OZEANOSOPHIE – im Meer unendlicher Weisheit
Die Etymosophie-Kolumne von Roland R. Ropers erscheint wöchentlich exklusiv in der EPOCH TIMES Deutschland.
Der Ozean, das horizontlose, weite, unbegrenzte Meer vermittelt dem Betrachter das Gefühl von glückseliger Freiheit. Der tiefste Meeresgrund ist von allen vorübergehenden oberflächlichen Wellenbewegungen unberührt. Dort kommen allen Emotionen zum Stillstand.
Okeanos (griechisch: Ὠκεανός, latinisiert Ōceanus) ist für den griechischen Dichter Homer sowohl der Ursprung der Welt als auch das große Meer, das die Erde umfließt. 71 Prozent der Erde sind von Wasser bedeckt. Der Mensch selbst besteht zu über 70 Prozent aus Wasser – das wird so häufig vergessen. Wir gehen unserem wahren Wesen nur zu selten auf den Grund. Wir müssen unsere Sichtweise erweitern, damit wir uns nicht in der Begrenzung (Horizont – von griechisch.: óρίζειν = begrenzen) den Zugang zu unserer Urquelle versperren.
Der große deutsche Komponist Ludwig van Beethoven hat dieses Mysterium wunderbar in Worte gefasst:
„Wenn ich am Abend den Himmel staunend betrachte und das Heer der ewig in seinen Grenzen sich schwingenden Lichtkörper, Sonnen oder Erde genannt, dann schwingt sich mein Geist über diese so vielen Millionen zur Urquelle hin, aus welcher alles Erschaffene strömt und aus welcher ewig neue Schöpfungen entströmen werden.“
Der erst im 16. Jahrhundert geprägte mongolische Begriff „ta la’i“ bezeichnet etwas Riesiges, Universelles; daraus ist das Wort „Dalai“ entstanden – der Dalai Lama wird auch als Lehrer (Lama) ozeanischer Weisheit bezeichnet. Im Gegensatz zu den Mongolen, von denen wohl die wenigsten jemals einen Ozean gesehen haben, war den Hindus das weite Meer sehr gut bekannt, das sie im Sanskrit „Sagara“ nennen.
Wenn wir Dingen auf den Grund gehen, tritt Wesentliches ans Licht. Ein groß-artiges Beispiel ist der Künstler, der Skulpturen macht. Seine Arbeit, die von enormer intuitiver Kraft geprägt sein muss, liegt in der Reduktion, niemals in der Addition. Er bringt keine Farben auf eine Leinwand, auch keine Worte oder Noten zu Papier. Vor ihm steht ein unbehauener Steinklotz. Und durch achtsames Meißeln, wobei immer mehr vom Äußeren abfällt, erscheint plötzlich das innerste Wesen, das sichtbare Gestalt bekommt. Im Verborgenen war es immer vorhanden. Auch der normale Mensch kann durch das Loslassen blockierender Schichten im Unterbewusstsein zum Wesentlichen vordringen und seine Urquelle fließen lassen.
Im 32. Kapitel des „Tao Te King“ von Lao Tse lesen wir:
„Der Weg ist ewig namenlos.
Obwohl sein Wesen einfach wie ein unbehauener Holzklotz ist,
wagt niemand in der Welt, über ihn zu herrschen.
Wenn es Königen und Fürsten dieser Welt gelingt,
die ursprüngliche Einfachheit des unbehauenen
Holzklotzes zu bewahren,
werden die zehntausend Dinge von selbst gehorchen.
Himmel und Erde werden sich vereinigen,
ein ganz weicher Regen wird niedergehen,
und die Menschen brauchen keine Anweisungen mehr.
Alles ist von sich aus in Ordnung.
Erst wenn er behauen wird,
tauchen die Namen auf.
Sobald es Namen gibt,
sollte man erkennen,
dass es an der Zeit ist, innezuhalten.
Wer weiß, wann er innehalten muss,
kann Gefahr vermeiden.
Der Weg ist wie ein Fluss.
Er fließt zurück in die Heimat,
er fließt zurück in den Ozean.“
{R:2}Der Religionsphilosoph Roland R. Ropers ist Autor und Herausgeber etlicher Bücher:
Was unsere Welt im Innersten zusammenhält: Hans-Peter Dürr im Gespräch mit bedeutenden Vordenkern, Philosophen und Wissenschaftlern von Roland R. Ropers und Thomas Arzt; 2012 im Scorpio Verlag
Eine Welt – Eine Menschheit – Eine Religion von Bede Griffiths und Roland R. Ropers
Gott, Mensch und Welt. Die Drei-Einheit der Wirklichkeit von Raimon Panikkar und Roland R. Ropers
Die Hochzeit von Ost und West: Hoffnung für die Menschheit von Bede Griffiths und Roland R. Ropers
Geburtsstunde des neuen Menschen. Hugo Makibi Enomiya-Lassalle zum 100. Geburtstag von Roland R. Ropers
Roland Ropers erreichen Sie mit: [email protected]
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