Orbán vs. EU: Keine Aufnahme von Migranten trotz hoher Strafzahlungen

Ungarn droht eine Strafe von 200 Millionen Euro und täglichem Zwangsgeld, weil das Land gegen EU-Asylrecht verstößt. Der Europäische Gerichtshof hatte dies bereits im Jahr 2020 festgestellt, doch Ungarns Regierung blieb weiterhin unnachgiebig. Ministerpräsident Viktor Orbán kündigte sogar an, sich weiter gegen Brüssel zu stellen und aus den EU-Asylregeln auszusteigen.
Ungarn wurde vom EuGH im Juni wegen Missachtung des EU-Asylrechts zu einer Geldstrafe von 200 Millionen Euro verurteilt. (Archivbild)
In der Frage der Grenzsicherheit möchte Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán trotz des Drucks aus Brüssel nicht nachgeben. Ungarn wurde vom EuGH im Juni wegen Missachtung des EU-Asylrechts zu einer Geldstrafe von 200 Millionen Euro verurteilt. (Archivbild)Foto: Meng Dingbo/Xinhua/dpa
Von 19. September 2024

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Wegen Verstößen gegen das EU-Asylrecht soll Ungarn 200 Millionen Euro Strafe zahlen. Das hatte im Juni der Europäische Gerichtshof (EuGH) geurteilt. Die Richter stellten damals in ihrem Urteil fest, dass Ungarn trotz eines früheren Urteils des EuGH von Ende 2020 weiterhin bewusst das Asylrecht umgehe. Sie bezeichneten das als einen „beispiellosen und besonders schwerwiegenden Verstoß gegen EU-Recht“.

Asylanträge ausschließlich in ungarischen Botschaften möglich

Ungarns Regierungschef Viktor Orbán weigert sich bis heute, Asylsuchende in seinem Land aufzunehmen, was, so das Gericht, sowohl gegen internationales als auch EU-Recht verstoße. Asylbewerber dürfen ihre Anträge ausschließlich in ungarischen Botschaften im Ausland einreichen. Für diese Vorgehensweise wurde das Land bereits mehrfach verurteilt.

Im Dezember 2020 entschied der Europäische Gerichtshof auf eine Klage der EU-Kommission hin, dass Ungarn Flüchtlinge entweder ohne ausreichenden rechtlichen Schutz nach Serbien abschiebt oder in sogenannten Transitzonen festhält. Dabei wird den Betroffenen oft die Möglichkeit verweigert, einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen.

Da Ungarn dem Urteil aus 2020 nicht nachkam, verhängten die höchsten EU-Richter über die Pauschalstrafe von 200 Millionen hinaus im Juni tägliche Strafzahlungen von einer Million Euro pro Tag.

Am vergangenen Dienstag lief für Ungarn die Frist aus, die 200 Millionen Euro Strafe zu bezahlen. Die EU-Kommission zieht daher nun die Stellschrauben an und hat ein sogenanntes Ausgleichsverfahren eingeleitet.

Das Ausgleichsverfahren der Europäischen Kommission richtet sich darauf aus, wirtschaftliche Unterschiede zwischen EU-Mitgliedstaaten durch finanzielle Unterstützung auszugleichen. Bei Verstößen gegen EU-Regeln, beispielsweise in Bezug auf Rechtsstaatlichkeit, kann die Kommission diese Mittel kürzen oder einbehalten, um die Einhaltung zu erzwingen. 

„Wir werden nun die 200 Millionen Euro von bevorstehenden Zahlungen aus dem EU-Haushalt an Ungarn abziehen”, kommentiert die „Tagesschau“ eine Sprecherin der Kommission. 

Weiter habe die Kommission Ungarn aufgefordert, das verhängte Zwangsgeld von täglich einer Million Euro zu zahlen. Dafür hat Ungarn nun 45 Tage Zeit. Da die Strafe Budapest vor über 90 Tagen auferlegt wurde, dürfte das Zwangsgeld schon jetzt mehr als 90 Millionen Euro betragen. 

„Wir haben nicht vor, dieses Bußgeld zu zahlen“

Schon im Juli hatte Ungarn deutlich gemacht, dass das Land nicht daran denke, die Strafe zu bezahlen. „Wir haben nicht vor, dieses Bußgeld zu zahlen, weil es völlig ungerecht ist“, sagte Ungarns stellvertretender Innenminister Bence Rétvári vor Journalisten in Budapest laut dem „Tagesspiegel“, . 

Anfang September setzte Ungarn dann das nächste symbolische Zeichen in Richtung Brüssel. Rétvári stellte damals medienwirksam mehrere Busse der öffentlichen Busverkehrsgesellschaft Volanbusz vor, auf deren Anzeigeschild „Röszke – Brüssel“ stand. Röszke ist ein Ort an einem Grenzübergang zu Serbien, über den Migranten ins Land gelangen. 

Bei der Vorstellung der Busse sagte der stellvertretende Innenminister, die EU wolle Ungarn „zwingen, die illegalen Einwanderer, die wir an der Südgrenze des Landes aufhalten, ins Land zu lassen“. 

