Österreich: ÖVP, SPÖ und NEOS bilden neue Regierung – Sparmaßnahmen und Migrationspolitik im Fokus

Nach monatelangem Leerlauf bei den Verhandlungen haben sich ÖVP, SPÖ und NEOS auf eine gemeinsame Regierung geeinigt. Ihr Programm setzt auf Sparmaßnahmen, eine striktere Migrationspolitik und Bildungsreformen. Doch nicht alle Fragen sind geklärt: Ministerposten müssen noch besetzt, Koalitionsverträge abgesegnet werden.
Die neue Dreier-Koalition in Österreich hat ein 200-seitiges Arbeitsprogramm vorgelegt.
Die neue Dreier-Koalition in Österreich hat ein 200-seitiges Arbeitsprogramm vorgelegt.Foto: Heinz-Peter Bader/AP/dpa
Von 27. Februar 2025

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In Österreich scheint das monatelange Tauziehen um die künftige Regierung beendet zu sein. ÖVP, SPÖ und NEOS haben sich auf ein gemeinsames Regierungsprogramm geeinigt, das die Spitzen der Parteien am Donnerstag, 27. Februar, präsentiert haben. Dazu hatten sich die Koalitionsspitzen Christian Stocker (ÖVP), Andreas Babler (SPÖ) und Beate Meinl-Reisinger (NEOS) bei Bundespräsident Alexander Van der Bellen in der Hofburg eingefunden.

Vollständig beendet ist die Regierungsbildung noch nicht. Die Besetzung der Ministerposten muss innerhalb der Parteien noch abgeschlossen werden. Vor allem in der SPÖ war darob ein innerparteilicher Machtkampf entstanden. Auch die Mitglieder der NEOS müssen den Koalitionsvertrag am Sonntag noch mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit annehmen.

Wer künftig in Österreich die Ministerien innehat

Die ÖVP wird den Bundeskanzler, einen Kanzleramtsminister sowie die Ressorts für Inneres, Landesverteidigung, Wirtschaft und Energie, Landwirtschaft und Umwelt erhalten. Außerdem stellt sie Staatssekretäre im Bundeskanzleramt, im Finanzministerium sowie im Wirtschaftsministerium.

Die Sozialdemokraten stellen den Vizekanzler, der auch noch ein Ministerium übernehmen wird. Dazu kommen die Ministerien für Wohnen und Kultur, das Finanz- und das Justizministerium, das Ressort für Frauen, Wissenschaft und Forschung, jenes für Verkehr und Infrastruktur und ein Großressort für Arbeit, Soziales und Gesundheit. Staatssekretäre wird die SPÖ im Wohnungsministerium, im Arbeitsministerium und im Innenministerium stellen.

Das Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten und das Bildungsministerium wandern in die Hand der NEOS. Im Außenministerium, wo EU- und sonstige internationale Agenden zusammengefasst sind, wird die Partei auch einen Staatssekretär stellen.

Erste Regierungsjahre von Sparkurs gekennzeichnet

Das Regierungsprogramm selbst umfasst etwa 210 Seiten. Ein Schwerpunkt soll dabei vorerst die Vermeidung eines EU-Defizitverfahrens sein. Das bedeutet vorerst zwei Jahre im Zeichen von Sparpaketen. Maßnahmen zur Stärkung der Wirtschaft werden deshalb häufig nur als grobe Zielvorstellungen beschrieben und unter Vorbehalte gestellt. Auch von den Klimazielen werden keine substanziellen Abstriche gemacht. Allerdings soll es einige Erleichterungen bei klimabezogenen Steuern geben – und einige von den Grünen blockierte Verkehrsprojekte sollen durchgesetzt werden.

Noch in diesem Jahr will das Kabinett 6,3 Milliarden Euro einsparen, weitere 2,4 Milliarden im nächsten Jahr. Eine Senkung der Lohnnebenkosten soll daher frühestens 2027 zur Debatte stehen – sofern die finanziellen Voraussetzungen das dann erlauben.

Allerdings soll das Arbeitsmarktservice (AMS) in den nächsten beiden Jahren insgesamt 330 Millionen Euro mehr zur Verfügung gestellt bekommen. Eine ähnlich große Summe soll helfen, das Arbeiten im Alter zu entlasten. Hier soll es durch Maßnahmen wie eine „Teilpension“ eine faktische Anhebung des Renteneintrittsalters geben.

Eine Bankenabgabe, der die ÖVP nach längerem Zögern zugestimmt hat, soll in den nächsten beiden Jahren insgesamt etwa 500 Millionen Euro einspielen. Im Gegenzug verzichtete die SPÖ auf von ihr geforderte Vermögensabgaben.

