Österreich: Unklarheit über Regierungsbildung – Bundespräsident gibt keinen Auftrag
In Österreich haben die Bürger des Landes zwei Wochen nach der Nationalratswahl noch keine Klarheit darüber, wer künftig die Regierung des Landes stellen wird. Auch Bundespräsident Alexander van der Bellen hat diese nicht herstellen wollen. Er empfing zu Beginn der Vorwoche die Spitzen der Parteien. Allerdings beauftragte er keinen der Vertreter der größeren Parteien FPÖ, ÖVP und SPÖ mit einer Regierungsbildung.
Van der Bellen hält sich vorerst aus Regierungsbildung heraus
Stattdessen trug er deren Parteichefs Herbert Kickl, Karl Nehammer und Andreas Babler auf, erst in Gesprächen untereinander auszuloten, welche Form der Zusammenarbeit als sinnvoll erscheine. Auf mehreren Social-Media-Seiten von FPÖ-Politikern und rechtsgerichteten Medien entbrannte daraufhin ein Shitstorm gegen den Präsidenten.
Bis dato war es in Österreich Tradition, den Chef der stimmenstärksten Partei mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Eine Verpflichtung vonseiten des Bundespräsidenten dazu gibt es jedoch nicht.
Bundeskanzler Nehammer kündigte an, er werde zu seinem vor der Wahl gegebenen Wort stehen. Das bedeutet, er ist nicht bereit, mit einer FPÖ unter Führung von Herbert Kickl zu koalieren. Eine gänzliche Absage an ein Bündnis mit den Rechten stellt dies jedoch nicht dar.
Nehammer spricht von „Wahlergebnis mit zwei Gesichtern“
Wäre Kickl bereit, sich auf den Parteivorsitz zu beschränken oder möglicherweise Nationalratspräsident oder Minister zu werden, könnte es zu einem blau-türkisen Bündnis kommen. Wer in diesem Fall Kanzler werden sollte, bleibt jedoch offen. Es gilt als unwahrscheinlich, dass die FPÖ bereit wäre, Nehammer zum Kanzler zu wählen.
Das Wahlergebnis gibt ihr dabei Recht: Anders als 1999, als die Freiheitlichen als zweitstärkste Partei gerade einmal 415 Stimmen mehr als die ÖVP erhielten, ist Kickls Partei dieses Mal zum ersten Mal stimmenstärkste Kraft geworden. Mit 28,8 Prozent konnte sie die Konservativen, die auf 26,3 Prozent kamen, doch deutlich auf Distanz halten.
In einer Videobotschaft sprach Nehammer von einem „Wahlergebnis mit zwei Gesichtern“ für die ÖVP. Man sei nicht die stärkste Partei geworden, es hätten jedoch viele Menschen „Zuversicht statt Angst“ gewählt. Denen stehe man nun „besonders im Wort“.
Bundespräsident @vanderbellen hat den Weg vorgezeichnet, wie die Gespräche nun verlaufen sollen. Seinen Wunsch nehme ich selbstverständlich ernst, ebenso wie das Vertrauen der 1,3 Millionen Wählerinnen und Wähler, die der Volkspartei ihr Vertrauen geschenkt haben. pic.twitter.com/Zg6jWxX0YW
— Karl Nehammer (@karlnehammer) October 10, 2024
Wahl in Vorarlberg kann Regierungsbildung entscheidend beeinflussen
Die Landtagswahl in Vorarlberg, die am kommenden Sonntag, 13.10., stattfinden wird, könnte nun zumindest einen indirekten Einfluss auf die Regierungsbildung haben. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass der FPÖ gelingen sollte, auch in der langjährigen ÖVP-Hochburg an den Konservativen vorbeizuziehen.
Im Jahr 2019 erzielte die Volkspartei unter Landeshauptmann Markus Wallner 43,5 Prozent und regiert seit 2014 mit den Grünen. Die FPÖ kam vor fünf Jahren nur auf 13,9 Prozent. Mittlerweile sehen einige Umfragen ÖVP und Freiheitliche aber Kopf an Kopf. Landet die FPÖ auf Platz 1 im Ländle, könnte der Druck in Richtung eines Mitte-Rechts-Bündnisses auch im Bund so groß werden, dass die ÖVP Verhandlungen aufnimmt.
