Nordkorea feuert rund 200 Granaten ab, Südkorea evakuiert Insel
Nordkoreas Militär hat nach südkoreanischen Angaben nahe der umstrittenen Seegrenze zwischen den beiden verfeindeten Staaten mehr als 200 Artilleriegeschosse abgefeuert. Die Geschosse seien nördlich der Seegrenzlinie ins Gelbe Meer gefallen, teilte der Generalstab in Südkorea mit. Die Granaten hätten keine Schäden angerichtet.
Südkorea hat die Evakuierung der Insel Yeonpyeong angeordnet. Es handele sich um eine „präventive Maßnahme“, sagte ein Vertreter des südkoreanischen Verteidigungsministeriums bei einer Pressekonferenz. Die Insel, die nur rund zehn Kilometer vor Nordkorea liegt, war bereits 2010 Ziel eines Angriffs der nordkoreanischen Artillerie gewesen. Vier Menschen wurden damals getötet.
Laut der südkoreanischen Nachrichtenagentur „Yonhap“ hatten die Streitkräfte Südkoreas und der USA am Donnerstag nahe der Grenze zu Nordkorea ebenfalls eine Artillerieübung begonnen.
Nordkoreanische Staatsmedien hatten zuvor gemeldet, Machthaber Kim Jong Un habe bei einem Fabrikbesuch zu einer Ausweitung der Produktion von Raketenwerfern aufgerufen – in Vorbereitung einer „militärischen Machtprobe“ mit Südkorea und den USA.
Keine Vereinigung mit Südkorea mehr angestrebt
Der nordkoreanische Machthaber Kim Jong Un hat gefordert, die Kriegsvorbereitungen seines Landes zu „beschleunigen“. Dies gelte auch für das nordkoreanische Atomprogramm, meldete die staatliche Nachrichtenagentur KCNA am Donnerstag.
Kim äußerte sich auf einem wichtigen Jahresendtreffen der in Nordkorea herrschenden Arbeiterpartei. Während der Parteitagung erklärte er, sein Land strebe nicht mehr die Vereinigung mit dem südlichen Nachbarn an.
Wir sollten nicht noch einmal den Fehler machen, sie als Gegenüber für Aussöhnung und Vereinigung anzusehen, da Südkorea uns zu seinem Hauptfeind erklärt hat.“
Völkerrechtlich befinden sich Süd- und Nordkorea weiterhin im Krieg, der zwischen 1959 und 1953 ausgetragen wurde. Nordkorea-Experte Park Young Ho, der zuvor beim südkoreanischen Institut für Nationale Vereinigung forschte, erklärt dazu:
Es ist das erste Mal, dass Nordkoreas Führung öffentlich erklärt hat, dass es unmöglich ist, die Vereinigung zu erreichen.“
Das diesjährige Parteitreffen findet zum Abschluss eines Jahres statt, in dem Nordkorea erfolgreich einen Spionagesatelliten lanciert, seinen Status als Atommacht in der Verfassung verankert und seine bislang modernste ballistische Interkontinentalrakete gestartet hat.
Der Machthaber des kommunistischen Landes, welcher Russland und China nahe steht, hatte vergangene Woche mit einem Atomwaffenangriff gedroht, sollte sein Land „mit Atomwaffen provoziert“ werden.
Die Antwort darauf war eine Warnung: USA und Südkorea erklärten, ein nuklearer Angriff Nordkoreas hätte das Ende der Führung in Pjöngjang zur Folge. Der UN-Sicherheitsrat hat wegen des nordkoreanischen Atomwaffen- und Raketenprogramms zahlreiche Sanktionen gegen das Land verhängt.
Das Gebiet um die Seegrenze ist in der Vergangenheit wiederholt Schauplatz von Gefechten zwischen Kriegsschiffen beider Länder gewesen. Die sogenannte Nördliche Grenzlinie (NLL) wird von Nordkorea nicht anerkannt. Die Grenzlinie wurde nach dem Korea-Krieg (1950-53) einseitig von einem UN-Kommando gezogen, um Feindseligkeiten zwischen beiden Seiten zu verhindern.