Inflation „möglichst gering halten“ – kein Familiennachzug für Asylsuchende

Die neue Regierung will außerdem die Inflation in Österreich „möglichst gering halten“. Mittlerweile ist sie mit 3,2 Prozent die höchste in Westeuropa. Erreichen will man dies durch Erleichterungen für die Bauwirtschaft, damit mehr Wohnungen entstehen. Für Lebensmittel will man „leistbare und faire Preise“ sicherstellen, indem man Wettbewerbsbehörden stärke und Kartellverfahren beschleunige. Konkrete Maßnahmen werden aber auch hier nicht genannt.

Demgegenüber ist das Regierungsprogramm in anderen Bereichen konkreter – vor allem dort, wo man sich bemüht, der FPÖ den Wind aus den Segeln zu nehmen. Dazu gehört etwa ein Großkomplex, der Fragen der Sicherheit, der Zuwanderung und der Migration berührt. Die ÖVP hat beispielsweise durchgesetzt, dass der Familiennachzug im Asylbereich „mit sofortiger Wirkung vorübergehend und im Einklang mit Art. 8 EMRK“ gestoppt werden soll.

Es soll außerdem spezielle Rückkehrzentren für abgelehnte Asylsuchende geben, um ein Untertauchen zu verhindern. Möglich werden sollen auch medizinische Maßnahmen zur Feststellung des Alters von Asylbewerbern. Österreich will auch den im Dezember 2023 beschlossenen GEAS-Mechanismus der EU zeitnah umsetzen. Bis zum Ende des Jahres muss das jeder Mitgliedstaat gemacht haben.

Paternalismus im Bildungsbereich und in der Integrationspolitik

Weil die Bundesregierung es als „ehrkulturelle Entwicklung“ betrachtet, will sie auch das Tragen des Kopftuchs durch muslimische Schülerinnen bis zum 14. Lebensjahr verbieten. Dafür will man eine „verfassungskonforme Lösung“ finden, da der Verfassungsgerichtshof bereits 2020 eine ähnliche Regelung aufgehoben hat. Um eine neuerliche Überprüfung durch das Höchstgericht auszuhebeln, müsste die Regierung die FPÖ für die Verabschiedung einer solchen Bestimmung im Verfassungsrang verabschieden.

Im Rahmen der Integration will die Bundesregierung auch Maßnahmen zur „Überwindung traditioneller Rollenbilder“ treffen. Eine Eheschließung soll erst ab 18 möglich sein, zudem sollen Verwandte dritten Grades nicht geehelicht werden können. Diese Maßnahmen scheinen vor allem gegen die muslimische Einwanderercommunity oder andere als rassistisch markiert geltende Gemeinschaften wie Sinti und Roma gerichtet zu sein.

Gleichzeitig bekennt sich das Kabinett dazu, „Vorurteile abzubauen, Toleranz zu fördern und den gesellschaftlichen Frieden zu wahren“. Dazu will man einen „intensiven interreligiösen Dialog“ sicherstellen, „um den Zusammenhalt in einer pluralistischen Gesellschaft zu sichern“.

Anders als es die ÖVP während der gescheiterten Regierungsgespräche mit der FPÖ mitgetragen hatte, wird das Strafmündigkeitsalter nun nicht auf zwölf Jahre gesenkt. Zur Bekämpfung der Jugendkriminalität soll es jedoch „Normverdeutlichungsgespräche“ auch für nicht strafmündige Jugendliche geben. Zudem will man verpflichtende Fallkonferenzen für unmündige Intensivtäter einführen. Pflegschaftsgerichte sollen auch leichter Zwangsaufenthalte in Heimen oder „spezialisierten sozialpädagogischen Wohngemeinschaften der Kinder- und Jugendhilfe“ anordnen können.

Handyverbot an Schulen und Rettung von Sportwochen

An Schulen soll das bereits in Wien geltende Handyverbot auch bundesweit durchgesetzt werden. Die Geräte sollen dann nur noch für den pädagogischen Einsatz genutzt werden können. Darüber hinaus soll es ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr geben. Die Rede ist auch von einem „Chancenindex für mehr Bildungsgerechtigkeit“.

Geplant ist auch ein „Konzept zur Rettung der Schulsportwochen“, was traditionell Fremdenverkehrsgemeinden Unterstützung durch Schulskikurse ermöglicht. Österreich soll nach dem Willen der Regierung zudem ein „neues multifunktionales Nationalstadion“ erhalten – das offenbar das Praterstadion in Wien ersetzen soll.

Im Sicherheitsbereich will man Polizei und Bundesheer besser ausrüsten und sie dabei unterstützen, rascher auf überraschende Bedrohungslagen zu reagieren. Wahlärzte sollen verpflichtet werden, „im Notfall in einem gewissen Ausmaß Patientinnen und Patienten zu Kassenkonditionen zu behandeln“. Eine Bundesstaatsanwaltschaft soll kommen, was das Weisungsrecht des Justizministers ein Stück weit einschränken wird.



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