Österreich: „Brandmauer“ gefallen – Regierung könnte noch im Januar stehen
Die politischen Veränderungen in Österreich und auch in anderen Teilen Europas führen zu Sorgen in der hohen deutschen Politik. Zu groß sind die Ängste vor einem Präzedenzfall und die Bundestagswahlen in Deutschland rücken mit großen Schritten näher. Derweil einigen sich FPÖ und ÖVP auf ein erstes Sparpaket von 6,4 Milliarden Euro – unter anderem um ein Defizitverfahren der EU zu verhindern – über welches am 21. Januar entschieden wird. Mit dabei, Einsparungen in den Ministerien von 1,1 Milliarden und 3,2 Milliarden Euro bei den Förderungen, voraussichtlich auch beim Klimabonus.
Kickl: Nur drei Tage statt 100
Mit Verweis auf die vorangegangenen Koalitionsgespräche von ÖVP, SPÖ und NEOS sagte FPÖ-Chef Herbert Kickl kürzlich im Auditorium des Wiener Parlaments in einem gemeinsamen Auftritt mit dem geschäftsführenden ÖVP-Obmann Christian Stocker: „Was in anderer Konstellation in 100 Tagen nicht möglich war, haben wir in drei Tagen guter, intensiver Verhandlungen erreicht.“
Wie der „Kurier“ berichtete, wolle Kickl keine Anhebung von Massensteuern, wie Vermögens-, Mineralöl- und Körperschaftssteuern. Kickl betonte, dass, wer behaupte, dass es mit neuen Steuern besser gehe, sei „kein Arzt, der Österreich kuriert, sondern ein Scharlatan“.
Stattdessen sollen „Steuerprivilegien und -Schlupflöcher“ geschlossen werden. Kickl sprach bei dem Sparpaket von einem „Feuerwehreinsatz“, damit Österreich „eigenständig seine Zukunft gestalten kann“ – ohne Hilfe aus Brüssel.
In österreichische Medien kursieren auch schon Namen einer möglichen neuen Regierung. Neben Kickl als Kanzler könnte Susanne Fürst, die Nummer Zwei in der Partei, das Innenministerium leiten. Als Kanzleramtsminister sei Reinhard Teufel im Gespräch, der FPÖ-Klubobmann in Niederösterreich. Das Verteidigungsministerium wird wohl mit Klaudia Tanner in der Hand der ÖVP bleiben.
Koalition könnte bereits Ende Januar stehen
Jüngste Meldungen deuten ein erfolgreiches Ende der Koalitionsgespräche bereits in einem Monat an, vielleicht sogar schon Ende Januar. Allerdings müsse noch eine offizielle Reaktion der EU-Kommission auf den Sparplan abgewartet werden. Derzeit werden nach der Grundsatzeinigung bereits die Details des Sparpaketes zwischen den beiden österreichischen Parteien ausgehandelt.
Allerdings fürchten nun Vertreter des Gesundheitssystems von den Einsparungen betroffen zu sein. Johannes Steinhart, Präsident der Österreichischen Ärztekammer, fordert, dass die Gesundheitsversorgung „nicht unter die Räder der Budgetsanierung“ komme dürfe, so der „Kurier“.
Österreich pendelt sich ein
Nach dem Ausstieg der NEOS aus den Koalitionsverhandlungen mit ÖVP und SPÖ sowie dem nachfolgenden Scheitern einer Einigung der beiden größeren Parteien trat Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) kurzerhand zurück – auch von der Parteispitze der ÖVP.
Infolgedessen beauftragte Bundespräsident Alexander Van der Bellen den eigentlichen Wahlsieger der Nationalratswahlen vom 29. September, Kickl, mit der Regierungsbildung. Kickl nahm das Mandat an und eröffnete damit die Möglichkeit einer FPÖ-Kanzlerschaft – erstmals in der Geschichte Österreichs.
Nehammers Abgang
Während Nehammer kategorisch eine Zusammenarbeit mit der FPÖ ausgeschlossen hatte, änderte die ÖVP unter Stocker ihren Kurs. Sie signalisiert nun Bereitschaft zu Koalitionsgesprächen mit der FPÖ. Trotz früherer Kritik an Kickl – den Stocker als „Sicherheitsrisiko“ bezeichnete – erklärte er nach einem Beschluss der Parteiführung: „Wenn wir zu Gesprächen eingeladen werden, werden wir dieser Einladung folgen.“
Für Bundespräsident Van der Bellen stand bei seiner Entscheidung, Kickl mit der Regierungsbildung zu beauftragen, die Stabilität des Landes im Vordergrund. Die neue politische Lage führte jedoch zu starken Reaktionen: SPÖ-Chef Andreas Babler kritisierte die ÖVP, sie habe „Parteitaktik und Klientelpolitik über die Stabilität unseres Landes gestellt“. Grünen-Chef Werner Kogler sprach von einer „gigantischen Wählertäuschung“ und nannte die ÖVP einen „Steigbügelhalter für Kanzler Kickl“.
Der FPÖ-Chef signalisierte unterdessen Bereitschaft zu Koalitionsgesprächen mit der ÖVP und präsentierte eine umfassende Themenliste, die unter anderem eine härtere Asylpolitik als zentrale Forderung enthält und ein „Nein zu Zensur, Woke- und Genderdiktaten“.
ÖVP durch „Brandmauer“-Strategie zum Juniorpartner
Rückblickend zeigt sich, dass die „Brandmauer“-Strategie der ÖVP gegenüber der FPÖ gescheitert ist. Tatsächlich hatte die ÖVP auf Bundesebene ohnehin schon dreimal mit der 1955 gegründeten FPÖ koaliert – selbst die SPÖ tat dies zweimal.
Nun jedoch droht der ÖVP der Rollentausch: „Die ÖVP wird als Juniorpartner den Führungsanspruch von Kickl zu spüren bekommen. Sie braucht sich da keine Illusionen zu machen“, erklärte Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) in einem Interview.
Deutsche Sorgen nach Österreichs „Mauerfall“
In Teilen der deutschen Politik wird der „Mauerfall“ der ÖVP mit Besorgnis betrachtet. SPD-Fraktionsvize Achim Post forderte von der CDU eine „klare Abgrenzung von dem Verhalten der österreichischen Konservativen“ und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) warnte indirekt die Union davor, „was passiert, wenn man nicht mehr bündnisfähig ist“.
Eine Koalition mit der AfD schloss Merz auch dieser Tage erneut kategorisch aus. Eine Zusammenarbeit unter seiner Führung werde es nicht geben, so Merz. Als Gründe gegen die AfD sagte er, dass sie nicht nur ausländerfeindlich und antisemitisch sei, Rechtsradikale und Kriminelle in ihren Reihen halte, mit „Russland liebäugle“ und aus der EU und der NATO austreten wolle.
AfD-Chefin Alice Weidel verwies hingegen darauf, dass die „Probleme unseres Landes gelöst werden“ müssten.
Aktuelle INSA-Umfragen zeigen die AfD bei der Sonntagsfrage in Deutschland bei 22 Prozent zwar deutlich hinter der Union mit 31 Prozent liege – aber dennoch auf Platz zwei in der Wählergunst. Ob sich nach der Bundestagswahl am 23. Februar die Entwicklungen in Österreich als Modell für Deutschland erweisen, bleibt abzuwarten.
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