Österreich: FPÖ-Chef Kickl erhebt Anspruch auf Kanzleramt – Bundespräsident hält sich noch bedeckt

Knapp eine Woche nach der Nationalratswahl in Österreich hat FPÖ-Chef Herbert Kickl vor Medienvertretern seinen Anspruch auf den Kanzlerposten unterstrichen. Am Freitag führte er ein Gespräch mit Bundespräsident Van der Bellen. Dieser will sich erst nächste Woche äußern.
Kickl verspricht fünf gute Jahre für Österreich, wenn er die Regierung anführen kann.
Kickl verspricht fünf gute Jahre für Österreich, wenn er die Regierung anführen kann.Foto: Helmut Fohringer/APA/dpa
Von 6. Oktober 2024

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In Österreich hat FPÖ-Chef Herbert Kickl knapp eine Woche nach der Nationalratswahl den Führungsanspruch in der künftigen Regierung für sich beansprucht. Gegenüber Pressevertretern deutete er am Samstag, 5.10., das Wahlergebnis als „Auftrag für eine neue, frische, starke patriotische Kraft in der Regierung“ und eine neue Kraft an der Spitze.

Diese solle sich selbst als „Werkzeug und Instrument des Volkes“ verstehen. Die Wähler, so Kickl, hätten mit einer „beeindruckenden Klarheit“ Vertrauen und Misstrauen im Land neu verteilt. Es habe ein „Machtwort des Wählers“ gegeben. Gleichzeitig hätten sich Bürger ihm gegenüber „konsterniert, geschockt und enttäuscht“ über das Bild geäußert, dass andere Parteien am Wahlabend und danach abgegeben hätten. Die Rede sei von „Hinterzimmerpackeleien der Verlierer“ und überhöhten Ansprüchen von Kleinparteien gewesen.

Nehammer schließt Koalition mit Kickl wegen „verschwörungstheoretischer“ Aussagen aus

Die Parlamentsparteien SPÖ, NEOS und Grüne hatten nach der Wahl eine Zusammenarbeit mit der FPÖ, die mit 28,8 Prozent ihr historisch bestes Ergebnis erzielt hatte, ausgeschlossen. Die ÖVP, die gegenüber 2019 mehr als 400.000 Stimmen an die Freiheitlichen verlor, schloss zwar keine Zusammenarbeit mit der FPÖ, aber eine mit Kickl als Person aus.

Bundeskanzler Karl Nehammer nannte als Grund dafür „verschwörungstheoretische“ Positionen, die Kickl vertrete. Als Beispiele dafür nannte er im Wahlkampf Auffassungen, die der FPÖ-Chef zum Weltwirtschaftsforum (WEF) und zur Weltgesundheitsorganisation (WHO) geäußert hatte.

Kickl selbst gab in seinem Pressestatement der Hoffnung Ausdruck, dass vieles an Reaktionen vonseiten der übrigen Parteien „dem ersten Schock nach der Wahl“ geschuldet gewesen sei. Nun setze er auf Einsicht und Bereitschaft zur Zusammenarbeit. Kickl erklärte dazu:

„Unsere Hand ist ausgestreckt. Wir suchen das Miteinander, um in einer sehr schwierigen Situation, die nicht wir verursacht haben, das Beste für die Bevölkerung zu erreichen.“

Kickl sieht Stabilität für Österreich nur in Koalition mit der ÖVP gewährleistet

Am Freitag hatte Kickl als erster Vertreter der im Nationalrat vertretenen Parteien nach der Nationalratswahl Bundespräsident Alexander Van der Bellen in der Hofburg aufgesucht. Es habe ein „atmosphärisch angenehmes und offenes Gespräch“ gegeben, so Kickl. Weiter erklärte der FPÖ-Chef:

„Auch wenn wir des Öfteren unterschiedlicher Meinung sind, habe ich immer offen und direkt mit dem Bundespräsidenten kommuniziert. Dieses Mal bin ich aber nicht mehr als Obmann einer 16-Prozent-Partei in die Hofburg gekommen, sondern als Sprachrohr von mehr als 1,4 Millionen Wählerinnen und Wählern.“

Kickl habe dem Präsidenten seine Interpretationen des Wahlergebnisses erläutert, wonach es „einen Gewinner und nicht viele“ gebe. Zudem habe er deutlich gemacht, dass eine künftige Regierung angesichts der enormen Aufgaben stabil sein müsse.

