Österreich will illegale Zurückweisungen an Deutschlands Grenze nicht akzeptieren

Österreich hat klargestellt, keine Asylsuchenden an seinen Grenzen entgegenzunehmen, die aus Deutschland illegal zurückgewiesen werden. Innenminister Gerhard Karner betonte, es gebe in dieser Frage keinen Spielraum. Diese Haltung verschärft den Streit innerhalb der EU über den Umgang mit Geflüchteten, die innerhalb Europas weiterreisen.
Polizisten kontrollieren einen Lastwagen und Autofahrer am Grenzübergang Berg in Österreich.
Polizisten kontrollieren einen Lastwagen und Autofahrer am Grenzübergang Berg in Österreich.Foto: Hans Klaus Techt/APA/dpa
Von 10. September 2024

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In der Debatte um den Umgang Deutschlands mit Asylsuchenden, die aus anderen EU-Ländern einreisen, hat Österreich signalisiert, für eine Zurückweisung an den Grenzen nicht zur Verfügung zu stehen. Gegenüber „Bild“ erklärte Innenminister Gerhard Karner, Österreich werde „keine Personen entgegennehmen, die aus Deutschland zurückgewiesen werden“. Diesbezüglich gebe es „keinen Spielraum“.

Österreich sieht Zurückweisungen ohne Verfahren als Verstoß gegen EU-Recht

CDU-Chef Friedrich Merz hatte zuvor eine Zurückweisung aus anderen EU-Staaten eingereister Asylsuchender bereits an den Grenzen als eine Grundbedingung für weitere Gespräche mit der Ampelkoalition genannt. Vor einer Woche hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser Vertreter von Bund, Ländern und der Union zu einem Migrationsgipfel geladen. Dort will man gemeinsame Lösungen entwickeln, um die Anzahl irregulärer Einreisen nach Deutschland zu minimieren.

Einen Konsens konnten die Teilnehmer am Dienstag der Vorwoche, 3.9., nicht erzielen. Allerdings sollen Folgetermine stattfinden und Ministerin Faeser will die – mittlerweile auch von CSU und FDP aufgegriffene – Forderung nach Zurückweisungen an der Grenze juristisch prüfen lassen.

Die Ampel selbst hatte sich in der Woche davor auf eine Verschärfung des Waffenrechts und mehr Befugnisse für Sicherheitsbehörden und BAMF geeinigt. Auch die Koalitionsparteien wollen den Dublin-Regeln der EU Geltung verschaffen, die dem Staat, in dem die Einreise in die Staatengemeinschaft stattfindet, die Zuständigkeit für das Asylverfahren zuweisen.

Union will „nationalen Notstand“ ausrufen

Deutschland wirft diesen Staaten vor, die Asylsuchenden durchzuwinken, ohne ein Verfahren durchzuführen, und auf diese Weise zu bewirken, dass diese erst hier ihren Asylantrag stellen. Merz, aber auch Politiker der Ampel stimmen in der Einschätzung überein, dass es keine Rechtsgrundlage für ein Asylverfahren in Deutschland geben könne, wenn ein Geflüchteter aus einem anderen EU-Staat eingereist ist.

Die Ampel will den gemeinschaftsinternen „Asyltourismus“ unterbinden, indem sie die Leistungen für Asylsuchende kürzt, für deren Verfahren mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein anderer EU-Staat zuständig ist. Auf diese Weise will sie die Attraktivität Deutschlands als Zielland für die Weiterreise mindern.

Der Union geht dies nicht weit genug. Sie will einen „nationalen Notstand“ ausrufen. Über den Artikel 72 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) will sie damit eine zulässige Ausnahme von der EU-Rückführungsrichtlinie konstruieren. Diese würde vorschreiben, im Vorfeld einer Rückführung erst ein Verfahren über die Zuständigkeit durchführen zu lassen. Außerdem müsste die Zustimmung des Staates eingeholt werden, in den zurückgeführt werden soll.

Bereits jetzt Pushbacks in Richtung Österreich

Darauf beruft sich nun auch Österreich. Innenminister Gerhard Karner hat eigenen Angaben zufolge bereits jetzt die Bundespolizeidirektion angewiesen, keine Personen entgegenzunehmen, die aus Deutschland zurückgewiesen würden. Zwar stellen CDU und CSU nicht die Regierung, dennoch scheint man sich in Wien auf alle Eventualitäten vorbereiten zu wollen.

Schon 2023 hatte der „exxpressberichtet, dass es 2022 zu knapp 15.000 sogenannten Pushbacks aus Deutschland in Richtung Österreich gekommen sei. Zulässig ist das lediglich in Fällen, in denen Einreisende bereits in einem anderen Land Asyl beantragt haben – oder bei Vorliegen einer Wiedereinreisesperre. Österreich hätte dadurch zusätzliche Kosten von mindestens 7,2 Millionen Euro im Monat an Taschengeld für die Geflüchteten, plus jene für Unterbringung und Versorgung.

Polizeigewerkschafter Heiko Teggatz hatte sich damals zu diesem Vorgehen bekannt und erklärt, auf diese Weise eine „abschreckende Kettenreaktion“ erreichen zu wollen. Wer in Deutschland als Asylsuchender ankomme, habe „womöglich schon vier EU-Staaten durchreist, ohne Asyl zu beantragen“.

Grüne zweifeln an Erfolgsaussichten des Merz-Vorstoßes

Die Grünen in der Ampelkoalition teilen Karners Position, dass eine direkte Zurückweisung an der Grenze ohne weiteres Verfahren nicht rechtmäßig sei. Sie verweisen darauf, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) noch in keinem Fall die Zurückweisung Asylsuchender an Binnengrenzen für rechtmäßig erklärt habe. Die innenpolitische Sprecherin Irene Mihalic sieht auch keinen Spielraum für die Erklärung eines „nationalen Notstandes“.

Im Fall Frankreich hatte der EuGH bereits die Zurückweisung von Asylsuchenden ohne Verfahren an dessen Grenzen für unzulässig erklärt. In Paris hatte man damals erklärt, durch die Wiedereinführung von Grenzkontrollen sei aus der Schengen-Grenze eine Außengrenze geworden, an der Zurückweisungen statthaft seien. Der Gerichtshof wies dies zurück und erklärte, dass eine Binnengrenze unabhängig von Grenzkontrollen eine Binnengrenze bleibe.

Die Geschäftigkeit in der deutschen Politik mit Blick auf Asylsuchende, für deren Verfahren nach den Dublin-Regeln mutmaßlich andere EU-Staaten zuständig wären, rührt vom Anschlag von Solingen her. Der IS-Anhänger, der dort drei Menschen tötete und acht weitere zum Teil schwer verletzte, war im Dezember 2022 aus Bulgarien eingereist.

Anschlag von Solingen als Aufhänger für Debatte

Für seinen Verbleib in Deutschland war jedoch nicht das Unterbleiben einer Zurückweisung an der Grenze ursächlich. Ein Verfahren des BAMF, das in Deutschland durchgeführt worden war, hatte zum Ergebnis, dass Bulgarien für die Durchführung des Asylverfahrens des späteren Terrorverdächtigen zuständig wäre.

Der syrische Staatsangehörige sollte deshalb schon im Januar 2023 dorthin abgeschoben werden. Die bereits angesetzte aufenthaltsbeendende Maßnahme konnten die Behörden jedoch nicht durchführen, weil der Asylsuchende an seiner Wohnadresse nicht anwesend war. Einen weiteren Versuch der Abschiebung haben die Behörden nicht unternommen.



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