Nordeuropa arbeitet an NATO 2.0 – Litauen kann schon deutsche Kampfbrigade kaum bezahlen

Dass die Staaten Nordeuropas eine Art NATO 2.0 planen – mit stärkerer Einbindung der USA – ist Insidern schon seit Jahren bekannt. Die Finanzierung könnte jedoch zur Herausforderung werden: Litauen ist bereits mit der deutschen Kampfbrigade überfordert.
Die Flagge der Nato: In einer gemeinsamen Erklärung aller 31 Nato-Staaten heißt es, man verurteile Russlands Austritt.
Eine Art NATO 2.0 entsteht schon seit Längerem in NordeuropaFoto: Daniel Naupold/dpa
Von 21. Dezember 2023

Bereits Mitte der 2010er-Jahre war aus Kreisen US-amerikanischer Militärnachrichtendienste zu erfahren, dass es in Nordeuropa Ambitionen in Richtung einer Art NATO 2.0 gebe. Diese sollte dem wiederentdeckten Feindbild Russland entgegenwirken und gleichzeitig unsichere Kantonisten wie Deutschland, Frankreich oder die Türkei umgehen. Nun soll das Projekt offenbar Gestalt annehmen – doch Partner Litauen droht bereits jetzt finanziell die Luft auszugehen.

Putin reagiert auf Entwicklung in Nordeuropa mit Bildung eines „Militärbezirks Leningrad“

Am Montag, 18.12., hatte das erst vor wenigen Monaten der NATO beigetretene Finnland ein neues Militärabkommen mit den USA verkündet. Dieses eröffnet den USA einen Zutritt zu 15 Militärbasen im Land.

Russlands Präsident Wladimir Putin äußerte Unverständnis über den Schritt. Er verwies darauf, dass alle Differenzen mit Finnland, darunter auch solche über Grenzfragen, bereits im 20. Jahrhundert geklärt worden seien.

„Es gab keine Probleme, aber jetzt wird es welche geben“, kündigte Putin an. Als Reaktion auf den Schritt werde die Russische Föderation den „Militärbezirk Leningrad“ in der Grenzregion bilden. Dort werde man „definitiv militärische Einheiten konzentrieren“, erklärte der Präsident gegenüber dem „Kanal 1“ des staatlichen russischen Fernsehens.

Dänemark strebt ähnliches Militärabkommen an

Schweden hatte einen ähnlichen Schritt wie Finnland bereits vor einigen Monaten angekündigt. Das Land hat einen NATO-Beitrittsantrag gestellt – allerdings ist dieser bisher nicht von allen Mitgliedstaaten ratifiziert. Ungarn und die Türkei sehen hinsichtlich eines solchen Schrittes keine gebotene Eile.

Am Mittwoch kündigte auch Dänemark an, ein Abkommen mit den USA schließen zu wollen, das diesen auch dort erleichterten Zutritt zu Militärbasen ermöglichen würde. Wie „Bild“ berichtet, will auch die Ampelregierung verstärkt in die Aufrüstung der Bundeswehr investieren. Über mehrere Parteien hinweg wächst die Sorge, dass die Europäer bei ihrer Konfrontationspolitik gegen Russland ihre Kräfte überschätzt haben könnten. FDP-Sprecher Marcus Faber erklärte:

„Wir sind kurzfristig auf die Unterstützung aus den USA angewiesen, sowohl was Ausrüstung der Bundeswehr angeht als auch was die Ukraine angeht, weil die Produktionskapazitäten bei uns nicht ausreichend vorhanden sind.“

Auch Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius forderte jüngst, dass Deutschland innerhalb von fünf bis acht Jahren „kriegstüchtig“ und verteidigungsfähig werden müsse.

Aufbau einer NATO 2.0 in Nordeuropa schon vor Ukraine-Konflikt im Gespräch

Die nordeuropäischen Strukturen, die sich zunehmend zu einer Art NATO 2.0 zusammenfinden, sind nicht erst kurzfristig entstanden. Bereits in den 2010er-Jahren und sogar vor dem Ukraine-Konflikt 2013 hatten nordeuropäische Staaten, darunter auch ehemals neutrale, ihre militärische Kooperation mit den USA ausgebaut.

