Orbán: „Europas politisches System wird noch in diesem Jahrzehnt kollabieren“
Zu einem exklusiven Pressegespräch in seinen Amtssitz auf dem Budapester Burgberg hat Ungarns Premierminister Viktor Orbán ausgewählte Journalisten eingeladen. Anlass dazu war ein Kongress des Mathias Corvinus Collegiums, eines 1996 gegründeten interdisziplinären Think-Tanks mit Sitz in der ungarischen Hauptstadt. Zu den Hauptthemen des Gesprächs gehörten die Zukunft Europas und der Krieg in der Ukraine.
Orbán: Wenn EU-System kollabiert, brauchen Konservative eine Identifikationsfigur
Unter den Teilnehmern des Kongresses befand sich unter anderem der Chefredakteur des österreichischen Magazins „exxpress.at“, Richard Schmitt. Das Medium zitiert Orbán mit der Aussage:
Das aktuelle politische System in Europa kann nicht mehr lange überleben, es wird kollabieren.“
Auf Nachfrage erklärte Ungarns Regierungschef, er rechne damit „noch in diesem Jahrzehnt“. Dann werde es zu einem „Zurück zur Tradition“ kommen. Für diesen Fall bräuchten die Konservativen einen führenden Kopf, der ihnen als Galionsfigur dienen könne. Auch deshalb sei es für Ungarn wichtig, in der EU zu bleiben, auch wenn diese sich als dysfunktional erweise.
Wahl Melonis für Orbán ein „Gamechanger“
Orbán macht sich demnach auch keine Illusionen, was eine Reformfähigkeit der EU angeht. Vielmehr wachse die Kluft zwischen politischen Funktionären und Bürokraten auf der einen Seite und der breiten Bevölkerung auf der anderen:
Normale Menschen mit normalen Ansichten sind nicht für den Verbleib in der EU. Die Lücke wird größer, die Entfremdung zwischen Ungarn und der EU geht weiter voran.“
Das Auseinanderdriften mache sich aber auch auf politischer Ebene bemerkbar – zwischen den Regierungsetagen. Während Frankreich und Deutschland über zusätzliche Migration oder das Gendern sprächen, verteidige Ungarn das traditionelle Familienbild. Außerdem wolle Ungarn im Vergleich zu Paris oder Berlin keine „Vereinigten Staaten von Europa“.
Große Hoffnungen setzt Ungarns – derweil im April 2022 überlegen im Amt bestätigter – Regierungschef auf Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Ihre Wahl sei ein „Gamechanger“. Allerdings könne sie erst ab März ihre Stärken vollständig ausspielen:
Sie muss nur noch bis März die Verhandlungen mit der EU-Spitze über die Zahlungen aus dem Recovery Fund überleben. Italien braucht das Geld.”
Ukraine „ein Niemandsland wie Afghanistan“ – Waffenstillstand notwendig
Mit Blick auf den Krieg in der Ukraine fordert Orbán Besonnenheit und das Bemühen um einen Waffenstillstand ein. Die Ukraine verglich er dabei mit Afghanistan. Sie sei weitgehend unregierbar und ein „Niemandsland“.
Ein Waffenstillstand werde nicht in einen zeitnahen Friedensvertrag münden, aber sollte Russland eine erfolgreiche Frühjahrsoffensive führen, sei Europa ratlos:
Der Ukraine gehen die Soldaten aus. Das ist Faktum, das sagen die Geheimdienste. Schickt die NATO dann auch Soldaten? Auch wenn das so wäre: Die Russen verdoppeln dann die Zahl ihrer Truppen, sie haben kein Limit an Menschen.“
Die Zeit spiele eindeutig für Russland. Man solle im Westen nicht den Fehler machen zu glauben, die Russen dächten wie dieser:
Die Geschichte zeigt doch: Je mehr der Druck auf Russland steigt, desto besser werden sie. Und jetzt sieht man schon: Sie werden immer besser an der Front in der Ukraine.“
Man müsse der Realität ins Auge sehen, dass die Europäer in diesem Konflikt „einfach nicht auf der Siegerstraße“ seien. Es sei möglicherweise keine gute Idee, eine Eskalation mit Russland zu suchen in der Hoffnung, so eine größere europäische Einheit zu schaffen.
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