Niederlande: „Strengstes Asylregime aller Zeiten“ geplant – EU vor Zerreißprobe

In den Niederlanden will die künftige Regierungskoalition um Rechtsaußen Geert Wilders die Asylpolitik drastisch verschärfen. Irregulär eingereiste Flüchtlinge sollen nach Belgien oder Deutschland abgeschoben werden. Das EU-Asylpaket steht damit bereits infrage.
Koalitionäre in spe: Von links Geert Wilders (PVV), Dilan Yesilgoz von der rechtsliberalen VVD, Caroline van der Plas von der rechtspopulistischen Bauernpartei BBB und Pieter Omtzigt von der neuen rechtskonservativen NSC.
Koalitionäre in spe: Von links Geert Wilders (PVV), Dilan Yeşilgöz von der rechtsliberalen VVD, Caroline van der Plas von der rechtspopulistischen Bauernpartei BBB und Pieter Omtzigt von der neuen rechtskonservativen NSC.Foto: Koen Van Weel/ANP/dpa
Von 23. Mai 2024

Eine Woche alt ist die Einigung der Parteien PVV, VVD, NSC und BBB auf einen Koalitionsvertrag für die Niederlande. Der Führer der stimmenstärksten Kraft, Geert Wilders, hat das Bündnis mit den Mitte-Rechts-Parteien und der Bürger- und Bauernbewegung als „keine Liebesheirat, sondern eine Vernunftehe“ bezeichnet. Er selbst habe jedoch sein wichtigstes Ziel umsetzen können, nämlich den Niederlanden das „strengste Asylregime aller Zeiten“ zu verordnen.

Wilders hofft auf Gerichtsfestigkeit des neuen Asylgesetzes

Zu dem Paket, auf das die Parteien sich geeinigt haben, gehört unter anderem ein „Asylkrisengesetz“. Dieses soll auf zwei Jahre befristet sein und dafür sorgen, dass in dieser Zeit Asylanträge gar nicht erst bearbeitet werden. Gegenüber „Een Vandaag“ erklärte Wilders, er sei sich im Klaren darüber, dass dieses Gesetz eine stichhaltige Begründung brauche, um vor Gericht zu bestehen.

Sollte es jedoch gelingen, seinen Bestand zu sichern, werde die Maßnahme „eine abschreckende Wirkung haben“. Einen Präzedenzfall für ein Gesetz dieser Art gebe es noch nicht. Aber es gebe keine Alternative. Eine nähere Begründung nennt Wilders auch auf Nachfrage nicht. Er weist jedoch darauf hin, dass auch die zentristischen Kräfte in der Koalition keine Bedenken geäußert haben:

„Auch Pieter Omtzigt hat seine Unterschrift darunter gesetzt. Wenn wir nicht geglaubt hätten, dass es möglich ist, hätten wir es nicht so aufgeschrieben.“

Niederlande hatten erst jüngst Verteilungsgesetz in Geltung gesetzt

Was gegen eine Bestandsfestigkeit der Regelung spricht, ist unter anderem die gefestigte Spruchpraxis niederländischer Gerichte. Diese hatten Asylsuchenden in der Vergangenheit bei langer Verfahrensdauer einen Schadensersatzanspruch zugebilligt. Als zumutbar gilt seither ein Zeitraum von 15 Monaten.

Wilders betrachtet dies als kalkulierbares Risiko – und hofft, dass die Zahl der Asylbewerber deutlich sinken wird:

„Warum sollte man in die Niederlande kommen, wenn man 15 Monate lang keine Entscheidung bekommt, keine Familie zu sich kommen lassen kann, keine Wohnung bekommt, in einem schmucklosen Heim lebt? Das wird einfach unattraktiv sein. Ich hoffe, dass in diesen 15 Monaten kaum jemand kommt. Warum sollte man in die Niederlande kommen, wenn man das alles in Deutschland und anderen Ländern bekommen kann und nicht mehr in diesem Land?“

Aus den Reihen von Praktikern gibt es Kritik an dem Vorhaben. In den Gemeinden verweist man auf ein Gesetz zur Verteilung von Geflüchteten, das unter dem früheren Kabinett in langwierigen Verhandlungen auf den Weg gebracht worden war.

