Niederlande: Staatsrat kritisiert Asylgesetze – Wilders droht mit Koalitionsaus
In den Niederlanden droht nur sieben Monate nach der Bildung des Kabinetts unter dem parteilosen Dick Schoof eine ernste Regierungskrise. Rechtsaußen-Politiker Geert Wilders droht mit einem Austritt seiner Partei PVV aus der Koalition. Diese war aus den Parlamentswahlen im November 2023 als stärkste Kraft hervorgegangen.
Anlass für die Spannungen ist ein Paket aus drei Asylgesetzen, die Migrationsministerin Marjolein Faber vorbereitet hatte. Wilders forderte am Sonntag, 9.2., den Entwurf Fabers, die für seine PVV in der Regierung sitzt, „schnell und unverändert“ ins Parlament einzubringen. Das Problem daran: Der Staatsrat, ein Expertengremium, das der Regierung beratend zur Seite steht, hat zwei der drei Gesetze als unpraktikabel bezeichnet.
Wilders will Asylsystem der Niederlande mit weitreichenden Maßnahmen verschärfen
Eines der betroffenen Gesetze ist das sogenannte Asyl-Notstandsgesetz. Dieses soll unter anderem die unbefristete Aufenthaltserlaubnis für anerkannte Asylsuchende abschaffen. Die Dauer der befristeten Aufenthaltserlaubnis soll von fünf auf drei Jahre sinken. Außerdem soll es Restriktionen beim Familiennachzug von Kernfamilien geben.
Der zweite Entwurf, den der Staatsrat geprüft hat, war jener der Wiedereinführung des „Zwei-Status-Systems“. Dieses unterschied zwischen Schutzsuchenden, die persönlich verfolgt werden, und Kriegsflüchtlingen, wobei Letztgenannte eine schlechtere Rechtsstellung hätten. Das wäre der entgegengesetzte Weg zu Deutschland, wo Geflüchtete aus der Ukraine sofort Zugang zu Arbeitsmarkt und Bürgergeld haben – anders als Asylsuchende.
Den dritten Entwurf hat der Staatsrat nicht geprüft, dieser sieht Strafen für die „Nichtkooperation bei der Abschiebung“ vor. Dieses Vorhaben wird jedoch nicht als dringlich eingestuft. Das Gesamtpaket sollte, so die Ministerin, die „strengste Asylpolitik aller Zeiten“ in den Niederlanden schaffen.
Staatsrat befürchtet Überlastung und zweifelt an Effizienz
Am Montag legte der Staatsrat jedoch ein Gutachten vor, in dem es hieß, die Ministerin habe „nicht plausibel dargelegt“, dass die geplanten Maßnahmen tatsächlich einen geringeren Zustrom an Asylsuchenden bewirken würden. Es sei zudem „sehr unwahrscheinlich“, dass die Asylverfahren als solche effizienter würden.
Stattdessen befürchtet der Staatsrat – wie zuvor auch schon der Justizrat – einen gegenteiligen Effekt. Die „NL Times” zitiert das Gutachten wie folgt:
„Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass die Maßnahmen tatsächlich zu einer zusätzlichen Belastung für die Einwanderungs- und Einbürgerungsbehörde (IND) und die Justiz führen werden.“
Fabers Ministerium hatte auf eine parlamentarische Anfrage selbst potenzielle Unwägbarkeiten eingeräumt, wie der „Telegraaf“ berichtet. So hätte die IND aufgrund des Zwei-Status-Systems jährliche Mehrkosten zwischen 25 und 60 Millionen Euro zu erwarten. Auch seien mögliche zusätzliche Gerichtskosten noch nicht kalkuliert. Es sei jedoch davon auszugehen, dass 75 Prozent der zeitnah Ausreisepflichtigen gegen ihre Bescheide so schnell wie möglich Berufung einlegen würden. Mit zuletzt 38.000 Asylanträgen im Jahr liegen die Niederlande im EU-Mittelfeld.
Einwanderungsbehörde der Niederlande hatte nur eine Woche Zeit zur Stellungnahme
Der Staatsrat warf dem Ministerium auch eine „nachlässige Vorbereitung“ der Gesetzentwürfe vor. Ein Konsens über die Verschärfung der nationalen Asylpolitik sei „kein ausreichender Grund, Schritte bei der Vorbereitung von Gesetzen zu überspringen oder diese zu übereilen“. Tatsächlich hätten etwa die IND und die Justiz nur eine Woche Zeit bekommen, ihre Stellungnahme zu den Entwürfen abzugeben.
Der frühzeitige Input von Bürgern, durchführenden Stellen und der Rechtspraxis sei „von großer Bedeutung, um zu einer guten Gesetzgebung zu gelangen“, heißt es weiter. Darauf hätten die Regierungspartner auch im Koalitionsvertrag selbst explizit hingewiesen.
Darüber hinaus beanstandet der Staatsrat, dass es in den Gesetzesmaterialien zu wenige Ausführungen über die „rechtliche Vertretbarkeit der Gesetzentwürfe“ gebe. Es müsse etwa besser erläutert werden, wie die Asylmaßnahmen in der Praxis anzuwenden seien. Geschehe dies nicht, bestünde die Gefahr, dass „Verfahren nachlässig geführt und Grundrechte bei der Umsetzung verletzt“ würden.
Unveränderte Vorlage oder Neuwahlen
Der Staatsrat bot der Regierung eine sogenannte C-Beratung an. In den Niederlanden bedenkt das Beratungsorgan Gesetzentwürfe mit einer Einstufung von A bis D. Dabei bedeutet A, der Entwurf erscheine als sattelfest, D bedeutet massive Einwände bezüglich ihrer Haltbarkeit und Durchsetzbarkeit.
Geert Wilders reagierte auf die Einschätzung des Staatsrats mit der Aussage, es dürfe „keine weiteren Veränderungen“ an den Entwürfen geben. Andernfalls würden „die Wähler das Wort haben“ – Wilders möchte also durch einen Austritt aus der Regierungskoalition Neuwahlen erzwingen. Die Empfehlung des Staatsrats bezeichnete der Politiker als eine „Meinung nicht gewählter Bürokraten“. Den Vorschlag des Koalitionspartners NSC, die Entwürfe zu überarbeiten, nannte Wilders ein „Spiel mit dem Feuer“.
Ob das Erzwingen von Neuwahlen für Wilders eine sinnvolle Option wäre, ist ungewiss. Jüngsten Umfragen zufolge liegt seine PVV bei etwa 24 Prozent – was dem Ergebnis von 2023 entspräche. Im Sommer des Vorjahres gaben Meinungsforscher der Partei noch bis zu 33 Prozent. Allerdings wäre die Rechtsaußenpartei immer noch stimmenstärkste Kraft.
PVV von Wilders bliebe stärkste Kraft – Koalitionspartner würden jedoch Federn lassen
Der rechtsliberale Koalitionspartner VVD käme auf 14 Prozent und würde gegenüber 2023 leichte Verluste verbuchen. Von fünf auf drei Prozent zurückfallen würde nach derzeitigem Stand die Bürger- und Bauernbewegung (BBB). Deutliche Einbußen müsste hingegen die zentristische NSC befürchten. Die Partei, die bei ihrer Gründung unter anderem Angela Merkel zu ihren politischen Vorbildern gezählt hatte, kam 2023 auf 13 Prozent. Derzeit liegt sie nur noch bei zwei. Ihre Wähler sind zum größten Teil zu den Christdemokraten (CDA) zurückgekehrt. Zugewinne können hingegen kleinere linke Parteien wie D’66 und SP verbuchen.
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