Pekings Angstkandidat Lai gewinnt Präsidentenwahl: Taiwans Hoffnung inmitten geopolitischer Spannungen
Nach Auszählung von 98 Prozent der abgegebenen Stimmen kam Lai auf 40,2 Prozent, wie am Samstag aus Daten der Wahlkommission hervorging. Sein wichtigster Widersacher, der von der peking-freundlichen Kuomintang (KMT) aufgestellte Hou Yu-ih, erhielt demnach 33,4 Prozent und räumte seine Niederlage ein.
Lai galt als Favorit bei der Präsidentschaftswahl. Während des Wahlkampfs hat er angekündigt, im Falle seines Siegs den Peking-kritischen Kurs der scheidenden Amtsinhaberin Tsai Ing-wen fortzusetzen. Abgehalten wurden am Samstag auch Parlamentswahlen.
In Taiwan bestimmt das Volk den Präsidenten. Jeder Wahlberechtigte hat eine Stimme dafür. Es ist durchaus möglich, dass der Präsident einen anderen politischen Weg geht als die Regierung, die normalerweise von der Mehrheit im Parlament gestützt wird. Daher ist die Präsidentenwahl in Taiwan von großer Bedeutung.
Weder die für die Unabhängigkeit der Hightechinselrepublik eintretende amtierende Präsidentin Tsai Ing-wen (DPP, seit 2016) noch der pekingfreundliche vorherige Präsident der Partei Kuomintang (KMT), Ma Ying-jeou (2008 bis 2016) können aufgrund einer Amtszeitbegrenzung erneut antreten.
Wer ist William Lai?
Gemäß den allgemeinen Erwartungen schickt die KMT den früheren Generaldirektor der National Police Agency und amtierenden Bürgermeister von Neu-Taipeh, Hou Yu-ih (66), als Kandidat für die Präsidentenwahl in den Ring. Auch die 2019 gegründete kleinere Oppositionspartei, die Taiwanische Volkspartei (TPP), hat einen Kandidaten aufgestellt: Ko Wen-je (64), bis Ende 2022 Bürgermeister der Hauptstadt Taipeh. Doch der aussichtsreichste Kandidat – und für Peking ein Dorn im Auge – ist der 64-jährige William Lai (Lai Ching-te). Wer ist er?
William Lai ist verheiratet und Vater von zwei mittlerweile erwachsenen Söhnen. In seinem Wahlkampf für die kommende Präsidentenwahl erklärte der 64-Jährige, dass der Frieden unbezahlbar sei und es im Krieg keine Gewinner gebe. Er sagte jedoch auch, dass die Wahlen 2024 in Taiwan kein Duell zwischen Krieg und Frieden seien, sondern ein Duell zwischen Demokratie und Autokratie.
Wie die Epoch Times USA berichtet, glauben Lais Unterstützer, dass er Taiwans politische Spaltung überwinden und sich gegen die Kommunistische Partei Chinas (KPC) stellen könnte. Es heißt, dass Lai weder Angst habe, die Probleme der Taiwanstraße direkt anzusprechen, noch die katastrophale Menschenrechtslage in China anzuprangern. Damit steht William Lai im Gegensatz zu so manchen anderen Politikern.
Dabei unterscheidet Lai klar zwischen dem chinesischen Volk und der herrschenden Kommunistischen Partei. Er machte deutlich, er sei „gegen die KPC, aber nicht gegen China“. Die Annexion Taiwans durch das chinesische Regime lehnt Lai rundweg ab. Taiwan stehe fest im Lager der Demokratie und spiele eine aktive Rolle in der von den USA geführten Indopazifikstrategie. Taiwan sollte sich nach Ansicht von William Lai der Expansion der kommunistischen Kräfte widersetzen. Er plädierte sogar dafür, dass Taiwan dabei helfen sollte, die Werte der Demokratie und der Menschenrechte in Festlandchina zu fördern.
