Pandemiepakt der WHO: Welche Macht haben die Staaten?
Am 22. Mai startete in Genf die jährliche Weltgesundheitsversammlung. Im Mittelpunkt stehen Rechte der Weltgesundheitsorganisation beim Kampf gegen Pandemien. Auf Antrag der USA soll entschieden werden, dass die Organisation umfassendere Befugnisse erhält als bisher. Mitgliedstaaten sollen schneller und koordinierter Informationen zu möglichen Krankheitsausbrüchen melden und der WHO mehr Befugnisse beim Erklären von Notlagen übertragen. Darüber hinaus sollen sich WHO-Experten einfacher vor Ort ein Lagebild verschaffen dürfen.
Laut dem Wirtschaftsjournalisten Norbert Häring soll bereits während der laufenden Weltgesundheitsversammlung, die am 28. Mai endet, über einen Vorschlag Washingtons zur Änderung der Internationalen Gesundheitsvorschriften abgestimmt werden.
„Der Vorschlag, der den WHO-Mitgliedsländern vom WHO-Generalsekretär bereits am 20. Januar übermittelt wurde, zeichnet sich durchgängig dadurch aus, dass die WHO auch ohne Zustimmung von Regierungen einen Gesundheitsnotstand für deren Länder ausrufen und Gegenmaßnahmen diktieren können soll, bis hin zur Einladung ausländischer Expertenteams“, befürchtet Häring.
Zwar behielten die Regierungen das Recht, nein zu sagen. Dies werde aber stark entwertet dadurch, dass sie dann sofort weltweit an den Pranger gestellt werden könnten, „entweder von der WHO oder auch nur von einer einzelnen, mächtigen Regierung, wie etwa derjenigen der USA“.
US-Präsident Biden hatte am 21. März dem Business Round Table – den Verwaltungsräten und Chefs der 200 reichsten Unternehmen in den Vereinigten Staaten – gesagt, dass sie die wachsende „Neue Weltordnung“ anführen müssen. „Jetzt ist eine Zeit, in der sich die Dinge verschieben und es eine neue Weltordnung geben wird, und wir müssen sie anführen. Und wir müssen den Rest der freien Welt vereinen, um das zu tun.“
Die WHO könnte entscheiden, wie sich ein Gesundheitsnotstand definiert
„Diese Änderungen werden den Generaldirektor der WHO ermächtigen, Gesundheitsnotfälle oder -krisen einseitig und gegen den Widerstand der Zielnation festzulegen“, warnen die US-Psychiater Peter und Ginger Ross Breggin. „Der Generaldirektor wird in der Lage sein, diese Gesundheitskrisen allein aufgrund seiner persönlichen Meinung oder seiner Einschätzung, dass eine potenzielle oder mögliche Bedrohung für andere Nationen besteht, auszurufen.“ Durch die Änderungen entfalle die Verpflichtung zur Konsultation des betroffenen Mitgliedstaates.
Das Abkommen könnte die WHO ermächtigen, Regierungen zum Verhängen von Lockdowns zu zwingen – obwohl manche Studien der Organisation nur einen geringen Zusammenhang zwischen der Intensität der Maßnahmen und der Todesrate offenbaren. Tritt der Pandemie-Vertrag in Kraft, entscheidet die WHO, wie sich ein Gesundheitsnotstand definiert und wie dieser bekämpft wird, und nicht mehr die bis dahin souveränen Staaten. Eine allgemeine Impfpflicht könnte dann weltweit verbindlich werden.
Bill Gates, über seine Bill & Melinda Gates Stiftung einer der größten Geldgeber der WHO, greift in seinem aktuellen Buch „Wie wir die nächste Pandemie verhindern“ die Idee des Pandemievertrages auf. Eine GERM (Global Epidemic Response and Mobilization) genannte globale Eingreiftruppe für Epidemien soll Ausbrüche identifizieren und mit drastischen Maßnahmen wie Lockdowns und Schulschließungen bekämpfen können – sowie bei Bedarf weitere Schritte wie Impfstoffentwicklungen und Impfkampagnen organisieren.