Diese Stabilität sei dann gegeben, wenn „zwei Parteien mit deutlichem Mandatsüberhang diese Regierung bilden“ und es eine „größtmögliche Übereinstimmung in den verschiedenen Themenfeldern gibt“. Dies träfe im Fall der FPÖ nur mit Blick auf die ÖVP zu. Zudem habe Kickl deutlich gemacht, dass er eine „Koalition der Verlierer für ein ganz fatales Signal an die Wählerinnen und Wähler“ halte.

Ab Montag Gespräche mit übrigen Parteienvertretern

Details über das Gespräch mit dem Bundespräsidenten verriet Kickl nicht. Van der Bellen werde sich „umgehend nach allen Gesprächen mit den Parteispitzen zu Wort melden“. Der Präsident hatte angekündigt, mit allen Vorsitzenden sprechen zu wollen – „mit der nötigen Ruhe und in der nötigen Tiefe“.

Er lege allerdings Wert darauf, dass bei der Regierungsbildung die „Grundpfeiler unserer liberalen Demokratie“ respektiert werden müssten. Neben Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung, Menschen- und Minderheitenrechten betreffe dies auch „unabhängige Medien und die EU-Mitgliedschaft“, so Van der Bellen zum ORF.

Am Montag wird der Bundespräsident mit den Parteichefs von ÖVP und SPÖ, Karl Nehammer und Andreas Babler, sprechen. Einen Tag später empfängt er NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger und den Grünen-Vorsitzenden Werner Kogler. Für Dienstag ist Medienberichten zufolge auch ein informeller Austausch zwischen Nehammer und Babler geplant. Es handele sich dabei aber weder um Sondierungsgespräche noch um Verhandlungen, hieß es aus der SPÖ.

Österreich mit noch stärkerer Wirtschafts- und Schuldenkrise konfrontiert als erwartet

Die künftige Bundesregierung in Österreich wird mit noch größeren Problemen zu kämpfen haben als zuvor bekannt. Erst am Freitag hatten die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute WIFO und IHS ihre Juni-Schätzungen deutlich nach unten korrigiert. Sie rechnen mit einem zweiten Rezessionsjahr in Folge. Außerdem werde das Budgetdefizit zwischen 3,5 und 3,7 Prozent liegen – 0,5 Prozentpunkte höher als ursprünglich prognostiziert.

Als Gründe dafür nennt WIFO-Chef Gabriel Felbermayr rückläufige Geschäftsentwicklungen in der Industrie und am Bau. Dazu komme ein schwacher Konsum. Die Inflation in Österreich ist mittlerweile stabilisiert – die Lebenshaltungskosten waren dort allerdings schon zuvor höher als in vielen anderen EU-Ländern.

Der Bundespräsident ist frei in seiner Entscheidung, wen er mit der Regierungsbeteiligung beauftragt. Üblich ist es, zuerst an den Chef der stimmenstärksten Partei heranzutreten. Allerdings kann der Präsident davon abweichen, wenn er den Eindruck gewinnt, ein anderer Kandidat habe bessere Aussichten auf die Bildung einer stabilen Regierung.

Hofer geht zurück ins Burgenland – SPÖ: „Kickl hat ihn zwangsversetzt“

Das Amt des Nationalratspräsidenten beansprucht die FPÖ ebenfalls. Allerdings steht ihr der aussichtsreichste Kandidat nicht mehr zur Verfügung. Der bereits zuvor im Präsidium vertretene ehemalige Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer erklärte jüngst, im Januar als Spitzenkandidat der burgenländischen FPÖ zur Landtagswahl anzutreten. Damit wird er den mit absoluter Mehrheit regierenden SPÖ-Landeshauptmann Hans Peter Doskozil herausfordern.

Hofer äußerte zu der Entscheidung, ihm sei „das Burgenland wichtiger“. Er werde 2028 auch nicht zur Bundespräsidentenwahl antreten. Bei der Nationalratswahl war die FPÖ dort überraschend stärkste Kraft geworden. SPÖ-Landtagsklubchef Roland Fürst hingegen wirft der Partei vor, diese missbrauche das Land als „Job-Laufhaus“. Hofer, den die Burgenländer in den Nationalrat gewählt hätten, sei von Kickl „nun brutal zwangsversetzt“ worden.´

Als mögliche Kandidaten der FPÖ für den Posten des Nationalratspräsidenten gelten nun unter anderem Ex-Präsidentschaftskandidat Walter Rosenkranz oder die oberösterreichische Abgeordnete Susanne Fürst.



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