Österreich: Erste Landes-Spitzenpolitiker wollen Russland-Sanktionen „überdenken“
Katastrophale Umfragewerte und steigender Unmut in der Bevölkerung über die extreme Teuerung, vor allem im Energiebereich, lässt die ersten Spitzenpolitiker in Österreichs konservativer Regierungspartei ÖVP an der Kosten-Nutzen-Relation der EU-Sanktionen gegen Russland zweifeln. Der Landeshauptmann von Oberösterreich, Thomas Stelzer, und Tirols Wirtschaftslandesrat Anton Mattle forderten in den vergangenen Tagen ein „Nachdenken“ über die Maßnahmen infolge der russischen Militäroperation in der Ukraine.
Sanktionen gegen Russland sollen „den Frieden erzwingen“
In der „Kleinen Zeitung“ rechtfertigte Stelzer am Freitag (19.8.) zwar grundsätzlich die Verhängung von EU-Sanktionen, um „den Frieden zu erzwingen“. Immerhin, so Stelzer, sei Russlands Präsident Wladimir Putin ein Staatenlenker, der „einen Krieg vom Zaun bricht, Städte bombardiert, Menschen abschlachten und in Massengräben verscharren lässt“.
Allerdings seien die Sanktionen „nicht in Stein gemeißelt“ und müssten immer auf die Frage überprüft werden: „Dienen sie hauptsächlich der Friedenserreichung oder schaden sie uns in der Mehrheit schon selber?“
Da die Heizperiode noch nicht angebrochen sei, sieht Stelzer die Gesamtsituation „noch in einer guten Balance“. Allerdings sollten langsam, aber sicher „Fortschritte in Richtung Friedenserreichung gemacht werden“. Bevor es zu einer Situation komme, in welcher „der soziale Ausgleich ins Wanken kommt“, müsse man „natürlich darüber nachdenken, ob diese oder jene derzeit wirksame Sanktion weiterbetrieben wird oder ob die Treffsicherheit noch verbessert werden muss“.
ÖVP im Bund will grünen Partner nicht verärgern
Seine Zustimmung zu den Ausführungen Stelzers brachte Tirols ÖVP-Chef und Wirtschaftslandesrat Anton Mattle einem Bericht des „exxpress“ zufolge zum Ausdruck. Er erklärte, eine Evaluierung der Sanktionen gegen Russland werde „im Rahmen der Staats- und Regierungschefs“ immer möglich sein. Allerdings dürfe man sich „innerhalb der Europäischen Union auch in der Krise nicht auseinanderdividieren lassen“ und die Frage müsse „auf europäischer Ebene gemeinsam mit unseren Partnern“ gelöst werden.
Die Bundes-ÖVP versucht unterdessen noch, den Grünen Koalitionspartner nicht zu irritieren, in dessen Reihen man nach wie vor von einem baldigen Zusammenbruch der russischen Wirtschaft überzeugt ist. Wenn man zusammenstehe, so äußerte Oberösterreichs Grünen-Landessprecher Stefan Kaineder, werde Wladimir Putin „seinen Krieg“ verlieren.
In der Volkspartei betont man ebenfalls, man stehe hinter den EU-Sanktionen. Wenn man dem „militärischen Angriffskrieg“ Putins gegen die Ukraine nichts entgegensetze, würden man „das Signal senden, dass Völkerrechtsbruch toleriert wird”, heißt es in einer Erklärung. Allerdings müssten die Sanktionen regelmäßig evaluiert werden und es bleibe „oberste Prämisse, dass Sanktionen einem selbst nicht mehr schaden dürfen als jenem, gegen den sie verhängt werden”.
Der außenpolitische Sprecher der FPÖ, Axel Kassegger, sieht den Kurs seiner Partei hingegen bestätigt: „Es war uns Freiheitlichen sofort klar, dass diese Sanktionspakete nur Schüsse in das eigene Knie bedeuten können.“
Experte rechnet mit zweistelliger Inflation in Österreich
Unterdessen hat Statistik Austria ihre aktuellen Zahlen zur Entwicklung der Teuerung bekannt gegeben. Wie „oe24“ berichtet, sei im Juli in Österreich mit 9,3 Prozent die höchste Inflation seit 1975 gemessen worden.
Beim wöchentlichen Einkauf spürten die Österreicher hingegen längst eine zweistellige Inflation. Der sogenannte Mini-Warenkorb, bei dem vor allem die Preise für Lebensmittel und Energie ins Gewicht fielen, habe sich sogar um 19,1 Prozent verteuert.
Josef Baumgartner vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) erwartet für Herbst noch einen weiteren Inflationsschub, der die Teuerung auch insgesamt in den zweistelligen Bereich bringen werde. Eine Entspannung erwartet er, wie er gegenüber dem „Standard“ erklärt, erst gegen Ende 2023.
Dieser Artikel erschien zuerst in der Wochenzeitung Ausgabe 59 am 27. August 2022. >>> Shop
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