Sind künftig noch Sonderwege einzelner Länder wie Schweden möglich?
Der Weltgesundheitsrat, ein Zusammenschluss von Wissenschaftlern, Ärzten, Anwälten und zivilgesellschaftlichen Organisationen, bezeichnete den Pandemievertrag schon im März als „Machtübernahme“ und wandte sich in einem offenen Brief an die Öffentlichkeit.
Derweil bringt das Netzwerk kritischer Richter und Staatsanwälte die Lage so auf den Punkt: „Die Mitgliedschaft in internationalen Organisationen wie der WHO ermöglicht die stetige Aushöhlung von Souveränität und Demokratie, durch Kompetenzverlagerung auf eine wenig konkret bestimmbare internationale Rechtsebene, durch Intransparenz, durch Sprachbarrieren sowie durch eine kaum informierte Öffentlichkeit.“
Kritiker halten eine so dominante Rolle der Weltgesundheitsorganisation insbesondere deshalb als bedenklich, weil sie nicht unabhängig sei. Zuletzt konnte sie nur noch ein Fünftel ihres Etats aus den Pflichtbeiträgen ihrer 194 Mitgliedstaaten bestreiten. Der Rest stammt von privaten Geldgebern, projektbezogenen Spenden von Staaten, Stiftungen, Nichtregierungsorganisationen und Unternehmen.
Noch ist nicht geklärt, wie die Partikularinteressen der 194 WHO-Mitgliedstaaten gebündelt werden sollen – und ob dies überhaupt gelingen kann. Zu Beginn der Coronakrise hielt China Informationen zum Ausbruch des Virus unter Verschluss. Das wirft weitere Fragen auf, warum Chinas Lockdown-Strategie von der Weltgesundheitsorganisation gelobt und in der Folge von einem Großteil der Welt nachgeahmt wurde. Offen bleibt zudem, ob künftig Sonderwege einzelner Länder wie Schweden möglich sind.
„Falschinformationen über die ‚Abschaffung der Demokratie‘“
Sicher scheint nur Deutschlands Ja zu den neuen Regeln der Internationalen Gesundheitsvorschriften. Auch die EU-Kommission wird ihre Mitglieder vertreten und für die Veränderung stimmen, berichtet die „Welt“. Der Vorstoß, so zitiert die Zeitung das Auswärtige Amt, werde durch die Bundesregierung begrüßt. Damit steht die Bundesrepublik nicht allein. Laut US-Gesundheitsstaatssekretärin Loyce Pace unterstützen „mehr als 40“ Länder den Reformvorschlag.
Anders präsentiert sich das bevölkerungsreichste Land Südamerikas: Brasilien wird den Pandemievertrag der WHO nicht unterzeichnen: „Nationale Souveränität ist nicht etwas, das der WHO übergeben und auf das verzichtet werden muss, nur um einem Club scheinbar fortgeschrittener Nationen beizutreten“, betonte Präsident Bolsonaro.
Der FDP-Politiker Konstantin Kuhle hält die Mahnungen der Kritiker für überzogen: „Auf Twitter und in den MdB-Postfächern stapeln sich Falschinformationen über die „Abschaffung der Demokratie” durch aktuelle Beratungen in der WHO“, twitterte der innenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Wie schon beim UN-Migrationspakt im Jahr 2018 laufe eine Angstkampagne zulasten von globaler Kooperation und Multilateralismus.
WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus versuchte bereits vor Beginn der WHO-Jahrestagung die Wogen zu glätten. Die WHO-Verfassung von 1948 wie auch der aktuelle Vorschlag für eine Pandemievereinbarung bedeute nicht, dass die WHO die Souveränität ihrer Mitgliedstaaten untergrabe.
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