Nigerias blutigster Kampf wird auf den Feldern ausgetragen
Die Schreckenstaten der Islamistenorganisation Boko Haram dominieren die Schlagzeilen über Nigeria.
Doch in dem westafrikanischen Riesenstaat mit seinen rund 180 Millionen Einwohnern schwelt noch ein anderer Konflikt, dem Nichtregierungsorganisationen (NGO) zufolge mehr als doppelt so viele Menschen zum Opfer gefallen sind wie dem Kampf mit den Islamisten.
Die Auseinandersetzung zwischen sesshaften Bauern und nomadischen Viehhirten ist zu einem blutigen Konflikt angewachsen – und könnte sich schlimmstenfalls sogar zu einem Bürgerkrieg ausweiten.
Allein in der ersten Januarwoche starben 80 Menschen bei Kämpfen im nigerianischen Bundesstaat Benue. Die Regierung von Präsident Muhamadu Buhari hat als Reaktion einen Ausschuss gegründet, der mehrere tausend Hektar Weideland schaffen soll, um künftige Auseinandersetzungen zwischen Viehhirten und Bauern zu vermeiden. Zu spät, meinen Experten. Erst am Mittwoch gab es im Bauerndorf Kadarko an der Grenze zu Benue einen bewaffneten Überfall. Dabei töteten mutmaßliche Hirten nach Polizeiangaben sieben Landwirte.
„Der nigerianische Sicherheitsapparat hat elendig versagt“, heißt es beim Beratungsunternehmen SBM Intelligence mit Sitz in Lagos. Die Untätigkeit habe ein Umfeld geschaffen, in dem Hirten sich mit Gewalt Zugang zu Weideflächen verschaffen und Bauern zu Selbstjustiz greifen, um ihr Land zu verteidigen. „Wenn nicht bald etwas geschieht, wird es noch schlimmer“, warnte SBM im vergangenen November.
Laut einem Bericht der International Crisis Group wurden 2016 mehr als 2500 Menschen durch solche Konflikte in Nigeria gewaltsam getötet. Der Global Terrorism Index des Londoner Institute for Economics and Peace (IEP) besagt, dass im gleichen Zeitraum 1079 Todesfälle auf das Konto von Boko Haram gingen.
Die nomadischen Viehhirten und die sesshaften Landwirte kämpfen vor allem um das fruchtbare Land in Nigerias „Mittelgürtel“ zwischen der palmenbewachsenen Südküste und der trockenen Halbwüste im Norden des Landes. Dürre und die Ausbreitung der Wüste zwingen die Hirten und ihre geschätzten 135 Millionen Tiere zählenden Rinderherden, die alten Weiderouten zu verlassen und in die Anbaugebiete der Bauern weiter im Süden einzudringen.
Das rapide Wachstum der nigerianischen Bevölkerung trägt zur Verschärfung der Lage bei. Bereits jetzt leben in Afrikas bevölkerungsreichstem Land 180 Millionen Menschen. Laut Schätzungen der Vereinten Nationen könnte Nigeria bis 2050 der Staat mit der dritthöchsten Einwohnerzahl hinter China und Indien werden.
Da helfen auch die Weidegesetze nicht, die es in Nigeria bereits seit 1965 gibt. Sie legen Wanderrouten und Weideflächen für die Viehhirten fest, wurden jedoch bisher kaum angewandt. Die Ausbreitung landwirtschaftlicher Siedlungen schränke die Nomaden in ihren Bewegungen ein, sagt Ibrahim Thiaw, stellvertretender Direktor des UN-Umweltprogramms Unep. Einige Bundesstaaten in Zentralnigeria haben das wilde Grasen auf ihrem Land vollständig verboten.
Ein ernsthaftes Problem stellt auch die Ausweitung des Konflikts auf die religiöse Ebene dar. Ein Jahr vor den nigerianischen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen hetzen Politiker gegen die überwiegend muslimischen Hirten und werfen ihnen vor, „Christen abzuschlachten“. Die Teilung zwischen dem muslimisch dominierten Norden und dem christlich geprägten Süden wird so noch verstärkt.
„Die Nutzung des Konflikts für politische Zwecke ist gefährlich“, befindet Tog Gang von der Hilfsorganisation Mercy Corps. Auch niedergelassene Hirten, die seit Jahrzehnten friedlich neben Ackerbauern lebten und nichts mit den Kämpfen zu tun hätten, sähen sich plötzlich Anfeindungen ausgesetzt.
Es sind nicht zuletzt Hirten aus den Nachbarländern Kamerun, Tschad oder Niger, die Farmen der Bauern zerstören. Zehntausende Menschen sind in den vergangenen Monaten vor der Gewalt geflüchtet. Felder wurden aufgegeben, Rinderherden dezimiert – und damit die Lebensgrundlage für beide Seiten zerstört. (afp)
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