Özdemir wirft Bundesregierung „gescheiterte Türkeipolitik“ vor
Der Grünen-Politiker Cem Özdemir macht die seiner Ansicht nach zu nachgiebige Türkeipolitik der Bundesregierung mitverantwortlich für die Festnahme eines Kooperationsanwaltes der Deutschen Botschaft in Ankara.
„Egal ob Völkerrecht oder internationale rechtsstaatliche Gepflogenheiten: Präsident Erdogan schert sich nicht drum und weiß, dass er seitens der Bundesregierung nicht viel zu befürchten hat“, sagte Özdemir dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (Freitagsausgabe).
„Einmal mehr provoziert Erdogan, einmal mehr rächt sich das unerträgliche Lavieren der Bundesregierung in Sachen Türkeipolitik“, so der frühere Grünen-Chef.
Die Bundesregierung setze dem türkischen Präsidenten keine Grenzen, kritisierte Özdemir. „Mit der Festnahme des Kooperationsanwalts macht das türkische Regime auch deutlich, dass es Erdogan längst nicht mehr reicht, die gescheiterte Türkeipolitik der Bundesregierung vorzuführen – er will seinen langen Arm ausstrecken nach denen, die in Deutschland Schutz suchen“, sagte Özdemir.
Der Grünen Politiker, der selbst wiederholt der Kritik der türkischen Regierung ausgesetzt war, fügte hinzu: „Der lange Arm Erdogans hat in Deutschland jedoch nichts verloren.“
Zwölf Cumhuriyet-Journalisten erneut verurteilt
Indes hat ein türkisches Gericht in einem neuen Verfahren gegen ehemalige Mitarbeiter der regierungskritischen Zeitung „Cumhuriyet“ die in einem früheren Prozess verhängten Haftstrafen bestätigt. Das Gericht in Istanbul wandte sich damit am Donnerstag gegen eine Entscheidung des obersten Berufungsgerichts, das im September ihre Verurteilung aufgehoben hatte. Nur der Kolumnist Kadri Gürsel wurde vom Vorwurf der „Unterstützung einer Terrororganisation“ freigesprochen.
Im Fall von zwölf weiteren Journalisten und Mitarbeitern hielt das Gericht aber die Verurteilung zu Haftstrafen von bis zu mehr als sieben Jahren aufrecht. Die Mitarbeiter, die seit dem Urteil im September alle auf freiem Fuß sind, müssen allerdings nicht wieder in Haft. Unter den Verurteilten sind der frühere Chefredakteur Murat Sabuncu, der Karikaturist Musa Kart und der Investigativjournalist Ahmet Sik, der inzwischen für die Opposition im Parlament sitzt.
Der „Cumhuriyet“-Prozess gilt als Symbol für die Einschränkung der Meinungsfreiheit unter Präsident Recep Tayyip Erdogan. Er hatte im Herbst 2016 mit der Festnahme führender Mitarbeiter der traditionsreichen Zeitung begonnen. Ihnen wurde die Unterstützung der kurdischen PKK-Guerilla und der islamischen Gülen-Bewegung vorgeworfen. Die Opposition sah darin einen Versuch, eine der letzten kritischen Stimmen zum Schweigen zu bringen.
Bei Beobachtern stieß die Entscheidung am Donnerstag auf scharfe Kritik. „Dies ist eine neue skandalöse Entscheidung, die in die Geschichte eingehen wird als Beweis für die Dysfunktionalität des türkischen Rechtssystems“, sagte Emma Sinclair-Webb von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. (afp/(dts)
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