Ostsee als strategischer Brennpunkt: Pistorius sieht Bedrohung durch hybride Kriegsführung
Parallelen zur Zeit des Kalten Krieges hat Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius angesichts des jüngsten Vorfalls in der Ostsee gezogen. Wie am Mittwoch, 4.12., bekannt wurde, soll ein russisches Kriegsschiff mit Signalmunition geschossen haben, als sich ein deutscher Militärhubschrauber ihm näherte.
Genauere Angaben über den Vorfall hat das Bundesverteidigungsministerium bis dato nicht gemacht. Bereits am Mittwoch hatte es uneinheitliche Meldungen dazu in den Medien gegeben. Während einige schrieben, die Begebenheit habe sich während einer „Bundeswehrübung“ in der Ostsee zugetragen, war in anderen von einem „Aufklärungsflug“ die Rede.
Kriegsschiff hat nicht „auf den Hubschrauber geschossen“
Zugetragen habe sich der Vorfall Ende November. Involviert gewesen sei nach übereinstimmenden Angaben ein Bordhubschrauber der Fregatte „Nordrhein-Westfalen“. Dieser habe sich südöstlich der dänischen Insel Bornholm dem Kriegsschiff genähert. Von diesem aus sei die Signal- oder Leuchtmunition verschossen worden.
Allerdings sind offenbar Berichte unzutreffend, in denen es hieß, das Schiff habe „auf den Hubschrauber“ geschossen. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) beruft sich auf „informierte Kreise“ in Berlin und schreibt, der Abstand zwischen Hubschrauber und Kriegsschiff habe immer noch zwei Kilometer betragen.
Außerdem hätten Signalwaffen gar nicht die erforderliche Reichweite, um eine Gefahr für Luftfahrzeuge entfalten zu können. Üblicherweise wird Signalmunition nur in Notsituationen verwendet, um die Lokalisierung Betroffener zu erleichtern. Die Marine habe den Vorfall allerdings vermerkt.
Vorfälle dieser Art in der Ostsee bereits in der Zeit des Kalten Krieges
Minister Pistorius erklärte auch am Donnerstag, dem Tag nach dessen Bekanntwerden, Details dazu seien „nicht für die Öffentlichkeit“ bestimmt. Allerdings sprach er von „provozierendem Verhalten“, das von russischen Armeeteilen wiederholt ausgegangen sei. Begebenheiten wie die am Mittwoch bekannt gewordenen haben es bereits in der Zeit des Kalten Krieges häufig gegeben:
„Wir hatten immer wieder Vorfälle in der Ostsee, die sich dann daraus ergeben, dass es Warnschüsse in die Luftgibt, dass es Warnschüsse ins Wasser gibt.“
Es habe in jüngster Zeit auch mehrfach Fälle gegeben, da russische Kampfflugzeuge ohne Kennung über das Baltikum aufstiegen. Diese wollten testen, wie die NATO reagiere. In Litauen soll Deutschland eine Brigade in einer Stärke von 5.000 Soldaten unterbringen. Ein Vorkommando ist bereits dort.
Pistorius sprach zudem von einer „hybriden Kriegsführung“, die im Ostseeraum betrieben werde, und von einer „Bedrohung der Infrastruktur“. Damit spielte er offenbar auf die mutmaßlichen Sabotageaktionen an Unterwasser-Glasfaserkabeln an, die sich in den vergangenen 12 Monaten zugetragen hatten.
Pistorius sieht „zunehmende maritime Präsenz“ Russlands und Chinas in der Region
Im Vorjahr geriet das Containerschiff „NewNew Polar Bear“ in Verdacht, zwei Unterwasserkabel und eine Gaspipeline beschädigt zu haben. Derzeit sitzt die „Yi Peng 3“ im Kattegat fest. Das Schiff soll für Schäden an Kommunikationskabeln zwischen Gotland und Litauen sowie Helsinki und Rostock verantwortlich sein. Bei beiden handelt es sich jedoch nicht um russische, sondern chinesische Schiffe.
Pistorius äußerte im „Deutschlandfunk“, dass neben russischen zivilen und Marineschiffen auch zunehmend solche der chinesischen Marine in der Ostsee präsent seien. Dies unterstreiche, dass die Ostsee für beide Länder eine „strategische Bedeutung“ habe.
Auch, wenn infolge der Sanktionspolitik die russischen Wirtschaftsbeziehungen nach Nord- und Westeuropa leiden, bleibt die Ostsee für den Kreml von strategischem Interesse. Ein Faktor ist dabei zweifellos der militärische: Russland benötigt den Überblick über das dortige Geschehen, da vom Ostseeraum aus Angriffe auf die Exklave Kaliningrad oder auf den Nordwesten des Landes möglich wären. Kaliningrad wird außerdem über die Ostsee versorgt.
Ostsee als potenzielles Aufmarschgebiet gegen Russland
Der maritime Güterverkehr, der in Sankt Petersburg passiert, beläuft sich jährlich auf mehr als 300 Millionen Tonnen. Indem Russland seine Präsenz in der Ostsee aufrechterhält, behauptet es auch seine Rechte auf Nutzung dieser Seeverbindungslinien nach dem Seerechtsübereinkommen der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation (IMO).
Im Fall eines bewaffneten Konflikts muss Russland befürchten, dass die NATO versuchen wird, den Zugang zum Seeweg zu erschweren oder abzuschneiden. Pistorius behauptet zudem, ohne konkrete Beispiele zu nennen, die Ostsee werde häufig genutzt, um Sanktionen zu umgehen.
Für Chinas KP-Regime wiederum ist die Ostsee als Handelsweg von Bedeutung. Nicht nur Güter, die für nord- oder westeuropäische Länder bestimmt sind, werden über diese Route transportiert. Die „NewNew Polar Bear“ und die „Yi Peng 3“ waren ursprünglich vorgesehen, um Düngemittel und andere Waren nach Ägypten zu bringen.
Den Weg über Russland und die Ostsee zu nehmen, ist für Logistiker offenbar eine willkommene Alternative zu Transportrouten über den Pazifik und das Horn von Afrika.
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