Orbán in Italien: „Wir sollten uns nicht aus Brüssel zurückziehen, sondern es erobern“

Spitzenpolitiker der europäischen Rechten haben sich in Italien zur Unterstützung von Matteo Salvini versammelt, dem ein Strafverfahren droht. Migration und die Einigung der europäischen Rechten waren ebenfalls ein Thema. Viktor Orbán nennt es „Brüssel zurückzuerobern“.
Titelbild
Der stellvertretende italienische Ministerpräsident und Vorsitzende der italienischen Lega-Partei, Matteo Salvini (l.), mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán, während der jährlichen Kundgebung der Lega-Partei in Pontida, Norditalien, am 6. Oktober 2024.Foto: PIERO CRUCIATTI/AFP via Getty Images
Von 8. Oktober 2024

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Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán nahm an der Jahresveranstaltung der italienischen Partei Lega Nord in Pontida bei Bergamo teil. Der Regierungschef war ein Ehrengast der von Matteo Salvini geführten Partei. Auf der Kundgebung am 6. Oktober sprach Orbán über europäische Politik, mit besonderem Augenmerk auf die Migrationskrise und die Frage der nationalen Souveränität.

Orbán sagte in seiner Rede: „Am Ende des Kampfes werden wir Paris umkrempeln, wir werden Warschau zurückerobern und wir werden die größte politische Kraft in Europa sein. Dann werden wir die Kontrolle über die Brüsseler Politik übernehmen und Europa wieder groß, stark, reich und frei machen.“

Unterstützung für Salvini

Auf der 30. Jahresveranstaltung der Partei hat Orbán zum ersten Mal eine Rede vor den Mitgliedern der Lega-Partei gehalten. Salvini hat aber auch einige andere europäische Verbündeten eingeladen. Sie repräsentieren die Fraktion der Patrioten für Europa, die drittgrößte Fraktion im Europäischen Parlament.

Das Treffen stand unter dem Zeichen der Unterstützung der rechten Politiker für Salvini. Die Einladung an die Verbündeten nach Pontida erfolgte, nachdem Staatsanwälte auf Sizilien eine sechsjährige Haftstrafe für den Politiker gefordert hatten.

Dem Lega-Chef wird vorgeworfen, er habe im Jahr 2019 ein Schiff mit 147 Migranten an Bord daran gehindert, in Lampedusa anzulegen. Er muss sich in dem Prozess wegen des Vorwurfs der Freiheitsberaubung und des Amtsmissbrauchs verantworten. Bei einer Verurteilung, die in Italien erst am Ende eines dreistufigen Gerichtsverfahrens rechtskräftig wird, könnte Salvini auch von der Ausübung eines Regierungsamtes ausgeschlossen werden.

Salvini, der in der jetzigen italienischen Regierung Vize der Regierungschefin Giorgia Meloni ist, sagte, er habe er Italien mit seiner restriktiven Politik der „geschlossenen Häfen“ vor einem Ansturm von Migranten schützen wollen.

Das Treffen in Pontida wird in Teilen der Presse als rechtsextrem bezeichnet. In den ungarischen oppositionsnahen Medien wurde berichtet, dass Orbán seinen „kriminellen Kumpel“ in Italien „gepriesen“ hatte.

Der spanische Parteisprecher von VOX, Jose Fuster (l.), der portugiesische Parteivorsitzende von Chega, André Ventura (2. l.), der niederländische Parteivorsitzende der PVV, Geert Wilders (4. l.), der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán (4. r.), Marlene Svazek von der FPÖ (2.v.r.) und der italienische Parteivorsitzende der Lega Nord Matteo Salvini, in Pontida, Norditalien, am 6. Oktober 2024. Foto: Pierro Cruciatti/AFP via Getty Images

Orbán: „Europa steckt in der Krise“

In seiner Rede, in der er Salvini seine Unterstützung zusicherte, ging Orbán auf Europa ein. Er sehe eine andauernde Krise in Europa und sorge sich Sorgen um dessen Zukunft.

Besonders besorgt zeigte sich Orbán über die Sicherheitslage auf dem Kontinent, die sich durch die Migration und die Missachtung des Gesetzes verschlechtert habe. „Die Straßen sind gefährlicher geworden, die Migranten jagen den friedlichen Europäern Angst ein“, sagte er.

Mit Blick auf die Zukunft fragte Orbán, wie Europa in zehn bis zwanzig Jahren aussehen wird. Besonders im Hinblick auf die Sicherheit und die Zukunft der Kinder zeichnete er ein düsteres Bild: Die europäische Linke zerstöre den Kontinent und Brüssel diene nicht den Interessen der europäischen Bevölkerung, sondern seinen eigenen politischen Zielen.