Weiter sagte der ungarische Politiker: „Nun gut, nach Anwendung der europäischen Verfahrensregeln werden wir ihnen eine kostenlose Fahrt nach Brüssel anbieten“. Zugleich fügte er an: „Wenn Brüssel sie will, wird es sie bekommen.“

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán hatte sich wenig später auf einer Pressekonferenz in Italien zu dieser Aktion geäußert: „Wenn Brüssel Migranten will, kann Brüssel sie haben“, zitierte ihn unter anderem die „Brussels Times”.

„Wir werden nicht nachgeben“

In der Sendung „Guten Morgen Ungarn!” von Radio Kossuth ging Orbán am vergangenen Donnerstag noch einmal auf das Thema ein. Auf der Website des ungarischen Ministerpräsidenten kann das Interview zum Nachlesen abgerufen werden. 

Vor dem Hintergrund, dass Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) kurz zuvor Kontrollen an allen deutschen Landesgrenzen angekündigt hatte, stellte Orbán fest, dass sein Land seit 2015 immer wieder betont habe, dass die Außengrenzen geschützt werden müssten. Er habe nie Politiker unterstützt, die sagten, dass Grenzen nicht geschützt werden könnten. „Wir Ungarn haben uns für unsere eigenen Interessen eingesetzt, wir sind kein Einwanderungsland geworden, und was auch immer Brüssel tut, selbst wenn es auf dem Kopf steht, wir werden nicht nachgeben”, so der ungarische Regierungschef. „Ungarn gehört den Ungarn, Punkt. Das ist nur möglich, wenn wir unsere Grenzen schützen“, so Orbán weiter im Radiointerview. 

Viktor Orbán, der im Moment auch turnusgemäß EU-Ratspräsident ist, ging im Radio dann deutlicher auf die deutschen Grenzkontrollen ein. „In Deutschland ist man gerade erst aufgewacht, als der Terrorismus, die Kriminalität und die soziale Belastung durch Migranten, die nicht arbeiten wollen, auftauchten […]. Gleichzeitig wird Ungarn, das seine Grenzen verteidigt, von Brüssel bestraft, nur weil wir unsere Grenzen verteidigt haben“, so Orbán. Das sei nicht richtig und derzeit herrsche ein politisches Chaos, welches von der Europäischen Kommission, von der europäischen Gesetzgebung verursacht werde. Es sei nötig, sich auf die Seite der Länder zu stellen, die ihre Grenzen verteidigt haben. „Die beträchtlichen Summen, die uns der Grenzschutz bisher gekostet hat, sollten nicht bestraft werden, sondern unsere Leistungen sollten anerkannt werden”, so Orbán.

„Gegen illegale Migration ist hartes Vorgehen notwendig“

Am Donnerstag hat Ungarn angekündigt, aus den Asylregeln der Europäischen Union auszusteigen. Zuvor hatten die Niederlande schon einen ähnlichen Vorstoß angekündigt. 

Ungarns Europaminister János Bóka kündigte Ungarns Pläne auf X an. „Gegen illegale Migration ist hartes Vorgehen notwendig“, schrieb Bóka. Deswegen wolle Budapest einen Ausstieg aus diesen Regeln beantragen, falls eine Änderung der EU-Verträge dies zuließe.

Die Niederlande haben schon eine Ausnahmeregelung bei der Europäischen Kommission beantragt, um strikter gegen die Einwanderung vorgehen zu können. Auf X schrieb die niederländische Migrationsministerin Marjolein Faber: „Wir müssen unsere Asylpolitik wieder selbst in die Hand nehmen.”

Die realen Chancen für die Genehmigung einer Ausnahme sind allerdings sehr gering. So einer Ausnahmeregel müssten alle 27 EU-Staaten zustimmen. Ausnahmen für EU-Mitgliedsländer sind aber selten. 

Für Dänemark und Irland gelten Ausnahmen

Die Opting-Out-Klauseln aus dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem (GEAS) beziehen sich auf die Möglichkeit, dass bestimmte EU-Mitgliedstaaten nicht an allen Regelungen des GEAS teilnehmen müssen. Diese Klauseln ermöglichen es einigen Ländern, sich von bestimmten Verpflichtungen des Systems auszunehmen. Konkret gilt diese Regelung derzeit für Dänemark und Irland.

Dänemark hat sich von der Teilnahme an weiten Teilen des GEAS ausgeschlossen, da es aufgrund eines speziellen Protokolls eine allgemeine Opt-out-Klausel in Bezug auf die Asyl- und Migrationspolitik der EU besitzt. Das bedeutet, dass Dänemark an den meisten Regelungen des GEAS, wie den Dublin-Verordnungen oder der Asylverfahrensrichtlinie, nicht gebunden ist, es sei denn, es entscheidet sich freiwillig dafür.

Irland hat hingegen ein sogenanntes Opt-in-Recht, was bedeutet, dass das Land selbst entscheiden kann, an welchen Teilen des GEAS es teilnehmen möchte. Irland nimmt an einigen Regelungen des GEAS teil, wie beispielsweise Maßnahmen der Dublin-Verordnung, hat jedoch die Freiheit, bestimmte Teile des europäischen Asylrechtssystems abzulehnen.

Diese Opting-Out-Klauseln ermöglichen es den betroffenen Ländern, ihre eigene Migrations- und Asylpolitik teilweise unabhängig von der EU-Vorgaben zu machen.



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