NEWSTICKER Belarus: „Kinder sind das wichtigste im Leben“, sagt Tichanowskaja nach ihrer Ausreise

Nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl in Belarus haben sich Demonstranten und Polizisten in der Hauptstadt Minsk gewaltsame Zusammenstöße geliefert. Augenzeugen beschrieben chaotische Szenen, Sirenen heulten und Autos hupten. Nun soll es den ersten Toten unter den Demonstranten geben.
Epoch Times10. August 2020

Die Entscheidung zur Flucht aus ihrem Heimatland ist der belarussischen Oppositionskandidatin Swetlana Tichanowskaja nicht leicht gefallen. „Ich habe eine sehr schwierige Entscheidung getroffen“, sagte die erschöpft wirkende 37-Jährige in einem Video, dass das belarussische Onlineportal „tut.by“ am Dienstag veröffentlichte. Demnach flüchtete sie ins benachbarte Litauen, um bei ihren beiden Kindern sein zu können. „Kinder sind das wichtigste im Leben“, sagte sie.

„Ich weiß, dass viele mich verstehen werden, viele mich verurteilen werden und viele mich hassen werden“, sagte Tichanowskaja in der Videobotschaft. „Ich dachte, dass dieser Wahlkampf mich wirklich gestählt hätte und mir die Kraft gegeben hätte, alles durchzustehen“, sagte sie weiter. „Doch offenbar bin ich die schwache Frau geblieben, die ich am Anfang war“.

An die Demonstranten gerichtet sagte sie: „Bitte passt auf euch auf“. Was gerade passiert, „ist nicht ein einziges Leben wert“.

Tichanowskaja hatte vor dem Wahlkampf keine politische Erfahrung. Sie trat an, nachdem ihr Mann, der bekannte Blogger Sergej Tichanowski, inhaftiert und von der Wahl ausgeschlossen worden war. Ihr war es gelungen, die Opposition in dem Land, das von Kritikern oft als „letzte Diktatur Europas“ bezeichnet wird, hinter sich zu vereinigen.

13:43 Uhr: Maas fordert zügige Entscheidung der EU über Sanktionen gegen Belarus

Nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl in Belarus hat Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) auf eine rasche Entscheidung der EU über mögliche Sanktionen gegen das Land gedrängt. In der Vergangenheit verhängte Strafmaßnahmen gegen Belarus seien aufgehoben worden, weil das Land „Schritte in die richtige Richtung“ unternommen habe, sagte Maas auf einer Pressekonferenz mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow in Moskau am Dienstag. So habe Minsk etwa politische Gefangene freigelassen.

Die EU müsse allerdings jetzt im Lichte der vergangenen Tage und Wochen „sehr ernsthaft darüber diskutieren“, ob „wir an diesen Entscheidungen nicht doch noch einmal etwas verändern müssen und dies dann auch sehr zügig“, forderte Maas.

Dem offiziellen Wahlergebnis zufolge soll der seit 26 Jahren autoritär regierende Präsident Alexander Lukaschenko die Wahl in Belarus am Sonntag mit mehr als 80 Prozent gewonnen haben. Die führende Oppositionskandidatin Swetlana Tichanowskaja, die inzwischen nach Litauen geflohen ist, soll nur auf knapp zehn Prozent gekommen sein.

Regierungsgegner sind sich sicher, dass in Wahrheit Tichanowskaja die meisten Stimmen bekommen hat. Auch die Bundesregierung und die EU-Kommission äußerten massive Zweifel an dem offiziellen Wahlergebnis. Auf Empörung stößt international auch, dass die Sicherheitskräfte mit großer Brutalität gegen die tausenden regierungskritischen Demonstranten vorgehen und zahlreiche Protestierende festnahmen. Maas forderte vor diesem Hintergrund die umgehende Freilassung von festgenommenen, friedlichen Demonstranten und Medienvertretern: „Diese müssen freigelassen werden und zwar unverzüglich.“

11.08.2020 08:08 Uhr: Minister: Belarussische Oppositionskandidatin nach Litauen ausgereist

Die bei der Präsidentschaftswahl in Belarus unterlegene Oppositionskandidatin Swetlana Tichanowskaja ist nach Litauen ausgereist. „Sie ist in Litauen angekommen und in Sicherheit“, sagte der litauische Außenminister Linas Linkevicius der Nachrichtenagentur AFP am Montag. Die belarussische Polizei ging in den vergangenen Tagen gewaltsam gegen Demonstranten vor, die gegen die Wiederwahl des amtierenden Präsidenten Alexander Lukaschenko protestierten.

