Pawel Durow: Multimilliardär, fünffacher Vater und Young Global Leader

Dem Telegram-Gründer wird nachgesagt, die Werte einer freien Welt zu verteidigen: Meinungsfreiheit, Redefreiheit, Versammlungsfreiheit. Sein Vermögen soll etwa 15 Milliarden Euro betragen, doch ist unklar, wie viel er tatsächlich besitzt. Sein Unternehmen machte im vergangenen Jahr große Verluste. Von deutschen Behörden gibt es bezüglich der Kooperation von Telegram widersprüchliche Aussagen.
Der Gründer des Messengerdienstes Telegram, Pawel Durow, gilt als kompromissloser Verfechter der Freiheit des Internets. (Archivbild)
Vk.com – das „russische Facebook“ – und Telegram haben Pawel Durow zum Multimilliardär gemacht. Foto (Archivbild): Tatan Syuflana/AP/dpa
Von 31. August 2024

Die Verhaftung des Telegram-Gründers Pawel Durow am vergangenen Wochenende in Frankreich hat hohe Wellen geschlagen. Mittlerweile ist der 39-Jährige auf Kaution frei, darf das Land aber nicht verlassen.

Doch wer ist dieser Pawel Durow eigentlich? Um ihn ranken sich einige Mythen, er gibt nur selten Interviews und über sein Privatleben weiß man relativ wenig.

Russische Facebook-Version mit Bruder gegründet

Pawel Walerjewitsch Durow erblickte am 10. Oktober 1984 in Leningrad, dem heutigen St. Petersburg, das Licht der Welt. Den größten Teil seiner Kindheit verbrachte er jedoch in Italien, heißt es in einem Video der „Deutschen Welle“, das seit einigen Monaten auf YouTube zu sehen ist. Durows Vater ist Doktor der Philologie und arbeitete in Turin. Als die Familie in ihr Heimatland zurückkehrte, existierte die Sowjetunion nicht mehr.

Schon als Kind eignete sich Durow umfassende Computerkenntnisse an. Eine Legende besagt, dass er das Computernetzwerk seiner Schule gehackt habe. Er studierte Linguistik an der Staatlichen Universität Sankt Petersburg. 2006 machte er seinen Abschluss, sein Diplom soll er allerdings nie abgeholt haben. Möglicherweise hatte er dafür keine Zeit, denn in jenem Jahr gründete er das soziale Netzwerk vk.com – im Wesentlichen die russische Version von Facebook – gemeinsam mit seinem knapp vier Jahre älteren Bruder Nikolai.

Glaube and die Werte des freien Marktes

Das Netzwerk gewann schnell an Popularität, brachte den Brüdern aber auch Ärger mit der Regierung, weil 2011 viele Gegner von Wladimir Putin es nutzten, um ihren Protest gegen dessen erneute Kandidatur auszudrücken. In einem seiner seltenen Interviews, das der amerikanische Journalist Tucker Carlson mit ihm im Frühjahr 2024 führte, erinnerte sich Durow an diese Zeit.

Er glaube nach wie vor fest an liberale Werte: Freiheiten, Redefreiheit, Versammlungsfreiheit. „Als die russische Opposition begann, vk zu nutzen, um große Proteste in Russland zu organisieren, bei denen fast eine halbe Million Menschen auf dem Hauptplatz oder einigen der Hauptplätze der Stadt protestierten, wurden wir von der Regierung aufgefordert, diese Gemeinschaften auf vk zu verbieten, was ich ablehnte.“

Für die Demonstranten war es ein Instrument, um sich zu organisieren. „Damals ging es nicht darum, dass wir uns auf die eine oder andere Seite des politischen Kampfes schlagen. Es ging uns darum, die Rede- und Versammlungsfreiheit zu verteidigen, die wir für richtig hielten“, betont Durow.

