Österreich: Ibiza-Ermittlungen brechen zusammen – Parteispenden-Verfahren gegen Strache eingestellt

Erweist sich die „Ibiza“-Affäre rund um Österreichs Ex-Vizekanzler HC Strache am Ende als „Big Nothing Burger“? Am Montagabend wurden die Ermittlungen des Korruptionsstaatsanwalts wegen des Verdachts illegaler Parteispenden-Konstrukte nach eineinhalb Jahren eingestellt.
Titelbild
Der ehemalige österreichische Vizekanzler und Vorsitzende seiner Partei „Team HC Strache – Allianz für Österreich“, Heinz-Christian Strache.Foto: GEORG HOCHMUTH/APA/AFP über Getty Images
Von 23. September 2020

Österreichs Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft hat die Ermittlungen gegen den früheren FPÖ-Parteichef Heinz-Christian Strache wegen des Verdachts angeblicher illegaler Parteispenden eingestellt. Dies hat die Behörde am Montagabend (21.9.) verkündet, der ORF hat berichtet.

Auch gegen den früheren Klubchef der FPÖ im Nationalrat, Johann Gudenus, und den früheren Nationalratsabgeordneten Markus Tschank wurden die Ermittlungen eingestellt. Diese hatten bereits 2019 begonnen, nachdem eine Woche vor den EU-Wahlen im Mai ein illegal aufgenommenes Video von einer Zusammenkunft auf der spanischen Ferieninsel Ibiza aus dem Sommer 2017 veröffentlicht worden war.

An dem Treffen hatten unter anderem Strache und Gudenus teilgenommen. Eingeladen hatten sie eine angebliche russische Oligarchennichte und ein Begleiter. Dieser erwies sich später als mutmaßlicher Mastermind hinter der Falle, die den beiden österreichischen Spitzenpolitikern dabei gestellt werden sollte.

Falle kurz vor erwartetem Machtwechsel in Österreich

Die Gastgeber versuchten über mehrere Stunden hinweg, Strache eine Zusage abzuringen, ihnen gegen die Überlassung eines Geldbetrages von bis zu 270 Millionen Euro politische Gefälligkeiten zukommen zu lassen. Umfragen sagten bereits zum damaligen Zeitpunkt eine deutliche Mehrheit für eine türkis-blaue Koalition zwischen ÖVP-Spitzenkandidat Sebastian Kurz und der Strache-FPÖ bei den zwei Monate später stattfindenden Nationalratswahlen voraus. Dabei schnitten sie das Gespräch ohne Wissen und Zustimmung Straches mit.

Die Veröffentlichung einer zusammengeschnittenen Fassung des Videos führte im Mai 2019 zum Rücktritt Straches und wenig später auch zum Ende der bürgerlichen Regierungskoalition. Die Sequenzen ließen erkennen, dass Strache und Gudenus mit der Fake-Oligarchin tatsächlich über mehrere Stunden hinweg über Machtstrukturen in Österreich sprachen. Dabei wurden auch hypothetische Szenarien erörtert, wie eine solche Einflussnahme konkret aussehen könnte, würde man sie tatsächlich ins Auge fassen.

Strache hatte alle Angebote zurückgewiesen

Was aus dem Zusammenschnitt nicht hervorging und erst vor wenigen Wochen durch die Veröffentlichung von Gerichtsprotokollen bekannt wurde: Strache hatte in Ibiza alle Angebote des Lockvogels und seines Begleiters, eine dreistellige Millionensumme gegen Gefälligkeiten zur Verfügung zu stellen, wiederholt und unmissverständlich zurückgewiesen.

Auch dies dürfte für die Ermittler den Ausschlag gegeben haben, das Verfahren gegen Strache wegen des Verdachts illegaler Spendenkonstrukte knapp drei Wochen vor den Wiener Gemeinderatswahlen fallen zu lassen.

Die Ermittler hatten Ausführungen Straches über Umgehungskonstrukte für Parteispenden im Ibiza-Video zum Anlass genommen, sechs als FPÖ-nahe sowie fünf ÖVP-nahe und zwei SPÖ-nahe Vereine unter die Lupe zu nehmen. Es sollte geklärt werden, ob es tatsächlich verdeckte Parteispenden gegeben habe, die auf dem Wege der Zuwendungen an Vereine stattgefunden hätten.

