Österreich vor neuer Regierung: Koalition von ÖVP und SPÖ soll noch im Februar stehen
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Nach zwei gescheiterten Anläufen soll Österreich schon zum Ende des Monats eine neue Regierung haben. Dies berichtet unter anderem das Nachrichtenportal „oe24“. Schon bis zu den Nationalratssitzungen in der kommenden Woche am 26. und 27. Februar soll das neue Kabinett aus ÖVP und SPÖ stehen. In der ersten Märzwoche soll es vereidigt werden.
Eine Bestätigung bezüglich des Zeitplans gab es vonseiten der Parteien nicht. Dass Gespräche laufen, erklärten jedoch Vertreter von Konservativen und Sozialdemokraten übereinstimmend. Es wäre die erste Koalition der beiden Traditionsparteien in Österreich seit knapp acht Jahren.
ÖVP und SPÖ präsentieren Verhandlungsteams – schneller Abschluss angestrebt
Klarheit gibt es hingegen bereits über die Verhandlungsteams. An der Spitze der ÖVP-Delegation steht der Parteichef und wahrscheinliche künftige Bundeskanzler Christian Stocker. Teil des Verhandlungsteams sind außerdem Klubchef August Wöginger und Generalsekretär Alexander Pröll. Neben ihnen werden Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer und der Präsident der Wirtschaftskammer, Harald Mahrer, mitverhandeln.
Die SPÖ-Delegation führt erwartungsgemäß Parteichef Andreas Babler an. Daneben sind die Dritte Nationalratspräsidentin Doris Bures, Klubvize Philip Kucher, SPÖ-Frauenchefin Eva-Maria Holzleitner und Josef Muchitsch vertreten. Er ist der Vorsitzende der sozialdemokratischen Gewerkschaftsvereinigung FSG.
Seit Freitag würden „intensive Gespräche“ geführt, heißt es aus österreichischen Medien. Man will nach Monaten gescheiterter Verhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS sowie FPÖ und ÖVP schnell zu einem Abschluss kommen.
Österreich bekommt einen Doppelhaushalt
Obwohl keine der Parteien Details bezüglich der bisherigen Ergebnisse verrät, zeichnet sich bei einem der zentralen früheren Streitpunkte eine Einigung ab. So will die SPÖ auf die von Babler im Wahlkampf vehement geforderte Vermögenssteuer verzichten. Im Gegenzug erklärt sich die ÖVP bereit, einer Bankenabgabe zuzustimmen.
Mithilfe dieser hoffen die Parteien, eine Entlastung des Budgets zu erreichen. Die Folge wäre allerdings mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Erhöhung von Bankgebühren. Die Landeshauptleute von Vorarlberg, Markus Wallner (ÖVP), und Kärnten, Peter Kaiser (SPÖ), haben erklärt, diesbezüglich bestehe bereits ein Konsens.
Wie die Nachrichtenagentur erfahren habe, soll es auch schon zu Beginn der neuen Legislaturperiode einen Doppelhaushalt geben. Kaiser erklärte auf Ö1, man könne sich in der SPÖ sogar vorstellen, die Abreden der Verhandler der gescheiterten FPÖ-ÖVP-Gespräche zu übernehmen. Der Kärntner Landeshauptmann äußerte bezüglich der auch schon nach Brüssel gemeldeten Einigung:
„Ich denke, dass der Budgetpfad, der von FPÖ und ÖVP für das erste Jahr nach Brüssel gemeldet ist, in wesentlichen Teilen übernommen werden kann.“
Noch nicht alle Ressorts für neue Regierung in Österreich verteilt
Die ÖVP soll dem Bericht von „oe24“ zufolge das Innenministerium sowie die Ressorts Wirtschaft, Außenpolitik und Landwirtschaft besetzen. Die SPÖ würde die Ministerien für Infrastruktur, Soziales, Verteidigung, Gesundheit und Bildung erhalten. Bezüglich des Finanzressorts gibt es noch keine Einigung. Das Justizministerium soll eine parteilose Person bekleiden.
Da beide Parteien im Nationalrat nur über eine Mehrheit von einer einzigen Stimme verfügen, wollen sie bei einzelnen Projekten NEOS und Grüne einbinden. In diesem Sinne seien bereits Gespräche im Gange. Dabei soll es jedoch ausschließlich um Vorhaben gehen, die eine Verfassungsmehrheit von zwei Dritteln erfordern.
Sowohl ÖVP als auch SPÖ haben ein Interesse daran, Neuwahlen zu vermeiden. Einer jüngst präsentierten Umfrage für „Puls 24“ zufolge würden die Konservativen in einem solchen Fall mit nur noch 19 Prozent hinter die Sozialdemokraten (22) zurückfallen. Die FPÖ unter Herbert Kickl würde sich auf 33 Prozent steigern. Das wäre allerdings deutlich weniger als nach dem Scheitern der Gespräche zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS.
FPÖ: Streit zwischen Regierungswilligen und Fundamentaloppositionellen?
Der FPÖ-Parteihistoriker Lothar Höbelt hat unterdessen scharfe Kritik an Parteichef Herbert Kickl geübt. Dieser habe eine einmalige Chance liegengelassen, eine Mitte-rechts-Regierung unter eigener Führung zu bilden. Höbelt warf Kickl vor, zu kompromisslos agiert und dadurch eine weitere Regierung in Europa verhindert zu haben, die sich für restriktive Migrationsgesetze einsetze.
In einem Gastbeitrag auf dem Blog von Ex-„Presse“-Chefredakteur Andreas Unterberger äußerte Höbelt:
„Die ÖVP ist über ihren Schatten gesprungen, als sie – entgegen ihren früheren Erklärungen – Kickl als Kanzler akzeptiert hat; der offenkundige Preis dafür war, dass die FPÖ im Gegenzug über ihren Schatten springt und das Innenministerium zur Disposition stellt.“
Dass Kickl dies nicht gelungen sei, schade ihm nicht beim harten Kern der FPÖ-Überzeugungswähler. Für Mitte-rechts-Wähler stelle sich jedoch künftig die Frage, wozu man eine Partei noch wählen soll, „die ohnehin nur kneift, sobald sie die Chance erhält, ihre Vorstellungen umzusetzen“.
Koalitionsregierungen aus ÖVP und SPÖ als Normalfall der Zweiten Republik
ÖVP und SPÖ hatten in der Zeit von 1945 bis 1966 zusammen regiert – bis 1947 stellte auch die KPÖ Minister. Anschließend folgten Alleinregierungen der ÖVP (ab 1966) und der SPÖ (1970 bis 1983). Nach dem Ende eines Bündnisses aus SPÖ und FPÖ 1986 kam es erstmals wieder zu einer Großen Koalition. Diese blieb bis 2000 im Amt und wurde von einem schwarz-blauen Bündnis abgelöst.
Ab dem Jahr 2006 regierten SPÖ und ÖVP bis 2017 wieder zusammen. Anschließend koalierte die ÖVP bis 2019 mit der FPÖ und anschließend mit den Grünen. Bei den Nationalratswahlen am 29. September 2024 wurde die FPÖ mit 28,85 Prozent der Stimmen erstmals in der Geschichte stärkste Kraft auf Bundesebene. Die ÖVP kam auf 26,27 Prozent. Mit 21,14 Prozent landete die SPÖ auf Platz drei. Kommt eine Koalition zustande, würde die ÖVP in ihr 39. Regierungsjahr in Folge gehen.
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