New Yorker Zarrab-Prozess ungefiltert auf 140 Zeichen

Der New Yorker Prozess um Reza Zarrab sorgt seit Wochen für Aufregung in Ankara. Doch wegen der Brisanz des Falls für die Regierung ziehen die meisten Sender und Zeitungen es vor, nur recht allgemein darüber zu berichten.
Titelbild
Reza ZarrabFoto: OZAN KOSE/AFP/Getty Images
Epoch Times5. Dezember 2017

Der New Yorker Prozess um Reza Zarrab sorgt seit Wochen für Aufregung in Ankara, doch in den türkischen Medien kommen die Zeugenaussagen des türkisch-iranischen Geschäftsmanns kaum vor.

Wegen der Brisanz des Falls für die Regierung ziehen die meisten Sender und Zeitungen es vor, nur recht allgemein darüber zu berichten. Frustriert über diese Selbstzensur informieren sich viele Türken nun auf Twitter über das Verfahren, das die türkische Führung in Bedrängnis bringt.

Auf dem Kurzmitteilungsdienst werden seit Prozessbeginn vor einer Woche Berichte über den Fortgang des Verfahrens eifrig geteilt und kommentiert. New Yorker Gerichtsreporter, die den Prozess vor Ort verfolgen, haben über Nacht tausende neue Follower gewonnen – manche US-Berichterstatter bieten inzwischen schon türkischsprachige Tweets an, um den Wissensdurst der Leser am fernen Bosporus zu stillen.

So stieg allein die Zahl der Abonnenten von Pete Brush (@PeteBrush) von der US-Spezialseite Law360 allein am zweiten Prozesstag von 5000 auf 27.000. Viele Nutzer verfolgen jedes Wort des Rechtsexperten und werden ungeduldig, wenn Pete Brush sich nicht meldet. „Los Pete, genug geschlafen! An die Arbeit, die ganze Türkei wartet“, schrieb ein Nutzer.

Zarrab ließ im Zeugenstand eine regelrechte Bombe platzen: Er sagte aus, 2012 dem damaligen türkischen Wirtschaftsminister Zafer Caglayan Millionen Dollar als Beteiligung an seinen Goldgeschäften mit dem Iran gezahlt zu haben. Zudem sagte er, dass der damalige Regierungschef und heutige Präsident Recep Tayyip Erdogan voll über die Geschäfte informiert gewesen sei, die aus Sicht der Anklage ein Verstoß gegen US-Sanktionen darstellten.

Zarrabs Goldgeschäfte und seine Verbindungen zur Regierung waren bereits im Dezember 2013 Gegenstand von Ermittlungen in der Türkei, doch wurden sie damals auf Druck von Erdogan rasch eingestellt. Dass die Affäre nun in New York erneut aufgerollt wird, ist extrem unangenehm für Ankara. Besonders brisant ist, dass Zarrab auf schuldig plädiert und sich bereiterklärt hat, gegen seine Mitangeklagten auszusagen.

Obwohl die Brisanz seiner Aussagen unbestreitbar ist, haben weder die amtliche Nachrichtenagentur Anadolu noch der Staatssender TRT im Detail darüber berichtet. Stattdessen räumte die Regierungspresse den Vorwürfen Ankaras breiten Raum ein, wonach der Prozess ein Versuch zur „Verleumdung“ der Türkei sei.

Auf Twitter rangierte dagegen am zweiten Prozesstag der Hashtag #ZaferCaglayan ganz oben. Das Interesse für den in Abwesenheit angeklagten Ex-Minister zeigt, dass den Türken die Korruptionsvorwürfe nicht entgangen sind. Twitter-Nutzer loben die Objektivität der twitternden US-Journalisten, die im scharfen Kontrast zur selektiven Berichterstattung der Regierungspresse stehe.

Mit Ausnahme einiger kleiner unabhängiger Zeitungen wie „Cumhuriyet“, „BirGün“ oder „Evrensel“ sind in der Türkei Presse, Rundfunk und Fernsehen in der Hand großer Konzerne. Twitter ist da einer der wenigen Räume, in denen eine freie Debatte noch möglich ist.

Auch am Montag loggten viele Türken in dem Onlinedienst ein, um den vierten Prozesstag zu verfolgen. Angesichts der Zahl seiner nicht-englischsprachigen Follower übersetzte der Gerichtsreporter Adam Klasfeld (@KlasfeldReports) ausnahmsweise einige Tweets auf Türkisch. Als sich ein Jury-Mitglied verspätete, schrieb ein Nutzer ungeduldig: „Ich hoffe er/sie begreift, dass er die ganze Welt mit angehaltenem Atem warten lässt.“ (afp)



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