Neuer EU-Strategieplan: Das Thema Gesundheit spielt nur eine Nebenrolle

Alle fünf Jahre legen die EU-Staaten die Prioritäten für das kommende halbe Jahrzehnt fest. Aktuell stehen geopolitische Themen im Mittelpunkt. EU-Parlamentarier kritisieren fehlenden Blick auf die Gesundheit der Europäer.
Die EU-Richtlinie legt nach Angaben der EU-Staaten auch fest, wie viel Energie Gebäude ab einem bestimmten Zeitraum maximal verbrauchen dürfen.
Die EU verabschiedet Ende Juni die Strategische Agenda für die Jahre 2024 bis 2029.Foto: Arne Immanuel Bänsch/dpa
Von 20. Juni 2024

„Ein guter Zugang zur Gesundheitsversorgung“ soll – gemeinsam mit anderen Aspekten wie „ein hohes Maß an Verbraucherschutz und Lebensstandards“ – dazu beitragen, „dass Europa seinen Lebensstil bewahren kann“. Diese Worte stehen in der Strategischen Agenda der Europäische Union (EU) für die Jahre 2019 bis 2024.

Alle fünf Jahre werden die Ziele für eine weitere halbe Dekade formuliert. In dem Entwurf für die Jahre 2024 bis 2029 erscheint der Begriff „Gesundheit“ gar nicht. Er wird bestenfalls umschrieben und im Zusammenhang mit anderen Themen erwähnt. Das schreibt das Online-Portal „Euractiv“, dem der Entwurf bereits vorliegt. Das Papier soll während der Tagung des Europäischen Rates am 27./28. Juni 2024 verabschiedet werden.

Politische Prioritäten für die nächsten fünf Jahre

Die Strategische Agenda wird von den Staats- und Regierungschefs der EU alle fünf Jahre festgelegt. Beraten und entscheiden wird unter der Leitung des Belgiers Charles Michel, der seit dem 1. Dezember 2019 Präsident des Europäischen Rates ist. Die Agenda wird im Kontext der Wahlen zum Europaparlament und vor der Ernennung der jeweiligen Europäischen Kommission definiert.

Im Verlauf einer informellen Tagung des Europäischen Rates, zu der Michel für den 6. Oktober 2023 ins spanische Granada eingeladen hatte, erörterten die Staats- und Regierungschefs der EU zum ersten Mal die Prioritäten für die strategische Agenda 2024–2029. Diese sind wie folgt: Resilienz und Wettbewerbsfähigkeit, Energie, Migration, globales Engagement und Erweiterung.

Im November fand dann die Erste von mehreren sogenannten Konsultationsrunden statt. Unter der Leitung des 48-jährigen Ratspräsidenten erörterten die Teilnehmer die zentralen Themen und besprachen mögliche Maßnahmen oder auch die Finanzierung. Die ersten Konsultationen fanden in Berlin, Kopenhagen, Zagreb und Paris statt. Im April waren weitere Termine in Vilnius, Bukarest, Warschau und Wien angesetzt.

Gesundheit taucht nur noch am Rande auf

Das nun geleakte Dokument konzentriert sich laut „Euractiv“ auf „geopolitische Herausforderungen“, denen sich die EU in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit stellen müsse. Insgesamt tauche das Thema Gesundheit nur an zwei Stellen im Text auf, stets in Verbindung mit anderen Aspekten wie Künstlicher Intelligenz (KI) und Verteidigung.

Für die Europäische Volkspartei (EVP) ist die Gesundheit eine „Priorität“ für die nächsten fünf Jahre, zitiert „Euractiv“ den deutschen Europaabgeordneten Peter Liese. „Es kann viel getan werden, auch mit unseren begrenzten Kompetenzen, um das Leben der Menschen konkret zu verbessern. Es ist bedauerlich, wenn der Rat die Gesundheit nicht als Schwerpunkt hat“, fügte er hinzu. Der 59-jährige Mediziner Liese ist CDU-Mitglied und seit 2009 EVP-Koordinator im Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit.

Auch in seinem persönlichen Internetauftritt hebt er sein Hauptanliegen hervor: „Hauptsache gesund“, heißt es da. Daher müsse Politik auf allen Ebenen einen entscheidenden Beitrag leisten, schreibt er. Liese engagiert sich auch im Kampf gegen Arzneimittelknappheit. Es sei „höchste Zeit für gemeinsames europäisches Handeln“.

Kritikern fehlt entscheidender Teil für die Sicherheit der Europäer

Auch andere Politiker äußerten Unverständnis: „Schockierend, dass das geleakte EU-Strategiedokument 2024/2029 die Gesundheit nicht erwähnt“, schrieb die portugiesische Europaabgeordnete Sara Cerdas (S&D) auf X (vormals Twitter).

Den finnischen Europaabgeordneten Nils Torvalds (Renew) zitiert „Euractiv“ mit den Worten: „Es ist ein wenig überraschend und besorgniserregend, dass die Staats- und Regierungschefs die Schrecken der letzten Pandemie sowie die gesundheitlichen Risiken, denen wir aufgrund des Klimawandels und der vom Menschen verursachten Schadstoffe wie Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS) ausgesetzt sind, bereits vergessen zu haben scheinen“.

Und die finnische Europaabgeordnete Silvia Modig (Die Linke) sagte gegenüber dem Portal: „Es ist unglaublich, dass die Gesundheit in dem Programmentwurf des Rates fehlt. Wenn der Rat sein Programm ohne die Gesundheit verabschiedet, fehlt ihm ein entscheidender Teil für die Sicherheit der Europäer.“

Derzeitiger Rat verweist auf politische Verpflichtungen der EU

Dabei gibt es sogar eine Empfehlung des derzeitigen Rates, das Gesundheitsthema nicht aus dem Blick zu verlieren. Die am 29. Mai 2024 veröffentlichten Schlussfolgerungen stehen unter der Überschrift: „Die Zukunft der Europäischen Gesundheitsunion: Ein Europa der Pflege, der Vorsorge und des Schutzes“. Auf Seite drei des 25-seitigen Papiers betont der Rat unter anderem, dass der Zugang zu Gesundheitsversorgung und Gesundheitsvorsorge ein Grundrecht ist. Er verweist auf Artikel 168 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), in dem es eingangs heißt: „Bei der Festlegung und Durchführung aller Unionspolitiken und -maßnahmen wird ein hohes Gesundheitsschutzniveau sichergestellt.“

Zudem verweist der Rat in seinen Schlussfolgerungen darauf, dass das Europäische Parlament, der Rat der Europäischen Union und die Kommission gemeinsam die politische Verpflichtung eingegangen sei, „im Rahmen ihrer Zuständigkeiten dafür zu sorgen, dass jede Person das Recht auf rechtzeitige, hochwertige und bezahlbare Gesundheitsvorsorge und Heilbehandlung“ hat.

Der Rat für Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz (EPSCO) wird am Freitag, 21. Juni, die Schlussfolgerungen zur Zukunft der Europäischen Gesundheitsunion „voraussichtlich billigen“, heißt es auf der Internetseite. Auf der Tagesordnung steht auch die Verabschiedung einer Empfehlung, Impfungen gegen humane Papillomviren (HPV) und das Hepatitis‑B-Virus (HBV), die beide Krebs verursachen könnten, zu fördern.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion