Ohne Land gibt es keine Kultur der Mapuche-Indianer

Das Volk der Mapuche in Südamerika wird von einer starren und ineffizienten staatlichen Politik ausgegrenzt
Titelbild
Sie bewachen das Land ihrer Vorfahren: Mapuche-Eingeborene bewachen zu Pferde ihr Land in der Gemeinde Temucuicui in Temuco in Chile. Sie kämpfen für die Rechte am Land ihrer Vorfahren, das sie als Teil ihrer Identität empfinden.Foto: Martin Bernetti AFP/Getty Images
Von 25. Juni 2011

Für das Volk der Mapuche bedeutet der Verlust von Land auch den Verlust von Identität, wodurch dieses Leben bedeutungslos wird.

Land ist von wesentlicher Bedeutung für die Entwicklung der Mapuche-Kultur; dort liegen die Gräber ihrer Vorfahren und finden ihre religiösen Feiern statt.

Im vergangenen März erläuterte die Mapuche-Lonko (Stammesführerin) Juana Calfunao vor den Mitgliedern des Europäischen Parlaments in Brüssel: „Wir sind zuerst das Land und dann das Volk. Deshalb steht ‚Mapu‘ (Land) an erster und ‚Che‘ (Volk) an zweiter Stelle. Für uns ist die Erde unsere Mutter.“

Wie bei so vielen indigenen Gemeinden in Lateinamerika handelt auch die Geschichte von Juana-Stadt von territorialer Enteignung, Völkermord und kultureller Verwüstung, die das Leben der Eingeborenen weiter ruiniert.

Die Juan Paillalef-Gemeinschaft wurde das Opfer systematischer Verfolgung durch die chilenische Regierung. Lonka Calfunao erzählte dem Parlament, wie chilenische Behörden und Wirtschaftsbosse versucht haben, ihnen ihr Land wegzunehmen.

Sie sagte: „Der chilenische Staat und die Forstbetriebe … brannten mein Haus jetzt zum vierten Mal nieder … Wir haben keine Heimat, in der wir leben können. Nach der Brandstiftung wollten die Forstunternehmen mein Land illegal in Besitz nehmen und die Armee rückte mit Panzern und 300 Polizisten an. Mein Sohn und ich verteidigten die Gemeinde zu Fuß gegen Kampfhubschrauber.“

Staatliche Unterdrückung

Die Mapuche sind Einheimische der Südspitze Südamerikas, die im Jahre 1641 die spanischen Eroberer auf ihrem Land besiegten und danach von Spanien als eigenständiges Volk anerkannt wurden. Ende des 19. Jahrhunderts wurden sie jedoch Opfer von Vernichtungsfeldzügen, die argentinische und chilenische Armeen gegen Ureinwohner durchführten, die in der Region Patagonien lebten.

In diesen Feldzügen wurden Stammesführer und Soldaten getötet, Gemeinden versklavt und Mädchen und Frauen in die Sklaverei und Prostitution gezwungen.

Die Nationalstaaten nahmen das Mapuche-Land in Besitz und integrierten es in die Entwicklung ihrer wirtschaftlicher Strukturen.

Chile schien zwar auf dem Papier bereit zu sein, die Rechte der Einheimischen zu schützen; es unterzeichnete den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, die OAS-Charta, die amerikanische Menschenrechtskonvention und die amerikanische Erklärung der Rechte und Pflichten des Menschen. Doch es gibt noch große Unterschiede in der Praxis zwischen diesen Rechten und dem Schutz, den die Mapuche tatsächlich erhalten.

In einem Bericht der Internationalen Föderation für Menschenrechte von 2003 über die Mapuche stand: „Es gibt eine erhebliche Diskrepanz zwischen dem rechtlichen Schutz der Rechte der Einheimischen in dieser ersten demokratischen Periode in Chile und der tatsächlichen Entwicklung der staatlichen Politik der chilenischen Regierung in Bezug auf die einheimischen Völker.“

Das Mapuche-Volk, das rund eine Million Menschen zählt, ist immer noch das Opfer ethnischer Diskriminierung.

Kampf gegen die multinationalen Unternehmen

Doch sie werden nicht nur institutionell diskriminiert. Die jüngsten Bemühungen der Mapuche, ihr angestammtes Land wieder zu erlangen, führen zu Konflikten mit transnationalen Unternehmen, die das Land mit seinen Rohstoffquellen in Besitz nehmen wollen.

Der Mapuche-Wissenschaftler und Direktor für Geschichte an der Universität Sorbonne in Paris, Arauco Chihualaf, sagte vor dem Europäischen Parlament, dass die Rohstoffquellen die Hauptursache für Konflikte zwischen den Mapuche und multinationalen Konzernen sind. Er erklärte: „Das Vordringen der globalisierten Wirtschaft, die von transnationalen Unternehmen angeführt wird, die grundlegende Ressourcen wie Bergbau, Landwirtschaft und Wasser ausbeuten, führt zu Konflikten, weil sich viele dieser Reichtümer auf indigenem Land befinden.“

Laut Chihualaf kämpft die Forstwirtschaft in den südlichen Regionen Chiles, die mit transnationalen Kapitalgebern verbunden ist, mit den Mapuche um Bodenressourcen.

Im argentinischen Patagonien gibt es einen Konflikt zwischen der Mapuche-Gemeinde Santa Rosa Leleque und dem multinationalen Modekonzern Benetton Group, der von ihr 500 Hektar Land beansprucht. Einer der größten Landbesitzer in Argentinien, die italienische Benetton-Familie, besitzt rund eine Million Hektar im Süden des Landes.

Als Chiles größter Stromversorger Endesa die Ralco-Talsperre baute, überschwemmte das Wasser stromaufwärts Mapuche-Land und die dort lebenden Menschen wurden vertrieben.

Chihualaf stellte fest, dass die Einheimischen nicht gegen Entwicklung sind, da sie ihnen Arbeitsplätze bringt, sich aber gerechte Entwicklungsmöglichkeiten wünschen. Die einheimischen Indianer lehnten „ungleichmäßige Entwicklung und die Unregelmäßigkeiten ab, die die Armut in der einheimischen Bevölkerung im Vergleich mit dem Wohlstand der transnationalen Konzerne noch verschärft hat“.

Er fügte hinzu, dass die einheimische Bevölkerung „missbräuchliche Landbesetzungen, Vertreibung der Bevölkerung, Schaden für das ökologische Gleichgewicht, übermäßige Gebührenerhöhungen wie auf Wasser, Bedrohungen und Missbrauch ihrer Organisationen und Führer ablehne.“

Institutionelle Gewalt gegen Kinder

Die Mapuche-Jugendlichen werden Opfer von Missbrauch durch chilenische Behörden. Berichten zufolge werden Mapuche-Kinder und -Jugendliche, die in Gemeinden leben, die ihr angestammtes Land zurückfordern, durch Luftgewehre und Tränengas verletzt, schikaniert, gefoltert und in den Schulen unrechtmäßig verhört. Die Mapuche-Jugendlichen erhalten auch Morddrohungen und leben mit der Angst vor Entführung und erzwungenem Untertauchen, wie aus einem Bericht der Mapuche-Bürgerbeauftragten Claudia Molina hervorgeht, der im Januar 2010 dem Ausschuss der Vereinten Nationen für die Rechte des Kindes vorgelegt wurde.

Die Gewaltanwendung der chilenischen Regierung gegen Mapuche-Kinder wurde auch im April dieses Jahres von der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte (Inter-American Commission on Human Rights – IACHR) in Washington, DC verurteilt.

Europäische Beteiligung

Im Rahmen eines Assoziierungsabkommens zwischen der EU und Chile stellen die Europäer Investitionen von mehr als 16.000.000 € (22.900.000 US-Dollar) für den sozialen Zusammenhalt in Chile von 2007 bis 2013 bereit.

Der katalanische Parlamentsabgeordnete Oriol Junqueras sagte auf der Konferenz in Brüssel, dass die EU als einer der Hauptakteure auf dem Weltmarkt erhebliche Verhandlungsmacht gegenüber den international führenden Unternehmen und Chile hat. Auch würden wir „in dem Maße, in dem die EU in der Lage ist, diese Handelsabkommen mit den Rechten der Menschen in Einklang zu bringen … unserem Ziel gerechter und gleicher Chancenverteilung sehr viel näherkommen“.

Der Programmdirektor der Stiftung France-Libertés Fondation Danielle Mitterrand, Tapia Olavarria Rodrigue, sagte, die EU müsse bestimmte Maßnahmen ergreifen, um zu verhindern, dass andere Länder Systeme entwickeln, die zur Ausbeutung und unwiederbringlichen Zerstörung von Rohstoffquellen führen sowie die Umwelt, die Lebensgrundlagen und fundamentalen Rechte der einheimischen Völker bedrohen.

Artikel auf Englisch: Without Land There Is No Culture

 

 

 

 

 

 



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