Er verwies auch auf den Krieg zwischen der Ukraine und Russland, in dem Brüssel als „Kriegstreiber“ auftrete, anstatt den Frieden zu fördern.

Brüssel „zurückerobern“

Orbán warnte auf dem Treffen in Italien vor den Gefahren, „wenn wir Brüssel den Rücken kehren, wenn wir es den Linken überlassen“. Dann werden „sie die nationalen Regierungen der Patrioten stürzen, wie sie es in Polen getan haben“, sagte er.

Die Zukunft, so Orbán, basiere auf der Stärkung der Patrioten und der Einigkeit der europäischen Rechten. „Brüssel muss erobert werden!“, sagte er und fügte hinzu, dass Europa wieder groß, stark, sicher und wohlhabend gemacht werden müsse.

Er hob fünf in letzter Zeit erzielte Erfolge hervor. Der erste Erfolg sei die Bildung einer rechtsgerichteten Regierung in Italien, gefolgt von der Regierung mit der Beteiligung von Geert Wilders Partei in den Niederlanden, dem Wahlerfolg der FPÖ in Österreich und dem von Andrej Babiš bei den tschechischen Senatswahlen.

Nationale Unabhängigkeit und Stopp der Migration

In seiner Rede zog Orbán auch Parallelen zwischen der ungarischen und der italienischen Tradition der Freiheitskämpfer. Er wies darauf hin, dass der Kampf für die Freiheit in der Geschichte beider Nationen eine wichtige Rolle spiele. „Die Freiheit liegt beiden Völkern im Blut“, erklärte er. „Wir werden sie weder den Bürokraten in Brüssel noch den globalen Finanzmächten oder den Migranten überlassen“, sagte er weiter.

Ungarn könne mit gutem Beispiel vorangehen, so der Premierminister. Vor allem die Migrationspolitik Ungarns sei ein Vorbild dafür, wie Ungarn sich erfolgreich gegen diese Bedrohungen wehre. „Das unerlaubte Überschreiten der Grenze ist eine Straftat“, betonte er und fügte hinzu, dass nur diejenigen, die eine offizielle Erlaubnis haben, nach Ungarn einreisen dürfen. Sie müssen jedoch außerhalb der Landesgrenzen auf diese Erlaubnis warten.

Die Zahl der Migranten in Ungarn ist gleich Null“, so Orbán.

Aber dafür, fügte Orbán hinzu, werde sein Land ständig von Brüssel bestraft, weil es sich weigere, der liberalen Einwanderungspolitik folgen.

Wegen Verstößen gegen das EU-Asylrecht hat der Europäische Gerichtshof im Juni Ungarn zu einer Geldstrafe von 200 Millionen Euro verurteilt. Die Regierung muss zudem jeden Tag eine Million Euro zahlen.

Orbán nannte die von Brüssel verhängten Sanktionen „beschämend“. Sollten sie Ungarn weiterhin bestrafen wollen, wird Budapest „die Migranten von Budapest nach Brüssel transportieren und bei den Brüsseler Büros abliefern“.

Der ungarische Ministerpräsident bezeichnete Salvini als europäischen Patrioten. In Ungarn werde er als Held gefeiert, weil er die Grenzen geschlossen und die Heimat der Italiener und Europa verteidigt hatte. Dafür verdiene er eine Medaille und keine Strafverfolgung, fügte Orbán hinzu.

Kräfte bündeln

Auch andere der eingeladenen rechten Politiker haben in Pontida ihre Unterstützung für Salvini zum Ausdruck gebracht. An der Kundgebung nahmen neben Orbán auch Geert Wilders aus den Niederlanden (von der PVV), Marlene Svazek aus Österreich (von der FPÖ), José Fuster aus Spanien (von der VOX), André Ventura aus Portugal (von der Chega) und Mitglieder der tschechischen ANO-Partei teil.

Wilders sagte, dass „alle europäischen Patrioten“ jetzt hinter Salvini ständen. Und weiter: „Sie haben versucht, mich in den Niederlanden zu stoppen. Sie sind aber gescheitert, und ich bin stärker als je zuvor. Sie haben versucht, Salvini zu stoppen, aber es ist ihnen nicht gelungen. Er wird stärker sein als je zuvor.“

VOX-Parteisprecher Fuster sagte, Pontida sei nun „ein erneuertes Symbol des Widerstands und der Hoffnung“. Svazek aus Österreich sagte, Salvini „verteidigt die Werte Europas“. Ventura, Vorsitzender der Chega-Partei, schloss sich auch an, indem er betonte: „Europa braucht mehr Salvini.“

Salvini selbst erklärte, dass er im Falle einer Verurteilung „erhobenen Hauptes“ ins Gefängnis gehen werde, weil er nur seine Pflicht getan habe.



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