Nicolas Sarkozy über Russland: „Wir brauchen sie und sie brauchen uns“
In einem aktuellen Interview der französischen Tageszeitung „Le Figaro“ verurteilte Sarkozy die Entscheidung Wladimir Putins, in die Ukraine einzumarschieren, als „schwerwiegend“ und „gescheitert“, betonte aber, dass Russland „Europas Nachbar“ sei. Trotz der Missverständnisse in ihrer gemeinsamen Geschichte „brauchen wir sie und sie brauchen uns“, fügte er hinzu.
Sarkozy erklärte, Europa müsse „seine Strategie klären“ und einen Kompromiss mit Russland suchen, anstatt die „seltsame Idee“ zu verfolgen, einen Krieg zu finanzieren, ohne ihn zu führen. „Ohne Kompromiss wird nichts möglich sein, und wir laufen Gefahr, dass die Situation jeden Moment ausartet“, so Sarkozy gegenüber „Le Figaro“.
Distanz zu Macron
Damit distanziert sich Sarkozy von der aktuellen Haltung des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der die Ukraine „bis zum Sieg“ unterstützen möchte. Sarkozy sagte, Macrons frühere „Intuition“ zu verhandeln sei richtig, aber er habe es versäumt, diese weiterzuverfolgen, zum Teil „aufgrund des Drucks der Osteuropäer“.
Im Mai letzten Jahres hatte der polnische Premierminister Mateusz Morawiecki Macrons Entscheidung, den Kontakt zu Putin aufrechtzuerhalten, deutlich kritisiert. Er verglich Macrons Gesprächsversuche mit Verhandlungen mit Hitler.
Bezüglich der NATO-Osterweiterung sagte Sarkozy, er kenne die „roten Linien Putins“. Daher habe er 2008 gegen den Beitritt der Ukraine und Georgien gestimmt.
Julien Bayou: Sarkozy „ein russischer Influencer“
Der Abgeordnete und Ex-Parteichef der Grünen (Europe Écologie Les Verts), Julien Bayou, zeigte sich in einem Interview mit dem französischen Fernsehsender LCI entsetzt über Sarkozys Äußerungen. Nach seiner Ansicht sollte ein ehemaliger Präsident so etwas nicht sagen. Doch „man versteht ihn besser, wenn man weiß, dass er von den Russen gekauft wird“, fügte Bayou hinzu und erinnerte mehrfach an Verbindungen zwischen Sarkozy und einer russischen Versicherungsgesellschaft.
Bayou erklärte, Sarkozy sei „nicht mehr als ehemaliger Präsident der Republik zu betrachten, sondern als russischer Influencer“, genauso wie sein ehemaliger Premierminister François Fillon, der seinerseits von russischen Energieriesen bezahlt worden sei.
Drei Millionen Euro für Beratervertrag
Die Internetzeitung „Mediapart“ hatte 2021 als erste über einen Beratervertrag zwischen Sarkozy und russischen Oligarchen im Versicherungsgeschäft berichtet. Das Mandat beläuft sich über drei Millionen Euro und ist mittlerweile Gegenstand einer Untersuchung der französischen Finanzstaatsanwaltschaft. Es geht um mögliche „Einflussnahme“ und „Geldwäsche eines Verbrechens oder Vergehens“.
„Die Justiz versucht zu prüfen, ob der ehemalige Staatschef nur als Berater tätig war, was völlig legal wäre, oder ob er möglicherweise strafbare Lobbyarbeit für russische Oligarchen betrieben hat“, schreibt die Nachrichtenseite.
Sarkozy: „Russland ist wieder eine Weltmacht“
In einem aktuellen Artikel berichtet „Mediapart“ zudem über eine französisch-russische Konferenz, an der Sarkozy 2018 teilgenommen hat. Dafür soll er 300.000 Euro erhalten haben. Auf der Plattform X (früher Twitter) zirkuliert ein Video der Konferenz, das einen Sarkozy zeigt, der enthusiastisch seine Verbundenheit mit Russland ausdrückt.
„Russland ist wieder eine Weltmacht. Das ist sein Platz, das ist seine historische Geschichte, das ist seine Bestimmung“, so Sarkozy in dem Videoausschnitt. Er betont außerdem, dass er immer ein Freund von Putin gewesen sei, weil dieser ein Mann sei, mit dem man auch über Meinungsverschiedenheiten sprechen könne.
Ehemaliger Mitarbeiter: „Schändliche Äußerungen“
Die Äußerungen des ehemaligen Staatschefs haben auch Sarkozys ehemaligen Mitarbeiter Jérôme Poirot auf den Plan gerufen. Er war sein Berater im Finanzministerium und später Stellvertreter seines Geheimdienstkoordinators im Élysée-Palast. Poirot sprach ebenfalls auf LCI von „schändlichen Äußerungen“.
Sarkozy habe „keinen Rückblick auf das, was passiert ist“ oder „auf das, was er während seiner Amtszeit getan hat“, sagte er und betonte, dass seine Intervention im Jahr 2008 gegen die NATO-Beitritte der Ukraine und Georgiens Russland nicht davon abgehalten habe, einige Monate später in das kaukasische Land einzumarschieren.
Russland und der Kaukasus-Krieg 2008
Was Poirot nicht erwähnte, sind die Umstände, die Russland dazu bewegt hatten. Vorher hatte sich die Provinz Südossetien von Georgien unabhängig erklärt. Daraufhin sind georgische Truppen in Zchinwali – die Hauptstadt Südossetiens – einmarschiert. Der Krieg dauerte fünf Tage und endete mit einem Waffenstillstandsabkommen, das von der französischen EU-Ratspräsidentschaft vermittelte wurde.
Die Bundeszentrale für politische Bildung schrieb 2013 dazu:
Eine Lösung des Konflikts gilt als schwierig, weil auch die USA an dem Konflikt beteiligt sind: Georgien hatte nach dem Zerfall der Sowjetunion einen pro-westlichen Kurs eingeschlagen. Die USA unterstützten das Land als strategisch wichtigen Verbündeten.”
Lösungsvorschlag für die Ukraine
Nicolas Sarkozys Lösungsvorschlag zur Beendigung des Krieges ist eine neutrale Ukraine. Dies solle „mit einem internationalen Abkommen einhergehen, das extrem starke Sicherheitsgarantien vorsieht, um [das Land] vor den Risiken eines weiteren Angriffs zu schützen“, so Sarkozy gegenüber „Le Figaro“.
Die Ukraine dürfe nicht vor die Wahl gestellt werden, sich zwischen Europa und Russland entscheiden zu müssen. Dies „widerspricht meiner Meinung nach der Geschichte und Geografie der Region. Es wäre naiv zu glauben, dass der Sturz Putins an dieser Realität etwas ändern würde“, sagte er.
Verurteilung und Memoiren
Nicolas Sarkozy dürfte nicht uneigennützig den Moment des Interviews mit „Le Figaro“ gewählt haben. Im September kommt der dritte Teil seiner Memoiren heraus. Außerdem wurde er im Mai dieses Jahres wegen Bestechung und unerlaubter Einflussnahme rund um seinen Wahlkampf 2007 verurteilt. Auf ihn warten drei Jahre Haft, wovon zwei Jahre auf Bewährung ausgesetzt wurden. Sarkozy hat angekündigt, gegen das Urteil Revision einzulegen.
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