Pandemievertrag der WHO könnte am größten Geldgeber scheitern
Ende Mai steht die jährliche Vollversammlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) auf dem Programm. Generalsekretär Tedros Adhanom Ghebreyesus möchte bis dahin eine grundsätzliche Einigung unter den Mitgliedstaaten über den sogenannten Pandemievertrag erzielt haben. Die Zeit wird allerdings zunehmend knapper, und der Wahlkampf in den USA scheint die Chancen nicht wesentlich zu erhöhen. Im Gegenteil: Die Republikaner, die über eine Mehrheit im Repräsentantenhaus verfügen, stehen dem Vorhaben äußerst skeptisch gegenüber. Der designierte Präsidentschaftskandidat Donald Trump hat sogar einen neuerlichen WHO-Austritt angekündigt.
Austritt unter anderem wegen verfehlter Informationspolitik zu Corona
Bereits im Jahr 2020 hatte Trump als Präsident diesen Schritt vollzogen. Im April jenes Jahres hatten die USA unter seiner Präsidentschaft ihre Zahlungen an die internationale Organisation eingestellt. Für die WHO war das bereits ein erheblicher Rückschlag – immerhin sind die Amerikaner traditionell der mit Abstand größte Beitragszahler.
Drei Monate später leitete Trump offiziell den Austrittsprozess aus der Vereinigung ein. Er begründete den Schritt unter anderem mit dem Versagen der WHO im Umgang mit der Corona-Pandemie. Trump warf der Vereinigung unter anderem vor, in der Anfangsphase blauäugig auf die Richtigkeit der Informationen des KP-Regimes in China vertraut zu haben. Das habe wertvolle Zeit bei der Pandemiebekämpfung gekostet. Gleichzeitig habe man unqualifizierte Kritik an der Pandemiepolitik in den USA geübt.
Sein Nachfolger Joe Biden machte den Schritt rückgängig. Er schrieb in einem Brief an UN-Generalsekretär António Guterres, die WHO habe „eine entscheidende Rolle“ im Kampf gegen Corona und andere Bedrohungen der weltweiten Gesundheit gespielt. Die USA würden in vollem Umfang bei der Bekämpfung solcher Gefahren mitwirken und eine globale Führungsrolle dabei einnehmen.
Trump will die WHO durch eine neue Vereinigung ersetzen
Im kommenden November wird aller Voraussicht nach das Rennen um die US-Präsidentschaft erneut zwischen Joe Biden und Donald Trump entschieden. Sollte dem 45. Präsidenten die Revanche für 2020 gelingen, hat dieser auch schon eindeutige Pläne für den weiteren Umgang mit der WHO.
In einem jüngst veröffentlichten Video kündigte Trump nicht nur an, erneut den Austritt aus der WHO zu vollziehen. Er stellte zudem in Aussicht, auf internationaler Ebene die Bildung einer neuen Vereinigung zum Schutz der Gesundheit anzustreben. Diese solle Souveränität und Freiheit eine bedeutendere Rolle zukommen lassen als dies im Fall der WHO der Fall sei.
Für Tedros und die WHO würde eine Wiederwahl von Donald Trump entsprechend einen herben Rückschlag bedeuten. Vor allem würde es ihre Hoffnungen zunichtemachen, den geplanten Pandemievertrag unter Dach und Fach zu bringen. Dieser soll eine Grundlage für ein international abgestimmtes Vorgehen schaffen, sollte es jemals wieder zu einer Situation wie Anfang 2020 kommen.
Auf der Grundlage des fiktiven Szenarios einer „Krankheit X“, die das Potenzial zu einer globalen Pandemie haben soll, will die WHO in diesem Vertrag Vorbereitungsmaßnahmen und Reaktionen abstimmen. Die WHO strebt dabei eine führende Rolle in der Koordination der Maßnahmen an – und verspricht sich durch den Vertrag auch die entsprechende Autorität gegenüber den Mitgliedsländern.
