Notstandsgesetz in Ungarn: EU-Kommission greift nicht ein

Die EU-Kommission greift vorerst nicht in die politischen Angelegenheiten Ungarns ein – trotz Kritik aus anderen Mitgliedstaaten. Die Kommission will aber die Lage weiterhin „genau beobachten“.
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Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán (Mitte) antwortet einem Vertreter des ungarischen Parlaments während der Plenarsitzung in Budapest, am 27. April.Foto: TAMAS KOVACS/POOL/AFP über Getty Images
Von 30. April 2020

Trotz internationaler Kritik am ungarischen Notstandsgesetz in der Corona-Krise will die EU-Kommission vorerst nicht einschreiten. Das geht aus internen Informationen hervor, welche der „Welt“ vorliegen. Die Bestätigung kam von Kommissionsvizepräsidentin Vera Jourova am Mittwoch (29.4.).

Nach Auswertung der Pandemie-Notstandsgesetze in den betroffenen EU-Ländern kommen die Rechtsexperten der Kommission nach Informationen der „Welt“ zur Bewertung, dass sich im Fall Ungarns derzeit keine konkreten Ansatzpunkte für die Verletzung demokratischer Grundrechte ergeben. Daher werde Brüssel keine Gegenmaßnahmen ergreifen.

„Wir sind besorgt über die Notstandsgesetzgebung in Ungarn und werden genau beobachten, wie die ungarische Regierung in den kommenden Monaten die Maßnahmen in der Praxis anwenden wird“, zitiert die „Welt“ informierte Kreise der EU-Kommission.

Zudem wurde darauf verwiesen, dass mehrere EU-Länder, wie beispielsweise Frankreich oder Rumänien, ebenfalls starke Einschränkungen von Grundrechten beschlossen hätten.

Genaue Beobachtung durch die EU-Kommission

Die Kommission werde aber weiterhin die politische Lage in Ungarn beobachten, denn Teile der ungarischen Notstandsgesetzgebung seien „sehr vage“ formuliert. Dazu gehören zum Beispiel die hohen Haftstrafen für die Verbreitung von Falschinformationen.

Dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ („RND“) zufolge habe die Kommissionsvizepräsidentin das ungarische Gesetz ausführlich analysiert und sehe im Text selbst keinen Anlass für ein Vertragsverletzungsverfahren. Grund zur Sorge gebe es aber dennoch, und zwar wegen der „Gewaltenteilung“ in Ungarn, so „RND“ weiter. Deshalb werde sie die Lage in dem EU-Staat sehr intensiv und „proaktiv“ beobachten.

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán hatte sich Ende März vom Parlament weitreichende Vollmachten erteilen lassen.

Laut „Welt“ kamen Rechtsexperten der Kommission zu dem Schluss, dass es keine konkreten Anhaltspunkte für die Verletzung demokratischer Grundrechte in Ungarn gebe. Das Europaparlament hatte die EU-Kommission Mitte April aufgefordert zu prüfen, ob die ungarischen Sofortmaßnahmen den EU-Verträgen entsprächen und andernfalls dagegen vorzugehen.

Justizministerin Ungarns bestätigt die Entscheidung

Ungarns Justizministerin Judit Varga begrüßte zwar die Entscheidung der EU-Kommission, betonte aber gleichzeitig, dass die Angriffe im Nachhinein „unglaubwürdig und durchsichtig“ erscheinen.

Unabhängig von der Entscheidung hätten diese Angriffe viel Schaden angerichtet und gemeinsame Energien abgelenkt, während man „alle brauchen würde in der Verteidigung“, schreibt sie auf Facebook. „In diesen schweren Zeiten gibt es keinen anderen Weg als der Zusammenhalt“, betonte die Ministerin.



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