Orbán lehnt IStGH-Haftbefehl ab und lädt Netanjahu ein
Aus Protest gegen den Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) will Ungarns Regierungschef Viktor Orbán den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu zu einem Besuch einladen.
„Im Laufe des heutigen Tages werde ich den israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu zu einem Besuch nach Ungarn einladen“, sagte Orbán am Freitag im staatlichen Rundfunk. Dort werde er Netanjahu „garantieren“, dass das IStGH-Urteil „in Ungarn keine Auswirkung haben wird und wir uns nicht daran halten werden“.
Den Entscheid der Vorverfahrenskammer des IStGH nannte Orbán laut der „Jüdischen Allgemeine“, „grundsätzlich falsch“. Der Haftbefehl stelle eine „völlige Außerkraftsetzung des Völkerrechts“ dar und gieße zusätzlich Öl ins Feuer. Orbán pflegt seit langem eine gute Beziehung zu seinem israelischen Amtskollegen.
Orbán stellt sich gegen Borrell
Damit stellt sich Orbán gegen den EU-Außenbeauftragten Josep Borrell, der kürzlich alle Mitgliedsländer aufrief, den internationalen Haftbefehl gegen Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu und andere Verantwortliche zu achten.
Die Entscheidung des IStGH in Den Haag sei rechtsverbindlich, sagte Borrell am Donnerstag in der jordanischen Hauptstadt Ammann. Alle EU-Staaten seien als Vertragsparteien „verpflichtet, die Gerichtsentscheidung umzusetzen“.
Im Mai wurde die Bundesregierung mit der Frage konfrontiert, wie sie mit einem möglichen Haftbefehl des IStGH gegen Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu umgehen würde und ihn in Deutschland auch vollstrecken würde.
Regierungssprecher Steffen Hebestreit erklärte damals: „Wir halten uns an Recht und Gesetz.“
Die Niederlande und Frankreich haben nach Erlass des Haftbefehls angekündigt, dem Beschluss der Kammer zu folgen.
Vorwurf: Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen
Das Gericht mit Sitz in Den Haag hatte am Donnerstag Haftbefehle gegen Netanjahu, Gallant sowie den Militärchef der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas, Mohammed Deif, erlassen. Ihnen werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen während des Gaza-Krieges vorgeworfen.
Die Anträge auf Haftbefehle gegen die Hamas-Anführer Ismail Hanija und Jahja Sinwar wurden fallen gelassen, nachdem ihr Tod bestätigt worden war.
Jahja Sinwar, Hamas-Führer im Gazastreifen, und der politische Chef der Hamas, Ismail Hanija, wurden in den vergangenen Monaten von Israel getötet.
Die israelische Armee hatte zwar erklärt, Deif Mitte Juli bei einem Luftangriff im Gazastreifen getötet zu haben. Die Hamas hat den Tod Deifs jedoch nicht bestätigt.
Der IStGH hat keine eigene Polizei, um seine Haftbefehle durchzusetzen, und ist deshalb auf die Kooperation der 124 Mitgliedstaaten angewiesen. Weder Israel noch sein wichtigster Verbündeter, die USA, sind Mitglied des IStGH.
Deutschland als Mitgliedstaat des Internationalen Strafgerichtshofs müsste wie die anderen 123 Mitgliedsstaaten Netanjahu demnach festnehmen und überstellen.
Israel weiter militärisch aktiv
Der Krieg im Gazastreifen wurde am 7. Oktober 2023 durch den Großangriff der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas auf Israel ausgelöst, bei dem nach israelischen Angaben 1.206 Menschen getötet und 251 Menschen als Geiseln genommen worden waren.
Israel geht seither massiv militärisch im Gazastreifen vor. Dabei wurden nach Angaben der Hamas-Gesundheitsbehörde, die nicht unabhängig überprüft werden können, mindestens 44.056 Menschen getötet.
Netanjahu wies in einer Mitteilung „die absurden und falschen Aktionen und Anschuldigungen mit Abscheu zurück“.
Israelische Politiker und Regierungsmitglieder haben die Haftbefehle gegen Premierminister Benjamin Netanjahu und den ehemaligen Verteidigungsminister Yoav Gallant stark kritisiert. Auch weite Teile der israelischen Bevölkerung zeigen sich empört, berichten Auslandskorrespondenten westlicher Medien.
Biden: Entscheidung ist „empörend“
Israels Minister für nationale Sicherheit Itamar Ben Gvir bezeichnete das Gericht in einem Beitrag auf der Plattform X als „durch und durch antisemitisch“. Weiter schrieb er, dass er den Premierminister im gerechten Krieg unterstütze.
Der ehemalige Premierminister Naftali Bennet schrieb auf X, die Entscheidung sei eine „Schande für den IStGH“. Netanjahus Büro veröffentlichte eine Erklärung, in der es hieß, der Premierminister werde „dem Druck nicht nachgeben“, bis alle Kriegsziele Israels erreicht seien.
US-Präsident Joe Biden bezeichnete die Entscheidung des IStGH als „empörend“. Zuvor hatte die US-Regierung bereits die Entscheidung des IStGH gegen den israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu scharf verurteilt.
Washington sei „tief besorgt über die Eile des Anklägers, Haftbefehle zu beantragen, und die beunruhigenden Verfahrensfehler, die zu dieser Entscheidung geführt haben“, erklärte ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates am Donnerstag in Washington. Aus Sicht der US-Regierung sei der IStGH „in dieser Angelegenheit nicht zuständig“.
Reisen in die EU für Netanjahu erschwert
Der Haftbefehl könnte Reisen von Netanjahu und Gallant etwa in die EU erschweren. Israels wichtigster Verbündeter, die USA, sind jedoch kein Mitglied des IStGH, müssen die Haftbefehle also nicht vollstrecken.
Grundsätzlich werden am IStGH nur Verfahren bei persönlicher Anwesenheit des Angeklagten durchgeführt. Das heißt, solange Netanjahu oder Deif nicht festgenommen werden, wird es kein Verfahren geben.
Die Palästinenserbehörde von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas begrüßte die Haftbefehle gegen Netanjahu und Gallant.
(Mit Material der Nachrichtenagenturen)
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