Aus Sicht US-amerikanischer Strategen war eine Entwicklung in Richtung einer „Koalition der Willigen“ erwünscht. In Deutschland wäre eine massive Stärkung der NATO noch in der Schröder-Ära politisch kaum mehrheitsfähig gewesen. Vor allem der Irakkrieg hatte auch die Beziehungen zu den USA stark belastet.

Dazu kamen weitere NATO-Mitglieder wie Frankreich oder die Türkei. Diese betrachteten eine Weiterentwicklung des westlichen Bündnisses hin zu einer stärkeren hegemonialen Ausrichtung, wie sie der Kosovo-Krieg und der Afghanistan-Einsatz andeuteten, ebenfalls kritisch.

Liberale und neokonservative Kräfte in den USA sahen in dem Bündnis hingegen eine Chance, westliche Vorstellungen in verstärktem Maße weltweit voranzubringen. Notfalls auch durch militärische Interventionen. Dies traf sich mit den Interessen der EU, die weltweit eine stärkere Geltung beanspruchte, und jenen nord- und osteuropäischer Länder mit starken Ressentiments gegen Russland.

Widerstand gegen „endlose Kriege“ in den USA immer stärker

Unterdessen scheint der Ausbau der NATO 2.0 kein Selbstläufer zu sein. In den USA selbst stößt der Gedanke an weitere Militärinterventionen zunehmend auf Widerstand. Sogar weltweit engagierte Förderer linksliberaler Vorstellungen wie der US-Milliardär George Soros bauen mittlerweile Think-Tanks zum „Ende der endlosen Kriege“ auf. Sollte im nächsten Jahr Donald Trump erneut zum US-Präsident gewählt werden, steht auch die Stärkung des europäischen NATO-Flügels infrage.

Dazu kommen Liquiditätsengpässe ausgerechnet bei einigen der engagiertesten Verfechter einer antagonistischen Politik gegenüber Russland. So berichtete der „Spiegel“ jüngst über eine vertrauliche Korrespondenz zwischen der deutschen Botschaft in Vilnius und der Bundesregierung.

Darin äußert deren Militärattaché, dass die geplante dauerhafte Stationierung einer deutschen Kampfbrigade in Litauen ein „gewaltiges finanzielles Problem“ darstelle. „Hinter vorgehaltener Hand“ würden „in litauischen Regierungskreisen Finanzierungssorgen im Zusammenhang mit der Stationierung einer deutschen Brigade“ geäußert.

Deutschland müsste Infrastruktur für Truppen weitgehend selbst bezahlen

Die Litauer seien davon überzeugt, ausschließlich für militärische Infrastruktur aufkommen zu müssen. Bei Wohnquartieren für Bundeswehrkräfte würden sie sich nur „anteilig“ beteiligen, da die Einrichtungen für die Deutschen „deutlich“ über dem Standard für litauische Soldaten lägen.

Nicht zuständig sehen sich die Litauer demnach für den Bau von Schulen und Kindergärten. „Abgesehen von Grund und Boden, den man zur Verfügung stellen würde, so hört man in Vilnius, seien diese Baukosten zu 100 Prozent von Deutschland zu finanzieren“, heißt es in dem Papier vom November.

Das interne Schreiben ist nicht nur ans Außenamt gerichtet. Der Verfasser bittet ausdrücklich darum, seinen Bericht umgehend dem Generalinspekteur der Bundeswehr, allen wichtigen Abteilungsleitern im Wehrressort sowie der „Gruppe 23“ im Bundeskanzleramt vorzulegen. Diese bearbeitet dort alle Themen rund um die Bundeswehr. Das Dokument endet mit der Prognose:

„Auf Deutschland kommen hinsichtlich der Finanzierung von Infrastruktur in Litauen schwierige Verhandlungen zu.“

Am Montag unterschrieben Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und sein litauischer Amtskollege Arvydas Anušauskas einen Fahrplan für die dauerhafte Stationierung einer deutschen Kampfbrigade in Litauen. Bis zum Jahr 2027 soll der rund 5.000 Soldaten starke Verband einsatzfähig sein.

(Mit Material von dts)



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