Niederlande und Wilders: Verhandelt wird ein „Programmkabinett“

Geert Wilders strebte mit anderen konservativen Parteien eine Vierer-Koalition an. Nun verzichtet er auf sein mögliches Amt als Premier, um weiterhin ein rechtes Kabinett bilden zu können. Wie geht es dann weiter?
Wilders sagte, er mache den Weg frei für eine rechte Koalition und eine Politik, die auf weniger Immigration und Asyl ziele.
Wilders sagte, er mache den Weg frei für eine rechte Koalition und eine Politik, die auf weniger Immigration und Asyl ziele.Foto: Peter Dejong/AP/dpa
Von 14. März 2024

Zwar wäre Geert Wilders lieber Premierminister geworden, doch dazu wird es wohl trotz monatelanger Koalitionsverhandlungen nicht kommen. Am 13. März teilte der Chef der Partei für die Freiheit mit, dass er bereit ist, das Amt des Premiers aufzugeben.

Nach der Wahl im November verhandelte er – mit einigen Schwierigkeiten – unter anderem mit der liberalkonservativen Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD, Mark Rutte), der NSC (Neuer Sozialvertrag) und der kleineren Bauerbürgerbewegung BBB. Gemeinsam erreichten sie 88 von 150 Sitzen im Parlament. Wilders Partei PVV gewann bei der Wahl überraschend 37 Sitze, weit mehr als vorhergesagt.

Wilders strebte mit ihnen eine Vierer-Koalition an. Nachdem eine Partei, die NSC, den Verhandlungstisch verlassen hatte, wurde ein sozialdemokratischer Vermittler, Kim Putters, eingesetzt. Der frühere Abgeordnete Putters brachte sie wieder zurück an den Verhandlungstisch.

Durchbruch bei den Verhandlungen

Putters habe jüngst einen Durchbruch bei den Verhandlungen erreicht, heißt es. Wie der größte Sender des Landes Nederlandse Omroep Stichting (NOS) meldete, soll es sich nicht um ein gewöhnliches Mehrheitskabinett, sondern um ein „außerparlamentarisches“ handeln.

Laut dem aktuellen Bericht des Vermittlers werden die vier Parteien in der nächsten Zeit über ein „Programmkabinett“ verhandeln. Zunächst sei eine kurze Vereinbarung über die großen Ziele und Rahmenbedingungen der Politik zu treffen. Anschließend würden Minister und Staatssekretäre an ihrem Regierungsprogramm arbeiten.

Erwartet wird, dass die vier Parteien sich so einem Koalitionsvertrag annähern. Auf ein Ziel haben sich alle Beteiligten schon grundsätzlich geeinigt: eine deutliche Beschränkung der Einwanderung.

Putters sieht dieses „Programmkabinett“ als eine Form eines „außerparlamentarischen“ Kabinetts. Laut NOS plädiert er für ein halb von Personen mit politischer Erfahrung und halb von Nicht-Politikern besetztes Kabinett. Am 20. März wird nach Medienangaben die niederländische Regierung darüber beraten.

Wie viele Personen von welcher Partei kommen oder wer der Premierminister wird, werde später bestimmt. Putters erklärt in seinem Abschlussbericht auch, die Parteichefs Wilders, Yesilgöz, Omtzigt und Van der Plas sollten zunächst „gut daran tun, ihre Äußerungen in den (sozialen) Medien auf ein Minimum zu beschränken“.

Politisches Neuland in Den Haag

Ein „außerparlamentarisches“, auch „technokratisches Kabinett“ genannt, besteht aus Fachleuten außerhalb der Politik oder ist locker an die Parteien gebunden.

Das sei das, was die NSC für ihre Unterstützung einer PVV-geführten Mehrheitsregierung forderte, schreibt „The Guardian“. NSC-Chef Pieter Omtzigt, der sich für eine solche Art von Regierung von Anfang an starkgemacht hatte, erklärt, dass sich die vier Parteivorsitzenden darauf geeinigt haben, gemeinsam zu sondieren, ob es ein solches Kabinett geben könnte.

„Ich denke, es ist wichtig, dass wir ein Kabinett bilden. Es gibt dringende Herausforderungen in den Niederlanden. Wir vier haben uns darauf geeinigt, dass wir ein außerparlamentarisches Kabinett prüfen werden.“

Alternative wäre vermutlich eine Regierung um den früheren EU-Vizekommissionspräsidenten Frans Timmermans. Er war seit 2019 zuständig für den „Green Deal“ und trat in der EU zurück, um Regierungschef der Niederlande zu werden.

Im Gegensatz zu Parteiregierungen, die auf Wähler eingehen und Rechenschaft ablegen, konzentrieren sich technokratische Regierungen hauptsächlich auf fachliche Expertise und technisch rational begründete Politikentscheidungen. Offiziell sind sie unabhängig von Parteien und Lobbyisten. Den Haag verwendet bisher den Begriff „außerparlamentarischen“ Kabinett.

Was sagen die anderen Koalitionspartner?

Ähnlich äußerte sich VVD-Chefin Dilan Yesilgöz. Die liberal-konservative Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD) sei auch bereit, Minister zu stellen. Ihre Partei, der auch der bisherige Ministerpräsident Mark Rutte angehört, ist einer der großen Verlierer der Wahl. Sie erklärte schon im November, höchstens eine Minderheitsregierung unterstützen zu wollen.

Wilders erklärte, dass er nur von Caroline Van der Plas, Vorsitzende der Bauernbürgerbewegung, die volle Unterstützung erhalten hatte, Premierminister zu werden. Ihm fehlte somit die Unterstützung der anderen potenziellen Verbündeten.

Ob ein „technokratisches Kabinett“ in den Niederlanden funktionieren würde, ist offen; das letzte gab es 1918. Mehrere Länder in Europa haben bereits technokratische Regierungen eingesetzt. In der Eurokrise 2011 wurden unter anderem die Regierungen in Italien und Griechenland von Technokraten abgelöst wie unter anderem Mario Monti in Italien und Lucas Papademos in Griechenland.

Wilders bedauert seinen Rückzug

Seinen erzwungenen Rückzug bedauert Geert Wilders: „Letztendlich muss man die Wahl treffen: wählt man seine eigene Position oder das nationale Interesse? Wenn es nicht so gemacht werden kann, wie es gemacht werden sollte, dann soll es so sein. Egal, wie sehr es schmerzt und wie ungerecht ich es finde.“ Es sei unfair und nicht so, wie es „in einer Demokratie sein sollte“.

Auf X erklärte er: „Ich kann nur Premierminister werden, wenn ALLE Parteien in der Koalition dies unterstützen. Das haben sie nicht. Ich möchte ein rechtes Kabinett. Weniger Asyl und Einwanderung. Niederländer auf Platz 1. Die Liebe zu meinem Land und meinen Wählern ist groß und wichtiger als meine eigene Position. Ich liebe NL.“

Später twitterte er noch: „Und vergessen Sie nicht: Ich werde immer noch Ministerpräsident der Niederlande werden. Mit der Unterstützung von noch mehr Niederländern. Wenn nicht morgen, dann übermorgen. Denn die Stimme von Millionen von Niederländern wird gehört werden!“



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