Orbán in Berlin: Deutschlands Militarisierung wird deutlich spürbar

Der ungarische Regierungschef Viktor Orbán traf innerhalb einer Woche dreimal mit der deutschen Führung zusammen. Die Zukunft Europas stand am Freitag auf der Tagesordnung.
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Foto: Pressebüro des Ministerpräsidenten in Ungarn / Vivien Benko Cher
Von 22. Juni 2024

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Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán hat am Freitag in Berlin Gespräche mit Bundeskanzler Olaf Scholz geführt. Im Mittelpunkt des Treffens standen zwei Hauptthemen: europäische Angelegenheiten und die deutsch-ungarischen bilateralen Beziehungen, wie Orbán in einer Presseerklärung mitteilte.

Die beiden Regierungschefs vereinbarten, die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Ungarn weiter zu stärken. Orbán betonte, dass Ungarn ein Verbündeter der deutschen Bundesregierung sei, da beide Staaten ein Interesse an einer offenen Weltwirtschaft hätten.

Am selben Morgen gab Orbán den ungarischen Medien aus Berlin ein Radiointerview, in dem er auch die aktuelle deutsche Lage bewertete. Er hält vor allem die derzeitige Entwicklungsrichtung bezüglich des Ukraine-Krieges für bedrohlich.

Es war das dritte Treffen Orbáns mit der deutschen Führung innerhalb von fünf Tagen. Die intensiven Beratungen dienen unter anderem der Vorbereitung auf die ungarische EU-Ratspräsidentschaft, die am 1. Juli beginnt. Zudem pflegen beide Länder enge wirtschaftliche Beziehungen. Im vergangenen Jahr erreichte der Handel zwischen Deutschland und Ungarn ein Rekordvolumen von über 70 Milliarden Euro, wobei ein Viertel der aus Ungarn exportierten Waren nach Deutschland geliefert wurde.

Schwerpunkte des Treffens mit Scholz

Eines der Kernthemen des Treffens am späten Freitagnachmittag war die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit der EU. In seinen Gesprächen mit Scholz betonte Ungarns Regierungschef die Notwendigkeit, die Stellung der EU in der Weltwirtschaft zu stärken.

Orbán erklärte, Ungarns Ziel für die EU-Ratspräsidentschaft sei es, dass Europa sich nicht isoliere, „nicht mit Angst auf die Veränderungen in der Welt reagiert, sondern die Wirtschaftsbeziehungen ausbaut, das Beziehungssystem in der ganzen Welt stärkt und sich nicht abschottet“.

Zu den Prioritäten der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft zählen laut Orbán auch die demografische Entwicklung und die verstärkte Unterstützung für Familien in Europa.

Migration war ebenfalls ein zentraler Punkt der Agenda. Orbán erklärte, man werde alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass Europa seine Identität als „Europa der Europäer“ bewahrt.

Auf die Frage, ob Ungarn in der Genderthematik aktiv werden könne, sagte Orbán, dass die Genderfrage, die die „traditionelle europäische Ordnung der Kindererziehung und des Zusammenlebens stört“, nicht direkt auf der Tagesordnung des ungarischen Ratsvorsitzes stehe.

Orbán: Pro-Kriegs-, Pro-Migrations- und Anti-Wirtschaftskoalition in Brüssel

Vor dem Treffen mit Scholz analysierte Orbán die EU-Wahlen und äußerte sich besorgt über die von Manfred Weber geführte Koalition in Brüssel. Der Regierungschef wurde zu diesem Thema am Freitagmorgen in der Sendung „Guten Morgen, Ungarn“ von Radio Kossuth aus Berlin interviewt.

Er wies darauf hin, dass die linken Parteien bei einem informellen Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs in dieser Woche eine Einigung angekündigt hätten. Die Europäische Volkspartei (EVP), die sich selbst als rechts positioniert, jedoch in der Praxis oft nach links rücke, habe sich den Linken angeschlossen. Orbán betonte, dass es zwar einen Rechtsruck in der EU gebe, dieser aber nicht zu einem Machtwechsel geführt habe, weil die EVP ihre Wähler stets nach links ziehe.

Orbán bezeichnete die entstandene Koalition als „Koalition derjenigen, die Europa weiterhin in den Krieg ziehen und das Tempo des Krieges sogar beschleunigen wollen“. Laut ihm verfolge diese Koalition auch ein migrationsfreundliches Programm. Die ungarische Regierung sehe dies als Teil eines Bevölkerungswandels, der derzeit in Europa stattfinde: „Die weiße, christliche, europäische Bevölkerung schrumpft, die Zahl der Migranten steigt“, erklärte er.

In Bezug auf die Wettbewerbsfähigkeit merkte Orbán an, die Koalition stehe „auf der Seite der Steuererhöhungen. Sie ist also nicht marktfreundlich“.

Deutschland vor dem Hintergrund der Migrationskrise und des Krieges

Im Radiointerview erklärte Orbán, dass Deutschland einst für Ungarn ein Vorbild in Bezug auf Fleiß, gut organisierte Arbeit und Ordnung gewesen sei. Heute habe sich die Situation jedoch stark verändert. Deutschland sei zu einer multikulturellen Gesellschaft geworden, in der Migranten nicht mehr als Gäste betrachtet würden, sondern durch linke Regierungen schnell die Staatsbürgerschaft erhielten.

Einmal gemachte Fehler in der Migrationspolitik könnten nicht rückgängig gemacht werden“, betonte Orbán.

Der Regierungschef äußerte zudem Bedenken hinsichtlich des Krieges zwischen Russland und der Ukraine, der seiner Meinung nach von den USA angeführt werde, „mit Deutschland als Statist“. Die Militarisierung sei in Deutschland stark zu spüren.

Orbán hält es jedoch für aussichtslos, dass der Westen den Krieg gewinnen könne, da der Preis zu hoch sei. Die zentrale Frage sei nun, ob die Ukraine der NATO beitreten werde, was Russland unter keinen Umständen akzeptieren wolle.

Europa steuere auf einen Krieg zu, aber mit ausreichender Unterstützung könnte der Zugführer noch überzeugt werden, den Zug ganz anzuhalten. Nach eigenen Angaben arbeitet Orbán intensiv an diesem Thema.

Im Hinblick auf seine turnusmäßige EU-Ratspräsidentschaft kündigte er an, dass er nach dem Treffen mit dem deutschen Bundeskanzler in den kommenden Tagen weitere wichtige Gespräche führen werde. Am Montag wird er sich mit der italienischen Ministerpräsidentin und am Mittwoch mit dem französischen Staatspräsidenten treffen.



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