Noch mehr Milliarden für „klimafreundliche“ Industrie?
Die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat am 1. Februar 2023 ihren Plan vorgestellt, mit dem die Industrie in der EU sauberer und die internationale Wettbewerbsfähigkeit vergrößert werden soll.
Es müsse etwas getan werden, um Unternehmen in der EU davon abzuhalten, mit ihren Industrieanlagen ins nichteuropäische Ausland abzuwandern, warnte von der Leyen. Andernfalls stünden Arbeitsplätze auf dem Spiel.
Ihr „Green Deal Industrial Plan“ kann als Reaktion auf den „Inflation Reduction Act“ der Vereinigten Staaten von Amerika verstanden werden. Mit diesem Steuerreformpaket beabsichtigt die Regierung Biden, innerhalb der nächsten zehn Jahre 370 Milliarden Dollar – zurzeit etwa 340 Milliarden Euro – in „grüne“ Technologien zu stecken. Auch China hatte angekündigt, mehr als 280 Milliarden Dollar für ein ähnliches Programm auf den Weg zu bringen.
Die Kosten des „Green Deal Industrial Plans“ für die EU-Steuerzahler bezifferte von der Leyen nicht genau. Sie sprach lediglich von „hunderten Milliarden“ Euro, die sie für die „Rettung“ des Industriestandorts Europa ausgeben wolle.
Kommt demnächst ein „Souveränitätsfonds“?
Geld für den „klimafreundlichen“ Umbau der Industrie liege bereits in anderen Geldtöpfen bereit, sagte von der Leyen. So seien noch etwa 250 Milliarden Euro aus einem EU-Plan für saubere Energien vom Mai 2022 vorhanden. Zudem könne man auch „ungenutzte Mittel aus dem Corona-Hilfstopf“ verwenden, schlug von der Leyen nach Informationen des „manager magazins“ vor. „Im Moment müssen wir mit dem arbeiten, was wir gerade haben“, sagte von der Leyen.
Für Mitte 2023 kündigte sie allerdings einen neuen „Souveränitätsfonds“ an.
Erleichterungen für die Wirtschaft
Der „Green Deal Industrial Plan“ sieht mehrere Hebel vor, die den EU-Mitgliedsstaaten möglichst bald erlaubt werden sollen. Die wichtigsten:
- Schnellere Genehmigungen für den Bau „klimafreundlicher“ Produktionsanlagen, speziell zugunsten von CO2-Speichern, erneuerbaren Energien und für die Wasserstoffproduktion
- Forcierung von Handelsabkommen zur Sicherung von Rohstoffen
- Steuersenkungen für Unternehmen
- Subventionen für Unternehmen
Zunächst solle bis Ende 2025 das EU-Subventionsrecht gelockert werden, fordert von der Leyen: „Fördermittel für die klimaneutrale Industrie“ sollten für mehr Technologien als bisher gewährt werden dürfen, außerdem länger und reichlicher fließen – allerdings nur befristet und auf bestimmte Gebiete begrenzt. „Wir brauchen diesen ersten Finanzierungsschritt jetzt, also können wir nicht zu lange warten“, sagte von der Leyen laut „Tagesschau“.
Weitere Informationen zum „Green Deal Industrial Plan“ finden Sie auf den Webseiten der Europäischen Kommission.
Volle Zustimmung von Habeck
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bezeichnete von der Leyens Vorschlag nach Informationen der „Tagesschau“ als „sehr gut“. „Wir brauchen vor allem schnellere Verfahren und bessere Möglichkeiten zur Förderung der grünen Technologien der Zukunft“, habe Habeck der Kommissionspräsidentin beigepflichtet. „Das muss innerhalb von einem halben Jahr durchgeführt werden – längstens“, forderte Habeck laut „manager magazin“.
Nicht alle zufrieden vor dem EU-Gipfel
Der EU-Abgeordnete Rasmus Andresen (Grüne) sagte, von der Leyens Pläne kämen reicheren Ländern wie Deutschland und Frankreich „extrem“ entgegen, „sehr vielen anderen Staaten“ aber würden sie „eigentlich überhaupt nicht“ helfen, so die „Tagesschau“. Das könne zu mehr Ungleichheit in der Staatengemeinschaft führen.
Markus Ferber, der wirtschaftspolitische Sprecher der konservativen EVP-Fraktion im EU-Parlament, habe von einer „erwartbar enttäuschend[en]“ Idee gesprochen.
Am 9. und 10. Februar steht eine Debatte um den „Green Deal Industrial Plan“ auf der Tagesordnung des EU-Gipfels in Brüssel.
Konter zum „Inflation Reduction Act“ der USA
Der „Inflation Reduction Act“ ist Teil eines Steuerreformpakets, das den Zweck verfolgt, die Erholung der US-Wirtschaft nach der Corona-Krise zu flankieren. Gleichzeitig soll es die USA vor den Auswirkungen der Energiekrise schützen und die Inflation bändigen. US-Präsident Joe Biden hatte es im August 2022 unterschrieben.
Für Bundeswirtschaftsminister Habeck ist der „Inflation Reduction Act“ nach Informationen des „manager magazins“ ein „Ansporn für Europa, sich jetzt mächtig ins Zeug zu legen und schneller und besser bei der Förderung der grünen Technologien zu werden“.
Hamburger Forscher beerdigen 1,5-Grad-Ziel
Das über allem schwebende Vorhaben, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, ist nach einer aktuellen Studie von rund 60 interdisziplinär forschenden Sozial- und Naturwissenschaftlern unrealistisch. Das geht nach Informationen der „Zeit“ aus dem gerade vorgestellten „Hamburg Climate Futures Outlook 2023“ (PDF-Datei in englischer Sprache) hervor.
„Verfehlen wir die Klimaziele, wird es umso wichtiger, sich an die Folgen anzupassen“, sagte die Soziologin Anita Engels, die Leiterin des Exzellenzclusters „Klima, Klimawandel und Gesellschaft“ (CLICCS).
„Vor allem das Verhalten von Konsumenten und Unternehmen“ habe das ursprüngliche Ziel unerreichbar gemacht. Der „soziale Wandel“ sei aber die „entscheidende“ Größe. Dabei spiele auch der Journalismus eine große Rolle: Während „Medien in Europa zunehmend auf ein ,Ausbalancieren‘ zwischen der Mehrheitsmeinung der Wissenschaft und ,randständigen‘ Stimmen“ verzichteten, sei dies in den USA noch anders, kritisierte Engels.
Zudem hätten die „staatlichen Investitionen, um die Folgen der Corona-Krise und des russischen Einmarsches in die Ukraine abzumildern, […] die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen noch verfestigt“.
„Kaum Einfluss“ durch Eisschmelze
Andererseits sei „die Furcht vor einem Tauen des Permafrostes“ nach Erkenntnissen des Physikers Jochem Marotzke, dem Direktor des Max-Planck-Instituts für Meteorologie, „komplett unbegründet“, schreibt die „Zeit“. Auch „der Verlust des arktischen Meereises, das Schmelzen der Eisschilde und die regionalen Klimaveränderungen“ hätten auf „die globale mittlere Temperatur bis 2050 […] kaum Einfluss“, so Marotzke.
Die „Hamburg Climate Futures Outlook 2023“-Studie hatte die Effekte der UN-Klimapolitik, die Gesetzgebung zum Klimaschutz, soziale Bewegungen und ihre Gegenbewegungen, transnationale Initiativen, Gerichtsklagen, das Konsumverhalten, den Abzug von Investitionen aus der fossilen Wirtschaft, die Wissensproduktion und die Medien untersucht.
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