Russische Regierung wollte Namen von Protestorganisatoren

Das sei aber bei der Regierung nicht so gut angekommen. 2013 habe es dann eine ähnliche Situation gegeben, als es einen Protest in der Ukraine gab, bei dem die Menschen wiederum vk nutzten, um sich zu organisieren und auf den Hauptplatz der Stadt zu gehen und ihre Unzufriedenheit mit der Regierung zu zeigen. Man sei damals von der russischen Seite aufgefordert worden, die privaten Daten der Organisatoren dieses Protests herauszugeben. „Und unsere Antwort war: Moment mal, das ist ein anderes Land. Wir werden unsere ukrainischen Nutzer nicht verraten, nur weil Sie uns darum bitten, das zu tun. Wir haben uns geweigert und das kam bei der russischen Regierung auch nicht gut an.“

Hatte der russische Geheimdienst beim Rücktritt die Finger im Spiel?

Am Ende jenes Jahres habe er eine schwierige Entscheidung treffen müssen. „Man stellte mich vor die Wahl zwischen zwei suboptimalen Optionen. Eine davon war, dass ich anfangen würde, alles zu tun, was die Führung des Landes mir aufträgt. Die andere war, dass ich meinen Anteil am Unternehmen verkaufen, mich zurückziehen, als CEO zurücktreten und das Land verlassen könnte.“ Dies geschah dann auch kurze Zeit später. Im März 2014 erklärte Pawel Durow seinen Rücktritt vom Chefposten und verließ das Unternehmen. Der Nachrichtensender ntv spekulierte damals, ob der russische Geheimdienst seine Finger mit im Spiel hatte.

Bereits im Jahr zuvor hatte Durow – erneut mit seinem Bruder Nikolai – den Messenger-Dienst Telegram gegründet. Er gilt als sicheres Nachrichtensystem, doch auch damit hat Durow Ärger, weil er sich weigert, zensierend einzugreifen und so auch angeblich Kriminellen die Gelegenheit biete, ungehindert aktiv zu sein. Seine Weigerung wurde nun auch als ein Grund für seine Verhaftung in Frankreich angeführt.

Kooperiert Telegram mit Behörden oder nicht?

Von deutschen Behörden gibt es bezüglich der Kooperation von Telegram widersprüchliche Aussagen. Das Innenministerium teilte vor wenigen Tagen mit, Telegram lehne „die Beauskunftung von Bestandsdaten“ ab, gebe also keine identifizierenden Daten von verdächtigten Nutzern mehr an das Bundeskriminalamt weiter, sagte eine Sprecherin des Ministeriums dem „Spiegel“.

Doch das Bundeskriminalamt teilte der „Welt“ mit, dass etwa 80 Prozent aller Löschanfragen des BKA von Telegram umgesetzt werden. Die Anordnungen erfülle die Plattform „durchgängig zeitnah“.

Inhaber mehrerer Staatsbürgerschaften

Seine russische Heimat verließ er 2014 und lebte in den USA, Europa und aktuell in Dubai. Er soll geschworen haben, nie wieder nach Russland zurückzukehren, doch offenbar war das nicht so ernst gemeint. Denn bereits im selben Jahr kehrt er laut ntv wieder zurück – und wird Dauergast in seiner Heimat. So soll er sich seither mehr als 60-mal dort aufgehalten haben. Auch sei er nicht der in Russland „ausgestoßene Unternehmer“, als der er sich gerne selbst darstelle.

Der Journalist Tom-Oliver Regenauer schrieb 2021 in einem Artikel, dass Durow 2017 als 33-jähriger Mitglied der Young Global Leaders des World Economic Forums war – als Repräsentant Finnlands. Möglicherweise entsandte ihn das Land, weil er zuvor vom Nordic Business Forum als „vielversprechendster Nordeuropäischer Anführer“ ausgezeichnet worden war. Ein anderer Zusammenhang erschließe sich nicht, meinte Regenauer. Die Website beim WEF mit seinem Profil ist allerdings mittlerweile gelöscht. Über die WayBackMachine lässt sich der Inhalt einsehen.

Durow präsentiert sich gerne als Globetrotter, der sich mal hier, mal da aufhält. Er hat mittlerweile mehrere Staatsbürgerschaften. So ist er seit August 2021 auch Franzose, schreibt „Euronews“. Die Umstände, die dazu führten, sind unbekannt, die Behörden hätten sich bislang nicht geäußert. Seit Februar 2021 ist er auch Staatsbürger der Vereinigten Arabischen Emirate. Kurz nachdem er Russland verlassen hatte, erhielt er die Staatsbürgerschaft der Karibikinsel St. Kitts und Nevis.

