Papst Franziskus verurteilt Unterdrückung von Indigenen in Mexiko (+ Rede im Wortlaut)
Bei einer Messe mit indigenen Gläubigen in Süden von Mexiko hat Papst Franziskus am Montag die Vertreibung von Ureinwohnern aus Gewinninteressen verurteilt. Zehntausende Menschen bereiteten Franziskus in San Cristobal de las Casas einen herzlichen Empfang.
Papst Franziskus prangerte bei der Eucharistiefeier auf dem Sportplatz der Stadt die Bedrohung indigener Völker durch Umweltzerstörung und Profitgier an. Er verurteilte insbesondere den Landraub und die Vertreibung von Ureinwohnern aus Gewinninteresse.
Im Rausch der Macht und Märkte
Die Täter seien "trunken von Macht, Geld und den Gesetzen des Marktes", sagte Papst Franziskus. Die Menschen hätten allen Grund, ihr Gewissen zu erforschen und die indigenen Völker um Vergebung zu bitten.
In diesem Zusammenhang forderte Franziskus einen verantwortungsvollen Umgang mit der Schöpfung. Die Gewaltkultur des Menschen zeige sich auch an Krankheitssymptomen im Boden, im Wasser, in der Luft und in den Lebewesen, sagte Franziskus mit Verweis auf seine Umweltenzyklika "Laudato si".
Zehntausende Indigene hatten dem Papst zuvor auf dem Sportplatz von San Cristobal de las Casas einen herzlichen Empfang bereitet. "Willkommen Papst des Friedens" und "Willkommen Papst der Armen", hieß es in Sprechchören.
Indigene stellen ein Viertel der Bevölkerung in Chiapas. Trotz guter klimatischer Bedingungen für die Landwirtschaft lebt ein Großteil von ihnen in Armut. Der Bundesstaat hatte in den 1990er Jahren wegen des blutig niedergeschlagenen Zapatistenaufstandes weltweit für Schlagzeilen gesorgt.
Von Indigenen lernen
„Die durch die Wegwerfkultur entblößte Welt von heute braucht euch", so der Papst in seiner Predigt. Die Welt von heute, die dem Pragmatismus verhaftet sei, müsse den Wert der Unentgeltlichkeit neu lernen, forderte der Papst.
Er kritisierte die Ausgrenzung und Geringschätzung gegenüber den Werten und Traditionen indigener Völker. Von diesen Werten und Traditionen sowie der Weisheit und Naturverbundenheit der Indigenen könne die Menschheit lernen. Das gelte besonders für junge Menschen, "die einer Kultur ausgesetzt sind, die all die kulturellen Reichtümer und Merkmale zu unterdrücken sucht zugunsten einer homogenen Welt". Der Papst sprach von Kräften, die die Seelen besonders der Kinder und Jugendlichen betäuben wollten mit dem Hinweis, dass sie an ihrer Situation ohnehin nichts ändern könnten.
Die Teilnehmer der Eucharistiefeier rief Franziskus zum Vertrauen in die Liebe Gottes auf. Gott teile die Sehnsucht nach einer geschwisterlichen Welt ohne Unterdrückung, Misshandlung und Erniedrigung. Er begleite die Menschen, "damit die Finsternis nicht das letzte Wort behält". Gewalt und Ungerechtigkeit könnten durch Solidarität überwunden werden.
Papstpredigt im Wortlaut bei der Messe mit Indigenen in Chiapas
Li smantal Kajvaltike toj lek – die Weisung des Herrn ist vollkommen, sie erquickt den Menschen: So begann der Psalm, den wir gehört haben. Die Weisung des Herrn, sein Gesetz, ist vollkommen, und der Psalmist unternimmt es, all das aufzuzählen, was dieses Gesetz in dem bewirkt, der es anhört und befolgt: Es erquickt den Menschen, macht den Unwissenden weise, erfreut das Herz und erleuchtet die Augen (vgl. Ps 19,8-9).
Das ist das Gesetz, das das Volk Israel aus der Hand des Mose empfangen hatte, ein Gesetz, das dem Volk Gottes helfen sollte, in der Freiheit zu leben, zu der es berufen worden war. Ein Gesetz, das Licht für seine Schritte sein und die Wanderung des Gottesvolkes begleiten wollte. Eines Volkes, das die Sklaverei und die Zwangsherrschaft des Pharaos erlebt hatte, das Leiden und Misshandlung erlitten hatte, bis Gott sagte: „Genug!“, bis Gott sagte: „Jetzt reicht’s! Ich habe das Elend gesehen, habe die Klage gehört, ich kenne sein Leid“ (vgl. Ex 3,9). Und da offenbart sich das Gesicht unseres Gottes, das Gesicht des Vaters, der angesichts des Schmerzes, der Misshandlung und der Ungerechtigkeit im Leben seiner Kinder leidet; und sein Wort, sein Gesetz wird zum Symbol der Freiheit, zu einem Symbol für Freude, Weisheit und Licht. Es ist eine Erfahrung, eine Wirklichkeit, die ihren Widerhall findet in einer Aussage, die aus der Weisheit entspringt, die diesem Land seit alten Zeiten eingeprägt wurde und die im Popol Vuh [„Buch des Rates“] so ausgedrückt wird: Die Morgendämmerung brach herein über allen Stämmen gemeinsam. Das Angesicht der Erde wurde sofort geheilt durch die Sonne (33). Die Morgendämmerung brach herein für die Völker, deren Weg immer wieder durch die verschiedenen Finsternisse der Geschichte führte.