Ein Freund Japans und der Menschenrechte
Als Lai im Juli 2022 als Vizepräsident von Taiwan in Tokio bei der Beerdigung des ermordeten japanischen Ex-Premierministers Shinzō Abe war, wurde das als diplomatischer Durchbruch für Taiwan angesehen – sehr zum Ärger Pekings. Lai war damit der ranghöchste taiwanische Politiker in Japan seit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen 1972 durch Tokio zugunsten von Rot-China.
In dem Epoch-Times-Bericht wird daran erinnert, dass Shinzō Abe Taiwan immer als „wichtigen Partner“ und „kostbaren Freund“ Japans angesehen und 2021 in einem Onlineforum erklärt hatte, dass „ein Notfall in Taiwan ein japanischer Notfall ist und daher ein Notfall für die japanisch-amerikanische Allianz“.
Und noch ein weiterer Aspekt, der William Lai nicht gerade zu Pekings Liebling macht: Er leitet den asiatischen Zweig der Koalition zur Untersuchung der Verfolgung von Falun Gong und verurteilt das Regime in China wegen seines industriell betriebenen Organraubs an Gewissensgefangenen, vor allem an Falun-Gong-Praktizierenden.
Seit Juli 1999 wird diese im Volk verwurzelte Bewegung der Selbstkultivierung von der Kommunistischen Partei grausam unterdrückt. Die alte traditionelle und spirituelle Praxis wurde in den 1990er-Jahren in China aufgrund ihrer gesundheitlichen Vorteile weit verbreitet und zog laut offiziellen chinesischen Aufzeichnungen bis zum Ende des Jahrzehnts schätzungsweise 70 bis 100 Millionen Menschen an.
Vielleicht waren es die meditativen Übungen, die der Parteiführung missfielen, oder aber die Ausrichtung des Lebens der Praktizierenden nach den Grundsätzen von Wahrhaftigkeit, Güte und Nachsicht – vielleicht, weil sie dem Parteicharakter entgegengesetzt sind. Bis heute sollen Schätzungen nach Millionen Falun-Gong-Praktizierenden inhaftiert, versklavt und gefoltert worden sein. Die Zahl der Todesfälle durch staatliche Gewalt ist unbekannt. Angesichts dieser Verbrechen des kommunistischen Regimes in China hatte William Lai wiederholt seine Besorgnis öffentlich geäußert.
Innenpolitisch eher konservativ als progressiv
Den Angaben der US Epoch Times nach gilt Willaim Lai als sozial konservativer als die Progressive Tsai Ing-wen, die Reformen wie die Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe und die Festlegung von Klimazielen anführte. Diese Themen würden dem Bericht nach von Taiwans allgemeiner Öffentlichkeit nicht so weit akzeptiert, heißt es. Lai sei einigen von Tsais progressiveren Programmen gegenüber neutral aufgetreten. Seine traditionellen Werte scheinen eher auf die Menschen in Taiwan ausgerichtet zu sein, die im Vergleich zu den meisten westlichen Nationen sozial konservativer bleiben.
Lai gilt als weniger polarisierend und auch Mitglieder der Oppositionsparteien lobten ihn als „pragmatischen“ Menschen. Nach dem Rücktritt Tsais vom Parteivorsitz gewann Lai souverän diesen im Januar 2023 – ein wichtiger Schritt für die Präsidentschaftskandidatur.
Vom Bergmannssohn zum Mediziner
William Lai wurde in Neu-Taipeh geboren und kommt weder aus einer einflussreichen Familie noch ist er ein Politiker in zweiter Generation. Lai stammt aus bescheidenen Verhältnissen. Sein Vater war Bergmann. Er starb bei einem Grubenunglück, als sein Sohn gerade zwei Jahre alt war. Lais Mutter arbeitete hart, um William und seine fünf Geschwister durchzubringen.
