Neue Minister und Investitionen: Johnsons Pläne nach dem Brexit
Der britische Premierminister Boris Johnson hat seinen Wählern versprochen, dass nach dem Austritt Großbritanniens aus der EU nicht mehr über den Brexit gesprochen wird. Als Nächstes wird eine Regierungsumbildung erwartet.
„Johnson will eine schlanke und effektive Regierung“, sagt der Ökonom Iain Begg von der London School of Economics (LSE). Sicher ist, dass künftig das Brexit-Ministerium wegfallen wird.
Hinzukommen könnte Begg zufolge hingegen eine Art „Nordengland“-Ministerium, das sich um die zurückgebliebenen Landstriche kümmert, die Johnson bei der Wahl Mitte Dezember seine komfortable Regierungsmehrheit bescherten.
Auch in den unteren Ebenen der Ministerien sind Umwälzungen wahrscheinlich. Johnson hat einen schlechten Stand bei den Ministerialbeamten, denen er wiederholt vorgeworfen hatte, den Brexit zu torpedieren. Sein wichtigster Berater Dominic Cummings hatte Anfang Januar in einem Blogbeitrag „Weirdos and Misfits“ („Verrückte und Außenseiter“) aufgerufen, sich auf Regierungsjobs zu bewerben. Sie sollen die Regierung kreativer und effizienter machen.
Mögliche Konflikte bei Kürzungen beim britischen Militär denkbar
Mit großer Spannung wird ebenfalls der erste Staatshaushalt nach dem Brexit am 11. März erwartet. Zu den Wahlversprechen Johnsons gehört unter anderem die „größte Ausgabensteigerung der modernen Geschichte“ für den steuerfinanzierten Gesundheitsdienst NHS sowie 20.000 neue Polizisten.
Dazu gehören auch teure Infrastrukturprojekte wie die Hochgeschwindigkeits-Bahnverbindung High Speed 2 von London in den Norden des Landes, die allein geschätzt mehr als 100 Milliarden Pfund benötigen würde. „Wohnungsbau wird auch ganz oben auf der Agenda stehen“, glaubt Begg. Da hingen die Briten – ähnlich wie Deutschland – der Bevölkerungsentwicklung hinterher.
Konflikte könnte es seiner Einschätzung zufolge bei Kürzungen beim britischen Militär geben, das dank Flugzeugträgern und Nuklearwaffen zu den schlagkräftigsten – aber auch zu den teuersten – in ganz Europa gehört.
Unklar ist Begg, wo die Johnson-Regierung dringend benötigte Fachkräfte wie Bauarbeiter und Pfleger finden will, wenn sie die Freizügigkeit aus der EU wie geplant durch ein Punktesystem nach australischem Vorbild ersetzen will.
„Ich glaube nicht, dass die Änderungen insgesamt so dramatisch werden“, sagt Begg. „Das erste Jahr einer Regierung ist traditionell das, in dem die Regierung viele ihrer Wahlversprechen wieder zurücknimmt.“ Außerdem werde der konservative Finanzminister Sajid Javid gegen Steuererhöhungen und neue Schulden ankämpfen.
Außenpolitische Beziehungen
Helfen könnte ein Freihandelsabkommen mit den USA. Dieses könnte bereits bis zum Jahresende stehen, sagte der US-Finanzminister Steven Mnuchin auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. Mnuchin hatte kurz davor mit Strafzöllen auf britische Autos gedroht, sollte Johnson nicht Abstand von seinen Steuerplänen für große Digitalkonzerne wie Amazon oder Google nehmen.
US-Außenminister Mike Pompeo twitterte unmittelbar nach dem Brexit, sein Land werde nun „unsere bereits starken, produktiven und erfolgreichen Beziehungen zu Großbritannien weiter ausbauen“.
Da waren es nur noch 27
In den vergangenen Jahrzehnten war die Europäische Union stetig gewachsen. Nun hat erstmals ein Land die EU verlassen. Die wichtigsten Etappen in der Geschichte der EU:
– 1957: Deutschland, Frankreich, Italien, Belgien, die Niederlande und Luxemburg unterzeichnen die Verträge über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und die Europäische Atomgemeinschaft (Euratom); als Sammelbegriff bürgert sich Europäische Gemeinschaft (EG) ein.
– 1973: Großbritannien, Irland und Dänemark treten der EG bei.
– 1979: Erste Direktwahlen zum Europäischen Parlament.
– 1981: Griechenland wird zehntes Mitglied der EG.
– 1986: Spanien und Portugal treten der EG bei.
– 1993: Der Vertrag von Maastricht tritt in Kraft. Aus der Europäischen Gemeinschaft wird die Europäische Union (EU).
– 1995: Mit dem Beitritt Österreichs, Schwedens und Finnlands steigt die Zahl der EU-Staaten auf 15.
– 2004: Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, die Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn und Zypern treten der EU bei, die nunmehr 25 Mitgliedstaaten zählt.
– 2007: Bulgarien und Rumänien schließen sich der EU an, die damit auf 27 Mitgliedstaaten anwächst.
– 2013: Kroatien tritt als bislang letztes Land der EU bei.
– 2020: Gut dreieinhalb Jahre nach dem Referendum über den EU-Austritt hat Großbritannien als erster Mitgliedstaat die Europäische Union verlassen.
(afp)
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