Eine Million Dollar Miete pro Jahr für Luxusvilla in Dubai

Aktuell lebt Durow in Dubai und bewohnt auf den Jumeirah-Inseln eine Villa, die laut einem Bericht des Wirtschaftsmagazins „Forbes“ eine Million Dollar Miete pro Jahr kostet. Die Luxusunterkunft steht auf einem 15.000 Quadratmeter großen Grundstück und hat unter anderem fünf Schlafzimmer. Mit einer Monatsmiete von 83.300 Dollar ist sie das bislang teuerste Objekt in der Region. Für den Multimilliardär, dessen Vermögen „Forbes“ auf rund 15,5 Milliarden Euro schätzt, wohl eher die berühmten „Peanuts“.

Doch unklar ist, wie viel Geld Durow tatsächlich besitzt. Laut eines Berichts der „Financial Times“ schätzte er im Frühjahr 2024 den Wert von Telegram, dessen alleiniger Besitzer er ist, auf rund 30 Milliarden Dollar. Doch kurz nach der Verhaftung Durows berichtete ebenfalls die „Financial Times“, dass es um die Profite mit dem Messenger längst nicht so gut bestellt ist, wie der Gründer bislang glauben machte. Nach Angaben der britischen Zeitung belief sich der Umsatz von Telegram im vergangenen Jahr auf 342 Millionen Dollar. Der operative Verlust belief sich auf 108 Millionen Dollar, der Gesamtverlust nach dem Abzug der Steuern auf rund 173 Millionen Dollar.

Ein großer Teil seines Vermögens soll laut „Financial Times“ auf Kryptowährungen beruhen. Zur Kompensation von Verlusten soll das Unternehmen etwa 2,4 Milliarden Dollar an Fremdkapital aufgenommen haben. Dieses wird dem Bericht zufolge 2026 fällig.

Über 100 Kinder in zwölf Ländern?

Über Durows Privatleben gibt es ebenfalls einige Spekulationen. Er ist unverheiratet und gibt gerne zum Besten, dass er – dank Samenspenden – Vater von 100 Kindern in zwölf Ländern sei. Für fünf Nachkommen gibt es bislang Belege. So haben Journalisten der russischen Ausgabe von „Forbes“ recherchiert, dass Durow eine Tochter (geboren 2009) und einen ein Jahr später geborenen Sohn mit seiner früheren Klassenkameradin Daria Bondarenko hat.

Seit 2012 war er mit der vier Jahre älteren Anwältin Irina Bolgar liiert, die zwischen 2013 und 2017 drei Kinder – ein Mädchen und zwei Jungen – gebar. Deren Existenz machte sie allerdings erst im Juni 2024 bekannt, nachdem sie – nun in der Schweiz lebend – das Sorgerecht für die Kinder vor Gericht erstritten hatte. Ihren Aussagen zufolge hat Durow seine Kinder seit September 2022 nicht mehr gesehen und stellte um diese Zeit auch die zwischen den Eltern vereinbarten monatlichen Unterhaltszahlungen in Höhe von rund 150.000 Euro ein.

Eine verschwundene Influencerin

Zuletzt war Durow mit der 24 Jahre alten Influencerin Juli Vavilova auf Reisen. Das belegen Fotos auf verschiedenen Social-Media-Plattformen, die die 24-Jährige und den Telegram-Chef bei Reisen nach Usbekistan und zuletzt nach Aserbaidschan zeigten. Das berichtet die „New York Times“. In welchem Zusammenhang diese Reisen mit der Festnahme Durows stehen, ist unklar, sagte der französische Datenschutzforscher Baptiste Robert der Zeitung. Allerdings seien Durows Bewegungen über den Instagram-Kanal von Vavilova leicht nachvollziehbar gewesen. Mysteriös ist jedoch, dass die junge Frau nach der Festnahme ihres Begleiters verschwunden ist. Ihre Familie hat keinen Kontakt zu ihr, schreibt die „New York Times“ weiter. Und auch auf ihren Social-Media-Kanälen gibt es seither keine neuen Posts. Posts, die sie und Durow gezeigt haben, sollen gelöscht worden sein.



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