Niederlande: Königspaar meldet sich nach Gewaltexzessen bei Corona-Demos zu Wort
Die am vergangenen Samstag (23.1.) in Kraft getretene Ausgangssperre in den Niederlanden hat in zahlreichen Städten des Landes zu Protesten geführt, die in vielen Fällen in Exzesse der Gewalt und Zerstörungswut ausgeartet sind.
Die Ausschreitungen in dem sonst eher für sozialen Frieden bekannten Land haben Großstädte ebenso heimgesucht wie ländliche Regionen. Der erste bekannt gewordene Vorfall war der Brandanschlag auf ein Corona-Testzentrum in der beschaulichen Kleinstadt Urk.
Corona-Testzentrum stand in streng religiöser Kleinstadt
Dass der Anschlag ausgerechnet in einer 20.000-Seelen-Gemeinde im niederländischen Bibelgürtel stattfand, die ansonsten so streng calvinistisch geprägt ist, dass an Sonntagen die meisten Gaststätten und Freizeiteinrichtungen von sich aus geschlossen haben, hat landesweit für Aufsehen gesorgt.
Am Sonntag und Montag kam es auch in mehreren größeren Städten des Landes zu Krawallen und Ausschreitungen, an denen hauptsächlich jüngere Personen beteiligt waren.
Allein am Montag wurden „AP News“ zufolge landesweit 184 Menschen verhaftet, die sich an Vandalismus oder Angriffen mit Feuerwerkskörpern gegen Sicherheitskräfte oder deren Einsatzfahrzeuge beteiligt hatten. In manchen Städten brannten auch Fahrzeuge. Allein in Rotterdam seien 33 Personen wegen diverser Übergriffe in den Stunden vor Inkrafttreten der Ausgangssperre festgenommen worden.
In 1.700 Fällen verhängte die Polizei Bußgelder in Höhe von 95 Euro für Verletzungen der zwischen 21 Uhr und 4:30 Uhr geltenden Ausgangssperre, die eine Verschärfung des seit Mitte November geltenden Corona-Lockdowns darstellte.
„Unterschiedliche Gruppen – in Hass und Misstrauen gegen den Staat vereint“
Dutzende Personen sollen landesweit festgenommen worden sein, weil sie in sozialen Medien zu Gewalt und Vandalismus aufgerufen hatten. Erst mit einem massiven Polizeiaufgebot gelang es am Dienstag, in den meisten Städten Szenen wie an den Tagen zuvor zu verhindern. Nur in Amsterdam und Rotterdam mussten die Beamten aktiv eingreifen, um weitere Ausschreitungen zu verhindern.
Die Proteste werden von Personen und Gruppen aus unterschiedlichsten Milieus getragen: Linksextreme Antifa-Gruppen spielen dabei ebenso eine Rolle wie Rechtsextremisten und Jugendliche aus häufig arabischen Einwanderer-Communitys.
Gemeinsam ist ihnen, dass sie sich vor allem über soziale Medien verabreden – und die tiefe Aversion gegen den Staat und seine Institutionen. Gegenüber „Euronews“ erklärt Dr. Jelle van Buuren von der Universität Leiden:
„Es gibt eine Verbindung, und das ist Misstrauen gegenüber der Regierung, Hass auf die Regierung, und in breiterem Sinne Misstrauen und Hass gegen jedwede Form gesellschaftlicher Institutionen überhaupt. Dieses Misstrauen, dieser Hass, sie wurden über die Jahre durch verschiedenste Formen an Bitterkeit, Wut, schlechten Erfahrungen und Motivationen genährt. Und deshalb ist das auch so schwer einzuordnen. Es ist wirklich eklektisch.“
Justizminister verurteilt Gewalt am Rande der Proteste
Der Chef der nationalen Polizeibehörde, Willem Woelders, zeigte sich gegenüber „Nieuwsuur“ erleichtert darüber, dass am Dienstag „ein anderes Bild als tags zuvor“ auf den Straßen zu sehen war. „Ich denke, was dabei sehr geholfen hat, ist, dass die Täter eine Atmosphäre in der Bevölkerung erlebt haben, die Randale als inakzeptabel betrachtete.“
Vor allem zerstörte Fensterscheiben in Geschäften und Plünderungen hatten in der breiten Bevölkerung für Empörung gesorgt. Justizminister Ferd Grapperhaus erklärte dazu:
„Es ist schlichtweg skandalös, Menschen zu berauben, die kämpfen müssen, um sich mit der Hilfe der Regierung über Wasser zu halten.“
Rotterdams Bürgermeister fragte die Randalierer via Twitter: „Fühlt es sich gut an, mit einer Tasche voll gestohlener Sachen neben sich aufzuwachen?“, und er richtete sich an deren Eltern mit den Worten: „Haben Sie gestern nicht Ihren Sohn vermisst? Haben Sie sich nicht gefragt, wo er ist?“
Königspaar solidarisiert sich mit Opfern
Am Dienstag meldete sich auch das niederländische Königspaar Willem-Alexander und Maxima mit einer Erklärung zu Wort. Sie bedankten sich darin zuerst bei den Einsatzkräften, die sich darum bemühten, die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten. Anschließend solidarisierten sie sich mit den Geschäftsleuten und allen anderen von den Gewaltexzessen Betroffenen:
Wir sympathisieren mit allen Unternehmen und anderen, die von Gewalt betroffen waren. Und wir sind beeindruckt von den herzerwärmenden Taten, mit denen Menschen einander geholfen hatten. Gemeinsam werden wir das überstehen.“
Bürger kommen ihrer Gemeinschaft zu Hilfe
Wie die „Deutsche Welle“ berichtet, hatten Bürger Eigeninitiative ergriffen, um Gemeinschaften und öffentliche Einrichtungen vor Randalierern zu schützen. In Hertogenbosch unterstützten Fußballfans des FC Den Bosch in orangen Westen die Polizei dabei, Unruhen in der Innenstadt zu verhindern.
Ähnliches trug sich in Maastricht zu. In Amsterdam sprach der Anti-Rassismus-Aktivist Kunta Rincho gezielt Jugendliche an, die sich nach der Teilnahme an einem Protest gegen die Maßnahmen kurz vor Beginn der Ausgangssperre in der Siedlung Bijlmer versammelt hatten.
In Urk sammelten junge Bürger 9.600 Euro an Spenden für den Wiederaufbau des Corona-Testzentrums. In Den Bosch konnte eine andere Gruppe Spenden in einer Gesamthöhe von 100.000 Euro einwerben, um die Schäden eines Ladenbetreibers zu kompensieren, dessen Geschäft von Randalierern zerstört worden war.
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