10.08.2020 16:12 Uhr: Erstes Todesopfer unter den Demonstranten von Polizei-Lkw umgefahren

Nach einem Bericht der „Bild“-Zeitung haben die Proteste gegen den mutmaßlichen Wahlbetrug des amtierenden Präsidenten von Weißrussland ein erstes Todesopfer unter den Demonstranten gefordert.

Entsprechend den Beobachtern vor Ort – Anhänger der Aktivistengruppe Spring 96 und der Menschenrechtsorganisation „Viasna“ – sei ein junger Mann von einem Gefangenentransporter der Polizei umgefahren worden. Dabei habe er sich eine schwere Kopfverletzung zugezogen. Demonstranten versuchten bereits im Vorfeld Gefangenentransporter mit festgenommenen Demonstranten zum Stoppen zu bringen. Ob das bei dem mutmaßlich tödlichen Unfall auch der Fall war, ist nicht eindeutig geklärt.

Es hieß durch die Aktivisten, dass der junge Mann erstversorgt worden sei. Die Rettungskräfte hätten jedoch sein Leben nicht mehr retten können. Laut mehreren Quellen handelt es sich bei dem Todesopfer um Evgeny Z.

Das Innenministerium wies laut „Bild“-Zeitung die Angaben der Beobachter zu dem Todesfall zurück. „Wir haben keinen Toten“, sagte eine Sprecherin.

Ein Korrespondent des britischen „Independent“ soll berichtet haben, dass der klinische Tod des Mannes noch nicht festgestellt worden sei, wohl aber hätten die Ärzte keinerlei Hoffnung auf ein Überleben mehr, schreibt die „Bild“-Zeitung.

Wie viele Verletzte es aufgrund der teils gewaltsamen Proteste insgesamt gibt, ist nicht bekannt. Es heißt bislang, dass es „Dutzende“ verletzte Personen gäbe. Staatliche Stellen sprachen von rund 3.000 festgenommenen Personen.

12:10 Uhr: Bundesregierung hat „große Zweifel“ an der umstrittenen Präsidentschaftswahl

Die Bundesregierung hat „große Zweifel“ an der umstrittenen Präsidentschaftswahl in Belarus geäußert, aus der Amtsinhaber Alexander Lukaschenko laut Wahlkommission als Sieger hervorgegangen ist. Es sei „ganz offenkundig“, dass bei der Wahl am Sonntag „die Mindeststandards für demokratische Wahlen nicht eingehalten wurden“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Die Berichte über Wahlfälschung seien „glaubhaft“.

Die politische Führung in Minsk müsse den Willen der Bürger akzeptieren, forderte der Regierungssprecher. Die Bundesregierung verurteile den Einsatz von Gewalt gegen friedlich demonstrierende Menschen und die Festnahmen. Es müsse nun im Rahmen der EU besprochen werden, wie Europa „gemeinsam und angemessen reagiert“.

Ein Sprecher des Auswärtigen Amts sagte, es gebe „zahlreiche Hinweise“ auf Verfälschungen. Die Wahl sei „offensichtlich“ nicht frei und fair verlaufen. Er wertete den Ausgang der Wahl als „Rückschlag“, nachdem die EU seit langem einen Dialog mit Belarus geführt habe.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen forderte die belarussischen Behörden unterdessen auf, die Wählerstimmen „exakt auszuzählen und zu veröffentlichen“. „Die Grundrechte in Belarus müssen respektiert werden“, erklärte von der Leyen im Kurzbotschaftendienst Twitter.