Atomreaktor beobachtet
An der nordkoreanischen Atomanlage Yongbyon ist nach Angaben der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) offenbar ein zweiter Reaktor in Betrieb genommen worden. Es sei beobachtet worden, dass warmes Wasser aus ihm austritt, teilte die IAEA am Donnerstagabend mit. Dies deute darauf hin, dass der Leichtwasserreaktor Kritikalität erreicht habe. Kritikalität bezeichnet beim Betrieb eines Atomreaktors nach Angaben von Fachleuten den Zustand, in dem sich eine nukleare Kettenreaktion selbst aufrechterhält.
Yongbyon liegt etwa 100 Kilometer nördlich von Pjöngjang und ist der wichtigste Nuklearkomplex Nordkoreas. Dort ist der erste Atomreaktor des Landes untergebracht. Er ist die einzige bekannte Quelle für die mögliche Erzeugung von Plutonium für Nordkoreas verbotenes Waffenprogramm.
Seit Nordkorea die IAEA-Fachleute 2009 ausgewiesen hat, ist der UN-Organisation der Zugang zu dem international weitgehend isolierten Land verwehrt. Seitdem stützt sich die IAEA bei der Überwachung hauptsächlich auf Satellitenbilder.
Ohne Zugang zu der Anlage könne die IAEA deren Betriebsstatus nicht bestätigen, sagte IAEA-Direktor Rafael Grossi. Er betonte, dass der „Bau und Betrieb“ des Leichtwasserreaktors gegen die Resolutionen des UN-Sicherheitsrates verstoße und „zutiefst bedauerlich“ sei.
Der Leichtwasserreaktor könne wie jeder Atomreaktor in seinen bestrahlten Brennelementen Plutonium produzieren, das bei der Wiederaufbereitung abgetrennt werden könne. Dies gebe „Anlass zur Sorge“, sagte Grossi. Plutonium spielt eine wichtige Rolle beim Bau von Atomwaffen. Es wird vermutet, dass Plutonium bei der Wiederaufbereitung von abgebrannten Brennstäben gewonnen wird, die aus dem ersten Kernreaktor in Yongbyon stammen.
Nordkorea beliefert Russland mit Raketen
Kurz zuvor hatte die US-Regierung mitgeteilt, Nordkorea habe kürzlich ballistische Raketen und Raketenwerfer an Russland geliefert, von denen einige bei den jüngsten Angriffen auf die Ukraine eingesetzt worden seien.
Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats im Weißen Haus, John Kirby, sagte am Donnerstag, einige der Raketen und Raketenwerfer seien bei Angriffen am 30. Dezember und 2. Januar eingesetzt worden. Kirby nannte dies eine „bedeutsame und Besorgnis erregende Eskalation“ im Ukraine-Konflikt.
Die USA und ihre Verbündeten würden die Angelegenheit nun im UN-Sicherheitsrat auf den Tisch bringen, kündigte Kirby an. Die nordkoreanischen Waffenlieferungen an Russland stellten eine Verletzung der gegen das ostasiatische Land verhängten UN-Sanktionen dar, betonte er.
Laut Kirby wurde eine der nordkoreanischen Raketen am 30. Dezember auf die Südukraine abgefeuert. Das Geschoss sei in einem freien Feld in der Region Saporischschja gelandet. Am 2. Januar hätten die russischen Streitkräfte gleich „mehrere“ nordkoreanische Raketen bei massiven Luftangriffen eingesetzt.
Bereits in den vergangenen Monaten berichtete die USA von nordkoreanischen Rüstungslieferungen an Russland. Im Oktober teilte Kirby mit, dass Nordkorea „mehr als 1000 Container“ mit militärischer Ausrüstung und Munition für den Krieg gegen die Ukraine geliefert habe. Im Gegenzug erwarte das international isolierte Nordkorea Rüstungs- und Technologielieferungen von Russland, sagte Kirby damals.
Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un war im September mit Kreml-Chef Wladimir Putin im Fernen Osten Russlands zusammengetroffen. Russland verbraucht in seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine riesige Mengen an Waffen und Munition und kommt Experten zufolge mit deren Produktion im eigenen Land nicht hinterher.
(afp/red)
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