Kommunen befürchten Rückkehr zu überfüllten Aufnahmezentren

Stadträtin Froukje de Jonge aus Almere ist nicht glücklich über die Neuregelung, die davon ausgeht, dass dieses Gesetz nicht mehr gebraucht wird. Sie hatte auf eine Entlastung von Kommunen wie ihrer gehofft. Einige Gemeinden hätten sich bereits zusammengesetzt, um Herausforderungen wie die Kinderbetreuung gemeinsam anzugehen:

„Als Stadt haben wir Schritte nach vorn gesetzt und schließlich gesagt, dass andere Gemeinden an der Reihe sein werden. Dieses Verteilungsgesetz war ein Segen für uns. Und wir werden es jetzt vermissen.“

De Jonge befürchtet, dass jetzt Gemeinden faktisch dafür belohnt würden, wegzusehen. Eigentlich habe es einen Konsens gegeben, Szenen wie die der vergangenen Jahre zu vermeiden. Damals hätten Migranten und Flüchtlinge in zentralen Unterbringungseinrichtungen wie in Ter Apel teilweise unter freiem Himmel schlafen müssen.

Nun sei ein noch größerer Druck auf die bestehenden Einrichtungen zu erwarten als je zuvor. Diese Einschätzung teilt auch die Stadtverwaltung von Ter Apel. Ein weiteres Element des geplanten Asylpakets ist es nämlich, Asylsuchende schwerer an Sozialwohnungen kommen zu lassen.

Neue Praxis der Niederlande nur teilweise mit EU-Paket vereinbar

Um überfüllte Asylzentren zu entlasten, sieht die neue Regierung jedoch auch den „härtesten Abschiebe-Kurs“ vor, der Aufenthaltsbeendigungen „auch mit Gewalt“ beinhalte. Zudem wolle man irreguläre Migranten, die bei Grenzkontrollen angetroffen werden, „sofort nach Deutschland und Belgien zurückschicken“.

Des Weiteren sollen den Migranten – mit etwa 38.000 im Vorjahr liegen die Niederlande im europäischen Mittelfeld – noch durch weitere Maßnahmen den Aufenthalt erschwert werden. So soll es Sozialhilfe für Asylbewerber nur noch unter erschwerten Voraussetzungen geben, gleiches ist für den Familiennachzug geplant. Die Niederlande wollen zudem nicht nur Staaten, sondern auch Teilregionen als sichere Herkunftsgebiete einstufen.

Unterdessen ist es noch unklar, inwieweit die geplanten Maßnahmen der Niederlande mit dem eben erst geschnürten Asylpaket der EU vereinbar sind. Die Aussetzung der Bearbeitung von Asylanträgen unter Verweis auf eine vermeintliche Krisensituation ist durch das Paket gedeckt. Zypern macht von dieser Option bereits Gebrauch.

Rücksicht auf EU-Vorgaben verärgert Wilders-Wähler

Aus anderen Bereichen des Pakets ist jedoch ein einseitiges Opting-out durch Mitgliedstaaten nicht möglich. Hier müssten die Niederländer erst den Konsens mit allen anderen EU-Ländern suchen. Auch deshalb zeigen erste Umfragen, dass 64 Prozent der PVV-Wähler mit dem geplanten neuen Asylgesetz nicht zufrieden sind – weil es ihnen nicht weit genug geht. Gleiches sagen 68 Prozent von ihnen über das Zwei-Jahres-Moratorium bei der Bearbeitung von Anträgen.

Raphael Bossong, Europaexperte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik, erklärt gegenüber der „Welt“, das neue Kabinett teste seine Grenzen aus. Man versuche, „an vielen kleinen Schrauben zu drehen, um möglichst unattraktiv für Asylbewerber zu werden“.

Ziel sei die Abschreckung – und in weiterer Folge gehe es darum, eine Spirale restriktiver Asylpolitik weiter in Gang zu halten. Mit jedem Staat, der seine diesbezügliche Praxis verschärfe, steige der Druck auf jene, die davon noch Abstand nehmen.



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