Osteuropa wehrt sich gegen billiges ukrainisches Getreide

Brüssel beschuldigt Ungarn und Polen der Willkür: Die osteuropäischen Länder wollten nicht länger auf die EU warten und verboten am Wochenende die Einfuhr von billigem ukrainischem Getreide. Die Slowakei folgte dem Beispiel. Auch andere Länder sind besorgt.
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Billiges und zollfreies ukrainisches Getreide ist ein ernsthafter Konkurrent für die osteuropäischen Länder. In mehreren Staaten wurden bereits vorübergehende Verbote verhängt.Foto: iStock
Von 18. April 2023

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Die slowakischen, ungarischen und polnischen Regierungen fassten am Wochenende konkrete Beschlüsse: Sie verboten billiges ukrainisches Getreide. Bauern und Landwirte der drei Staaten konnten seit Langem schon nicht mehr mit dem Getreide konkurrieren.

Der letzte Anstoß für die Regierungen, vorübergehend ein Importverbot zu verhängen, könnte eine Qualitätskontrolle der Slowakei gewesen sein. Diese ergab, dass das Getreide aus der Ukraine gesundheitsgefährdend sein könnte.

In Brüssel stießen die eigenmächtigen Maßnahmen der Mitgliedstaaten auf Unwillen. Die Maßnahmen der Staaten gelten vorerst bis Ende Juni.

Der Bann kam in letzter Minute

Wie ein Dominoeffekt beschleunigten sich die Ereignisse in den letzten Tagen. Während die Landwirte schon seit einiger Zeit unzufrieden waren und die EU bereits beschlossen hatte, einige Hilfen zu gewähren, eskalierte die Situation.

Die Preise für ukrainisches Getreide lagen bereits weit unter dem Herstellungspreis der ungarischen Landwirte. Unter diesen Bedingungen fragten sich die Bauern, ob sie ihre Frühjahrssaaten überhaupt noch einbringen sollten. Das Einfuhrverbot hat die Lage vorübergehend ein wenig entspannt, erklärte András Máhr, stellvertretender Generalsekretär des nationalen Bauernverbands, im ungarischen Nachrichtensender „atv.hu“.

Der ungarische Landwirtschaftsminister verkündete die Regierungsentscheidung am Sonntag auf Facebook – nur wenige Stunden nach dem polnischen Verbot vom Samstag.

Die Einfuhr von billigem ukrainischem Getreide ist damit bis zum 30. Juni verboten. „Die Fortsetzung der aktuellen Markttrends würde der ungarischen Landwirtschaft derart schweren Schaden zufügen, dass Sondermaßnahmen ergriffen werden müssen, um dies zu verhindern“, erklärte Minister István Nagy.

Was danach passiert, hängt weitgehend von der Entscheidung der EU ab. Die ungarische Regierung hofft, die Zollfreiheit ukrainischer Produkte zu beenden.

Das billige ukrainische Getreide hat einen großen Einfluss auf die Wirtschaft der EU-Länder. Die Anbaumethoden entsprechen nicht den EU-Standards. Foto: iStock

In Brüssel herrscht Unmut

Die Europäische Kommission reagierte ablehnend, berichtet die britische BBC. Es sei nicht Aufgabe der einzelnen Mitgliedsstaaten, die Handelspolitik festzulegen. „In solch schwierigen Zeiten ist es wichtig, dass alle Entscheidungen EU-weit koordiniert und abgestimmt werden“, sagte ein Sprecher der Kommission laut BBC.

Der Europäischen Kommission ist nicht klar, auf welcher Rechtsgrundlage Polen und Ungarn die ukrainischen Importe verboten haben. Brüssel hat sich zur Klärung der Lage bereits mit den Behörden der betroffenen Mitgliedstaaten und der Ukraine in Verbindung gesetzt.

Die Slowakei wurde in der Bekanntmachung noch nicht erwähnt. Das Land hat die Verarbeitung von ukrainischem Getreide nach Qualitätstests letzte Woche sofort gestoppt. Am Montag, 17. April, kündigte das Mitgliedsland an, Ungarn und Polen zu folgen und ein vorübergehendes Einfuhrverbot zu verhängen. Inzwischen suchen auch andere betroffene Länder nach einer Lösung, auch in Rumänien gärt es. Alle erwarten eine umfassende Lösung aus Brüssel.

Die Ukraine reagierte nur knapp und begrüßt die Ereignisse nicht. Diese Maßnahmen werde die Probleme nicht beheben, so die BBC.

Seltene politische Einigkeit – die Bauern sollen geschützt werden

Ursache für das Problem war der von der EU garantierte Wettbewerbsvorteil der ukrainischen landwirtschaftlichen Produkte: Seit letztem Sommer erhalten ukrainische Agrarprodukte volle Zollfreiheit für die EU.

Es ist aber nicht nur der Wegfall der Zölle, der ukrainisches Getreide billig macht. Auch die Produktionskosten in der Ukraine sind viel günstiger, weil EU-Produktionsstandards dort nicht gelten.

In der Ukraine können Chemikalien eingesetzt werden, die in der EU schon lange verboten sind.

Die ukrainische Landwirtschaft hat sehr niedrige Produktionskosten, weil sie Produktionsmethoden anwendet, die in der EU nicht mehr erlaubt sind“, sagte der ungarische Landwirtschaftsminister.

Die Menge an Pestiziden im ukrainischen Weizen ist bis zu 1.000 Prozent höher als der EU-Grenzwert. Das ergaben die Untersuchungen slowakischer Behörden an 1.500 Tonnen ukrainischen Getreides, berichtet das ungarische Nachrichtenportal „atv.hu“.

István Nagy, ungarischer Minister für Landwirtschaft. Foto: MTI / Offizielle Seite der ungarischen Regierung

Zudem geht es nicht nur um Getreide. Auch Geflügel, Eier und Honig werden inzwischen in großen Mengen in die EU eingeführt. Das Importverbot betrifft auch diese Produkte. Eine Vielzahl mitteleuropäischer Landwirte ist hiervon direkt betroffen.

Die angespannte Situation hat gesellschaftliche Folgen. Sie führte zu einer unerwarteten Solidarität in den betroffenen Ländern.

Während die polnischen Landwirte mit vereinten Kräften erheblichen Druck auf ihre eigene Regierung ausüben konnten, kam es in Ungarn sogar zu seltener politischer Einigkeit: „Selbst die Opposition ist sich mit der Regierung einig, wenn es um die Verteidigung der Landwirte geht“, berichtete die größte regierungsnahe Tageszeitung „Magyar Nemzet“.



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