Verdacht auf illegale Parteispenden nicht bestätigt

Ins Visier gerieten unter anderem die Vereine „Patria Austria“, „Austria in Motion“, „Wirtschaft für Österreich“ und das „Institut für Sicherheitspolitik“. Nun heißt es in einer Benachrichtigung an die Anwälte der Betroffenen, es bestehe „kein tatsächlicher Grund zur weiteren Verfolgung“. Hinsichtlich des Tatvorwurfs im Bereich der Vereinsspenden konnte „der Nachweis einer strafbaren Handlung (…) nicht erbracht werden“. Offenbar sind keinerlei Spenden aus den genannten Vereinen an die FPÖ geflossen.

Nachdem sich das Ibiza-Kurzvideo nun als sinnentstellend zusammengeschnitten und keinen Verdacht auf tatsächliche Korruption begründende Inszenierung herausgestellt hat, trennen nur noch die Ermittlungen wegen Spesenvorwürfen aus der FPÖ und jene im Zusammenhang mit einer Postenbesetzung bei der Casinos Austria AG Strache von einer vollständigen Rehabilitation.

Was die Spesenvorwürfe anbelangt, verweist Strache darauf, dass die Parteigremien alle Modalitäten und alle Vorgänge gekannt und abgesegnet hätten. Die Casinos-Austria-Affäre, in der auch gegen den ehemaligen ÖVP-Finanzminister Hartwig Löger ermittelt wird, stützt sich unter anderem auf kryptische Äußerung in einem E-Mail-Verkehr.

„Ibiza-Kampagne wie Seifenblase zerplatzt“

Ein FPÖ-Politiker soll, so der Vorwurf, einen Posten im Aufsichtsrat bei Casinos Austria erhalten haben, im Gegenzug soll die Partei dem Glücksspielkonzern Novomatic versprochen haben, sich für Liberalisierungen in der Glücksspiel-Gesetzgebung einzusetzen. Die Beweislage scheint dünn zu sein, zudem war der direkte Einfluss von Strache auf Personalentscheidungen offenbar nicht gegeben. Zuständig für Angelegenheiten des Glücksspiels war zudem der Finanzminister. Inwieweit in dem komplexen Geflecht Absichtserklärungen oder Verwendungszusagen allerdings ausreichen, um den Tatbestand des Gesetzeskaufs oder Postenschachers zu erfüllen, ist fraglich.

Strache selbst sieht sich durch die Einstellung der Ermittlungen in Sachen Ibiza bestätigt. Die Einstellung sei erfolgt, „wie ich dies auch stets prognostiziert habe“, erklärte er in einer Nachricht an die Presse. „Außerdem belegt dies nun eindrucksvoll die in der 2. Republik beispiellose Hetzkampagne gegen meine Person und auch die medial befeuerten Vorverurteilungsmaschinerien – wie angeblich falscher Wohnsitz und Ibiza-Video – platzen wie Seifenblasen“, so Strache.

Er sei seit Erscheinen „des illegal produzierten Ibiza-Videos“ mit den „haltlosen Vorwürfen der illegalen Parteifinanzierung“ konfrontiert gewesen. Dabei habe er stets betont, „dass jegliche Spenden zu 100 Prozent rechtskonform abzuhandeln seien und auch keinerlei Gegenleistungen für etwaige Zuwendung erwartet werden können“. Kritik übte er an den Medien, gleichzeitig dankte er den Ermittlern.

Rückenwind für Strache vor den Wien-Wahlen

Für HC Strache könnte die Entwicklung drei Wochen vor den Wiener Gemeinderatswahlen Rückenwind bedeuten. Der später aus der FPÖ ausgeschlossene Ex-Vizekanzler hat mittlerweile mit dem „Team HC Strache“ eine eigene Formation gegründet, der gute Chancen eingeräumt werden, gleich beim ersten Antreten in Wien den Einzug in den Landtag zu schaffen.

Sollte es dem Team HC Strache gelingen, ein annähernd zweistelliges Ergebnis zu erzielen und möglicherweise die FPÖ, der schwere Verluste vorhergesagt werden, zu überholen, wäre dies eine vielversprechende Ausgangsposition, um auch österreichweit die Strukturen auszubauen. Perspektivisch könnte Strache seiner früheren Partei sogar die Führungsrolle auf der politischen Rechten streitig machen.

Die Ausrichtung der 1956 aus dem „Verband der Unabhängigen“ – dem Sammelbecken früherer österreichischer NSDAP-Mitglieder – hervorgegangenen früheren Honoratiorenpartei auf charismatische Führungspersönlichkeiten, die 1986 mit Jörg Haider begonnen hatte, könnte Strache dieser gegenüber einen Vorteil verschaffen. Auch deshalb scheinen Teile der FPÖ bereits darüber nachzudenken, wie ein Gegeneinander auf der Rechten durch die Wiedereinbindung Straches in gemeinsame Strukturen künftig vermieden werden kann.



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