Indirekte Wirkung internationaler Verträge kann Souveränität beeinflussen
Tedros nennt den Vertrag einen „rechtsverbindlichen Pakt zwischen Ländern, die zusammenarbeiten“. Genau diese angestrebte Rechtsverbindlichkeit ist jedoch etwas, das vor allem republikanischen Kongressabgeordneten Bauchschmerzen bereitet. Sie befürchten eine Einschränkung der Souveränität der Vereinigten Staaten in zentralen politischen Gestaltungsbereichen.
Zwar haben internationale Organisationen grundsätzlich immer nur so viel an Möglichkeiten, die Politik einzelner Staaten zu bestimmen, wie diese es selbst zulassen. Auch wird eine Verpflichtung, die ein Staat im Wege eines internationalen Vertrags eingeht, nie direkt wirksam. Die Staaten müssen sie ratifizieren und können Vorbehalte anmelden.
Dennoch können internationale Verpflichtungen indirekt die Souveränität von Staaten beeinflussen – unter anderem dadurch, dass Gerichte im Wege der Normenkontrolle staatliche Gesetze beanstanden können, wenn diese gegen internationale Verpflichtungen verstoßen. In Deutschland hat beispielsweise das Bundesverfassungsgericht in seinem Klimaurteil von 2021 dem Pariser Abkommen und den darin enthaltenen Verpflichtungen eine entsprechende Autorität zugebilligt.
Pandemievertrag will Zugang zu Abtreibung garantieren und „Falschinformationen“ bekämpfen
Republikanische Abgeordnete befürchten den gleichen Effekt auf die USA im Fall einer Unterzeichnung des Pandemievertrages. Sie sehen eine mögliche Unterminierung der amerikanischen Souveränität, eine Verletzung der Rechte des amerikanischen Steuerzahlers und einen möglichen Versuch der WHO, dem Land eine progressive ideologische Agenda aufzuzwingen.
Der aus Ohio stammende Kongressabgeordnete Brad Wenstrup spricht von einem „politischen“ Abkommen, das sich noch dazu auf die finanzielle Unterstützung der USA verlasse. Gleichzeitig halte sich die WHO immer noch bedeckt bezüglich der zu erwartenden Kosten, die auf die USA zukämen.
Tony Perkins vom Family Research Council stößt sich an einem Passus im Entwurf, der von der Aufrechterhaltung „grundlegender Gesundheitsdienste“ in einer Pandemie spricht – und dabei auch den Schwangerschaftsabbruch nennt. Generell arbeite die WHO eng mit Organisationen zusammen, die diesen propagierten.
Regierung Biden: „WHO hat diese Befugnis nicht“
Weitere Passagen enthielten zudem Aufträge an die Mitgliedstaaten wie jenen, „falsche, irreführende, Fehlinformationen oder Desinformationen zu bekämpfen, unter anderem durch Förderung der internationalen Zusammenarbeit“ (Artikel 17). Dies sehen viele Republikaner als Gefahr für die verfassungsmäßig geschützte Redefreiheit.
Angesichts der Informationspolitik der WHO in der Corona-Pandemie und der Vertrauensseligkeit gegenüber der KP Chinas billigt man der Organisation selbst kein intaktes Urteilsvermögen zu.
Die Regierung Biden versucht, die Bedenken der Republikaner zu zerstreuen. Die Kongressabgeordnete Marjorie Taylor Greene aus Georgia hatte im Dezember in einem Hearing erklärt, die WHO könnte den USA aufgrund des Pandemievertrages politische Entscheidungen diktieren.
Loyce Pace, die stellvertretende Ministerin für globale Angelegenheiten im US-Gesundheitsministerium erklärte dazu:
„Wir werden nichts akzeptieren, was unsere Souveränität untergräbt, und die WHO hat diese Befugnis nicht.“
Allerdings, so Pace, seien sich andere Länder nicht mehr sicher, ob sie auf die USA zählen könnten.
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