In dieser Aussage liegt ein Sehnen danach, in Freiheit zu leben, liegt eine Sehnsucht nach dem Land der Verheißung, wo Unterdrückung, Misshandlung und Erniedrigung nicht die gültige Währung sind. Ins Herz des Menschen und ins Gedächtnis vieler unserer Völker ist die Sehnsucht nach einem Land, nach einer Zeit eingemeißelt, wo die Geringschätzung überwunden ist durch die Geschwisterlichkeit, die Ungerechtigkeit besiegt ist durch die Solidarität und die Gewalt zum Schweigen gebracht ist durch den Frieden.
Unser himmlischer Vater teilt nicht nur diese Sehnsucht, er selbst hat sie angeregt und regt sie weiter an, indem er uns seinen Sohn Jesus Christus schenkt. In ihm begegnen wir dem Vater, der Seite an Seite mit uns geht. In ihm sehen wir, wie dieses vollkommene Gesetz Fleisch annimmt, ein Gesicht bekommt, die Geschichte ergreift, um sein Volk zu begleiten und zu unterstützen; wie es Weg wird, Wahrheit wird, Leben wird, damit die Finsternis nicht das letzte Wort behält und die Morgendämmerung nicht aufhört, über dem Leben seiner Kinder aufzugehen.
Auf vielerlei Art und Weise wollte man dieses Sehnen zum Schweigen bringen und verstummen lassen, auf vielerlei Art hat man versucht, unsere Seele zu betäuben, auf vielerlei Weise hat man danach getrachtet, das Leben unserer Kinder und Jugendlichen schläfrig zu machen und einzulullen mit dem Hinweis, dass sich nichts ändern kann oder dass es unmögliche Träume sind. Angesichts dieser Formen weiß sogar die Schöpfung ihre Stimme zu erheben: »Diese Schwester schreit auf wegen des Schadens, den wir ihr aufgrund des unverantwortlichen Gebrauchs und des Missbrauchs der Güter zufügen, die Gott in sie hineingelegt hat. Wir sind in dem Gedanken aufgewachsen, dass wir ihre Eigentümer und Herrscher seien, berechtigt, sie auszuplündern. Die Gewalt des von der Sünde verletzten menschlichen Herzens wird auch in den Krankheitssymptomen deutlich, die wir im Boden, im Wasser, in der Luft und in den Lebewesen bemerken. Darum befindet sich unter den am meisten verwahrlosten und misshandelten Armen diese unsere unterdrückte und verwüstete Erde, die „seufzt und in Geburtswehen liegt“ (Röm 8,22)« (Laudato si’, 2).
Die Herausforderung der Umweltsituation, die wir erleben, und ihre menschlichen Wurzeln betreffen uns alle (vgl. Ebd, 14) und rufen uns auf den Plan. Wir können uns angesichts einer der größten Umweltkrisen der Geschichte nicht mehr taub stellen.
In diesem Punkt habt ihr uns viel zu lehren. Eure Völker verstehen, in einer harmonischen Beziehung zur Natur zu leben; sie respektieren sie als »Nahrungsquelle, gemeinsames Haus und Altar, auf dem die Menschen miteinander teilen« (Aparecida 472).
Allerdings sind eure Völker oftmals systematisch und strukturell verkannt und aus der Gesellschaft ausgeschlossen worden. Einige haben eure Werte, eure Kultur und eure Traditionen für minderwertig gehalten. Andere haben – gleichsam trunken von Macht, Geld und den Gesetzen des Marktes – euch eures Bodens beraubt oder ihn durch ihr Handeln verseucht. Wie traurig! Wie gut täte es uns allen, Gewissenserforschung zu halten und zu lernen, um Verzeihung zu bitten! Die durch die Wegwerfkultur entblößte Welt von heute braucht euch!
Die jungen Menschen von heute, die einer Kultur ausgesetzt sind, die all die kulturellen Reichtümer und Merkmale zu unterdrücken sucht zugunsten einer homogenen Welt, haben es nötig, dass die Weisheit eurer alten Menschen nicht verloren geht!
Die Welt von heute, die dem Pragmatismus verhaftet ist, muss den Wert der Unentgeltlichkeit neu lernen!
Wir sind dabei, die Gewissheit zu feiern, dass »der Schöpfer […] uns nicht [verlässt], niemals macht er in seinem Plan der Liebe einen Rückzieher, noch reut es ihn, uns erschaffen zu haben« (Laudato si’, 13). Wir feiern, dass Jesus Christus weiter stirbt und aufersteht in jeder Geste, die wir für den Geringsten seiner Brüder vollbringen. Fassen wir Mut, weiter Zeugen seiner Passion und seiner Auferstehung zu sein, indem wir die Weisung des Herrn verkörpern, denn Li smantal Kajvaltike toj lek – die Weisung des Herrn ist vollkommen, sie erquickt den Menschen.
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