Unter diesen schwierigen Umständen schaffte es William Lai dennoch, eine beachtliche Karriere hinzulegen und zu einer bedeutenden Figur in Taiwans Politik zu werden. Er sagte einmal, dass das größte Gut, das sein Vater ihm hinterlassen habe, die Armut gewesen sei. Sie habe ihn dazu gebracht, Mut und Willenskraft zu entwickeln, die schwierigsten Herausforderungen zu meistern. Lai sagte auch, dass Widrigkeiten wertgeschätzt werden sollten, weil sie eine Gelegenheit seien, die Gott einem gegeben habe.
Am Anfang seiner Karriere sah allerdings alles nach Medizin aus: Bachelor-Abschluss an der Abteilung für physikalische Medizin der National Taiwan University, Post-Bachelor-Programm in medizinischen Wissenschaften an der National Cheng Kung University und Master-Abschluss in Public Health an der Harvard University in Cambridge, USA. Seit 1994 arbeitete er als Oberarzt am National Cheng Kung University Hospital.
1996 – ein Wendepunkt für Taiwan
In den 1990er-Jahren beteiligte sich Dr. Lai an der Demokratisierungsbewegung in Taiwan. Im Dezember 1995 wurde er als unabhängiger Kandidat in die Nationalversammlung gewählt. Im März 1996 fanden dann die ersten direkten Präsidentenwahlen in Taiwan statt. Beide Wahlen waren von großer Bedeutung für Taiwan, da sie einen friedlichen Übergang zur Demokratie darstellten.
Für China war dies ein Desaster. Schon im Vorfeld der Wahlen veranstaltete das kommunistische Regime in der Taiwanstraße Militärmanöver mit Raketentests, um seine Unzufriedenheit mit den Wahlen auszudrücken. Seinem öffentlichen Profil zufolge gab Dr. Lai zu diesem Zeitpunkt auch seine erfolgreiche medizinische Karriere auf, um in die Politik zu wechseln und für die Demokratie einzutreten. Die Situation in der Taiwanstraße wurde schließlich durch internationale Vermittlung und den Verzicht Taiwans auf eine offizielle Unabhängigkeitserklärung entschärft.
Stadtabgeordneter – Bürgermeister – Ministerpräsident – Vizepräsident
1998, 2002, 2006 und 2010 wurde William Lai ins Stadtparlament von Tainan gewählt. Er wurde von Citizen Congress Watch, einer in Taipei ansässigen gemeinnützigen Organisation, die die Leistung von Taiwans Gesetzgebern überwacht, viermal in Folge zu Taiwans „Bestem Gesetzgeber“ gewählt. 2010 übernahm Lai in Tainan den Bürgermeisterposten mit über 60 Prozent der Stimmen. Während seiner ersten Amtszeit war er der beste Bürgermeister Taiwans und wurde von der Öffentlichkeit und den Medien als „Fünf-Sterne-Bürgermeister“ bezeichnet. Bis 2017 war er in der Millionenstadt Bürgermeister.
Seinen nächsten großen Karriereschritt machte William Lai von 2017 bis 2019 als Ministerpräsident von Taiwan. „Im November 2019, als die Anti-Auslieferungsbewegung Hongkong erschütterte, befand sich Taiwan an einem strategisch wichtigen Ort in der ersten Inselkette, die die asiatische Demokratie verteidigte“, heißt es in seinem Profil auf der Regierungsseite. „Da die demokratischen Institutionen wie nie zuvor bedroht waren, nahm Dr. Lai die Einladung von Präsidentin Tsai Ing-wen an, bei den Wahlen im folgenden Jahr ihr Vizepräsidentschaftskandidat zu werden.“ Das Team Tsai Ing-wen und William Lai siegte mit 57,1 Prozent gegen die KMT-Mitbewerber (38,6 Prozent) bei einer Wahlbeteiligung von 74,9 Prozent. So wurde William Lai Vizepräsident. Und möglicherweise steht in wenigen Monaten der Gang an die Spitze der geopolitisch wohl wichtigsten Insel der Welt an – direkt vor Pekings Gesicht.
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