Ein weiterer Faktor, der einem blau-türkisen Bündnis im Bund in die Karten spielt, ist der Umstand, dass der SPÖ schwere innerparteilichen Erschütterungen drohen. Zwar hatte die Partei am Ende nur 0,04 Prozentpunkte verloren und sogar 20.366 Stimmen und ein Mandat dazugewonnen.
Auf dem Papier waren die 21,14 Prozent jedoch das historisch schlechteste Ergebnis. Die Partei verlor zudem ihren ersten Platz in vielen traditionellen Hochburgen wie der Mur-Mürz-Furche an die FPÖ. Einzig von den Grünen konnte die Sozialdemokratie in städtischen Lagen Stimmen holen.
Babler durch innerparteiliche Querschüsse geschwächt
Parteichef Andreas Babler gilt mittlerweile als Vorsitzender auf Abruf. Der PR-Berater Rudolf Fußi hat ihn bereits zu einer Kampfabstimmung um die Führung herausgefordert. Um einen Mitgliederentscheid zu erzwingen, muss er nun Unterschriften von 14.000 SPÖ-Mitgliedern innerhalb weniger Monate aufbringen.
Das Unterfangen wird ihm nicht gelingen, zumal alle namhaften Einflussgrößen der Partei mittlerweile auf Distanz zu seinem Vorhaben gegangen sind. Sein Vorstoß ist jedoch durchaus geeignet, Babler zu unterminieren, indem er dessen Autorität und Verhandlungsposition in möglichen Regierungsverhandlungen schwächt. Die ÖVP könnte notfalls an ihm vorbei verhandeln – im Bewusstsein, dass man nicht mit seinem dauerhaften Verbleib an der Parteispitze rechne.
Derweil bahnt sich im Osten des Landes ein neues Machtzentrum in der Partei an. Der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil wurde am Freitag auf dem Landesparteitag mit 99,63 Prozent als Landesparteichef und Spitzenkandidat zur Landtagswahl bestätigt. Im Januar 2025 will er mit der SPÖ im Land die absolute Mehrheit verteidigen.
Doskozil droht Wien mit Asyl-Obergrenze für das Burgenland
Der Parteitag bestätigte nicht nur einstimmig den „burgenländischen Weg“, der eine weitgehend ideologiefreie und pragmatische Sozialdemokratie verkörpert. Massive Kritik übte Doskozil an der mächtigen Wiener Landesgruppe der SPÖ, weil künftig in Wiener Ordensspitälern um 20 Prozent weniger Patienten aus dem Burgenland behandelt werden sollen.
Doskozil drohte im Gegenzug, bei der Asyl-Grundversorgung eine Obergrenze einzuführen. Nur noch 330 Asylbewerber jährlich sollen dann im Burgenland betreut werden. Diese sollen sofort integriert werden und im gemeinnützigen Bereich arbeiten. Doskozil äußerte dazu:
„Österreich ist ein hilfsbereites Land, aber Hilfsbereitschaft darf man nicht mit Dummheit verwechseln.“
Der burgenländische Landeshauptmann kündigte auch die Bildung einer bundeslandweiten Energiegemeinschaft an. Ziel soll es sein, für die nächsten 40 Jahre einen fixen Centbetrag für die Kilowattstunde Strom zu verankern. So sollen Bürger und Unternehmen Planungssicherheit erlangen.
Kern: SPÖ hat „Yogalehrer aus dem 7. Bezirk gewonnen“ – aber nicht die Masse der Bürger
Gastredner auf dem Landesparteitag war Ex-Kanzler Christian Kern. Über ein Comeback des von Mai 2016 bis Dezember 2017 amtierenden Regierungschefs ist in den vergangenen Wochen häufig spekuliert worden. In Eisenstadt warnte Kern, die FPÖ sei mittlerweile „in der Mitte der Gesellschaft angekommen“.
Die Bundesregierung habe bei der Nationalratswahl so viele Stimmen verloren wie nie zuvor. Die SPÖ habe dies jedoch nicht für sich zu nutzen vermocht. Kern schlussfolgerte selbstkritisch:
„Dieses Diktum, Politik für unsere Leute zu machen und am Ende haben wir Yogalehrer aus dem 7. Bezirk und einen kläglichen Anteil von Pensionisten für uns gewonnen, kann nicht die Antwort auf diese Frage sein.“
Die Antwort der SPÖ auf den Erfolg der FPÖ könne nicht die weitere Polarisierung sein, erklärte Kern weiter.
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