hongkonger Polizei noch der Hongkonger Justiz. Mit Zustimmung der Hongkonger Regierungschefin können sie die Kommunikation von Verdächtigten abhören und verdeckt ermitteln.
Außerdem wird eine Kommission zum Schutz der nationalen Sicherheit mit Hongkongs Regierung und Vertretern der Pekinger Zentralregierung eingerichtet. Ihre Arbeit bleibt jedoch geheim.
Weltweit wird Pekings Vorgehen kritisiert. US-Außenminister Mike Pompeo sagte, mit dem „drakonischen“ Gesetz „zerstört“ China die Autonomie Hongkongs. Die „Paranoia und Angst“ der kommunistischen Führung hätten zur Abschaffung der Freiheiten geführt, die Hongkong bisher zu einer Erfolgsgeschichte gemacht hätten. „Heute ist ein trauriger Tag für Hongkong und für jene Menschen in China, die Freiheit wertschätzen.“ Die USA würden dabei nicht tatenlos zusehen, so Pompeo. (dpa/sm)
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