11: 30 Uhr: Oppositionskandidatin: „Regierung muss nachdenken, wie sie die Macht friedlich an uns übergeben kann“

Nach der Präsidentschaftswahl in Belarus hat die Oppositionskandidatin Swetlana Tichanowskaja den langjährigen Amtsinhaber Alexander Lukaschenko zum Rückzug aufgefordert und sich selbst zur Wahlsiegerin erklärt. Die Regierung müsse darüber nachdenken, „wie sie die Macht friedlich an uns übergeben kann“, sagte Tichanowskaja am Montag vor Journalisten in Minsk. „Ich betrachte mich selbst als die Gewinnerin dieser Wahl.“

7:40 Uhr: Nach Scheinwahl: Lukaschenko geht mit Gewalt gegen Demonstranten vor

In Belarus soll der langjährige Amtsinhaber Alexander Lukaschenko die Präsidentschaftswahlen laut einer offiziellen Prognose mit überwältigender Mehrheit gewonnen haben – doch die Opposition zweifelt dies an. Die „Mehrheit“ der Bevölkerung stehe hinter ihr, sagte am Sonntagabend die Oppositionskandidatin Swetlana Tichanowskaja. Kurz nach Veröffentlichung der Prognose strömten tausende regierungskritische Demonstranten in der Hauptstadt Minsk zusammen. Es kam zu gewalttätigen Konfrontationen mit den Sicherheitskräften.

Laut der Prognose des Staatsfernsehens soll der seit 26 Jahren mit harter Hand regierende Lukaschenko knapp 80 Prozent der Stimmen geholt haben. Tichanowskaja, zu deren Kundgebungen in den vergangenen Wochen immer wieder tausende Menschen gekommen waren, soll demnach nur 6,8 Prozent erzielt haben. Offizielle Ergebnisse standen in der Nacht zunächst noch aus. Die Wahlbeteiligung lag nach Angaben der Behörden bei 84,5 Prozent.

Tichanowskaja sagte nach Veröffentlichung der Prognose: „Ich glaube an das, was ich mit eigenen Augen sehe, und ich sehe, dass die Mehrheit hinter uns steht.“ Auch schon allein dadurch, „dass wir unsere Angst, unsere Apathie und unsere Gleichgültigkeit besiegt haben“, habe ihre Seite triumphiert.

Die 37-jährige Hausfrau ohne politische Vorerfahrung hatte in den vergangenen Wochen an Zustimmung gewonnen, obwohl die Behörden hart gegen die Opposition vorgegangen waren. Tichanowskaja war angetreten, nachdem ihr Mann, der bekannte Blogger Sergej Tichanowski, inhaftiert und von der Wahl ausgeschlossen worden war.

Trotz Demonstrationsverbot gehen Tausende auf die Straße

Ungeachtet eines Demonstrationsverbots machten tausende Menschen im Zentrum von Minsk ihrem Unmut über die offizielle Wahlprognose Luft. Die Sicherheitskräfte gingen hart gegen die Protestierenden vor. Es sei „Spezialgerät“ zur Auflösung von Menschenmengen eingesetzt worden, darunter Lärmgranaten, teilte die Polizei mit. Nach ihren Angaben gab es auch Festnahmen, eine Zahl nannte die Polizei jedoch zunächst nicht.

Offenbar wurden bei den Konfrontationen auch Menschen verletzt. Bilder in den Onlinenetzwerken zeigten Demonstranten, die mit blutüberströmten Gesichtern durch die Straßen liefen. Ein vom Sender Radio Liberty live übertragenes Video zeigte hunderte Bereitschaftspolizisten, die Demonstranten gegenüberstanden und Schockgranaten abfeuerten. Protestierende versuchten, Barrikaden zu errichten.

Oppositionsnahe Medien meldeten, ein Polizei-Mannschaftswagen sei in die Menge gefahren. Demnach sollen die Sicherheitskräfte auch Wasserwerfer eingesetzt und Gummigeschosse abgefeuert haben. Nach Stunden des Chaos verbreitete die staatliche Nachrichtenagentur Belta in der Nacht eine Mitteilung des Innenministeriums, die Lage sei „unter Kontrolle“. Auch aus anderen Städten des Landes kam es laut Berichten örtlicher Medien zu Protesten.

„Eine tiefe, noch nie dagegewesene Krise zieht herauf“, sagte Tichanowskajas Mitstreiterin Maria Kolesnikowa am Abend bei einer Pressekonferenz. Sie warf der Regierung Wahlbetrug vor. So habe die Beteiligung in mehreren Wahllokalen bei mehr als 100 Prozent gelegen. „Die Behörden sollten eingestehen, dass die Mehrheit auf der anderen Seite steht“, sagte Kolesnikowa. Die Opposition hatte bereits vor dem Urnengang erklärt, sie rechne mit Wahlbetrug. (afp)



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