Neue EU-Kommission: Orbán-treuer Kommissar bei Ernennung ausgelacht
Der ungarische EU-Kommissar Olivér Várhelyi wird in der nächsten Amtszeit für Gesundheit und Tierschutz zuständig sein. Die Ernennung durch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wurde von einigen mit Zweifeln begleitet, sowohl in Brüssel als auch in Ungarn. Bei der Pressekonferenz gab es sogar verhaltenes Gelächter.
„Der ungarische Kommissar bekommt den Posten, der am wenigsten wichtig ist. Einen solchen Posten hat es noch nie gegeben, er wird extra geschaffen, um Orbán zu demütigen“, schrieb Csaba Molnár, Europaabgeordneter der ungarischen linksgerichteten KD-Partei, in einem Facebook-Post.
Der von Ministerpräsident Viktor Orbán nominierte Várhelyi war zuvor für das Ressort Erweiterung und Nachbarschaft zuständig. Sowohl Várhelyi als auch seine Fraktion äußerten sich positiv zu der Ernennung und betonten die Bedeutung des Postens.
Spötterei und ihre Ursache
Várhelyi „wird für den Aufbau einer ‚Europäischen Gesundheitsunion‘, die Fortsetzung der Bemühungen zur Krebsbekämpfung und die Förderung der Gesundheitsvorsorge verantwortlich sein“, sagte von der Leyen am Dienstag, 17. September.
Das Thema Gesundheit fällt jedoch im Wesentlichen in die nationale Zuständigkeit und so werde Várhelyi daher kaum Kompetenzen haben, kommentiert der Oppositionspolitiker Molnár. Várhelyi werde Molnár zufolge außerdem in der Hierarchie der Kommission dem rumänischen Kommissar untergeordnet sein. Vor dem Hintergrund von historischen rumänisch-ungarischen Auseinandersetzungen könnte dies zu einer prekären Situation führen.
Die Schaffung des neuen Postens selbst hat in Fachkreisen und unter Aktivisten auch Hoffnungen geweckt. Allerdings ist Várhelyi nicht dafür bekannt, dass er Erfahrung oder Wissen in diesem Bereich hat.
Stephanie Ghislain von Eurogroup for Animals sagte gegenüber „Politico“, dass die Tierschützer „sehr froh“ darüber seien, dass in der Kommission ein Ressort für Tierschutz geschaffen wurde, aber weniger darüber, dass Várhelyi den Posten bekommen habe. Er würde Engagement und Erfahrung brauchen, um den Job zu machen.
Wir sind sehr zufrieden mit dem Titel, wir behalten aber unsere Meinung über die Person für uns“, sagte Ghislain.
Ghislain sagte auch, dass es bei ihrer Organisation Bedenken gebe, dass Várhelyis Ernennung als „Mittelfinger an Budapest“ verstanden werden könnte. „Wir hoffen, dass Präsidentin von der Leyen bestätigt, dass es sich nicht um einen solchen Schritt handelt“, sagte sie.
Oft in der Kritik
Várhelyi wurde im Laufe der Jahre für seinen „Umgang mit dem EU-Erweiterungsressort, seinen Ansatz gegenüber Beitrittskandidaten, bei denen Bedenken hinsichtlich Rechtsstaatlichkeit und Demokratie bestanden, und seinen ruppigen Führungsstil“ kritisiert, erinnert „Politico“.
Der Kommissar löste zum Beispiel eine Kontroverse aus, als er im Oktober 2023, ohne sich mit von der Leyen abzusprechen, nach den Hamas-Anschlägen in Israel ankündigte, dass alle EU-Hilfen für die Palästinenser ausgesetzt werden sollten.
Der Politiker wurde auch für verbale Ausfälle kritisiert. Laut der ungarischen Wirtschaftszeitung „hvg.hu“ hat Várhelyi Journalisten der ungarischen Opposition zurechtgewiesen, „wenn sie Fragen zu Themen stellen wollten, die für die Regierung unangenehm waren“. Allerdings stellt die Zeitung auch fest, dass „niemand bestreitet, dass hinter dem Stil ein ernsthaftes Fachwissen steckt“.
Várhelyi werde zudem dafür kritisiert, dass er sich bei seinen Ansichten auf die Seite der Orbán-Regierung und nicht die der Kommission gestellt habe, schreibt „euronews“.
Várhelyi: Ich werde hart arbeiten
In einer Nachricht auf X schrieb Várhelyi, dass die Nominierung eine Anerkennung der ungarischen Gesundheitsfürsorge und des ungarischen Wissens sei. Diese „stehen seit mehr als hundert Jahren an der Spitze der Welt und sind von großen Namen wie Ignaz Semmelweis, Albert Szent-Györgyi und Katalin Karikó geprägt“.
Es sei eine große Aufgabe, diese Spitzenstellung glaubwürdig zu vertreten, so Várhelyi. „Ich werde hart daran arbeiten, mir dieses Vertrauen zu verdienen, so wie ich es in den vergangenen fünf Jahren getan habe“, erklärte der Politiker.
Semmelweis war ein ungarischer Arzt, der die Bedeutung der Händehygiene zur Vermeidung von Infektionen in der Geburtshilfe entdeckte. Karikó ist eine ungarische Biochemikerin und Nobelpreisträgerin von 2023, die zur Entwicklung der mRNA-Technologie beigetragen hat, welche in COVID-19-Impfstoffen genutzt wird. Szent-Györgyi entdeckte das Vitamin C entdeckt und erforschte dessen Rolle bei der Prävention von Krankheiten wie Skorbut.
Weitere Reaktionen aus Ungarn
Der Europaabgeordnete von Orbáns Fidesz-Partei Tamás Deutsch äußerte sich positiv zu der Ernennung. Der Politiker verwies auf die Bedeutung des Gesundheitswesens, insbesondere angesichts der jüngsten Pandemie.
„Viele Experten sagen, dass wir das Zeitalter der Epidemien erreicht haben. Das zeigt deutlich, dass die Gesundheit einer der wichtigsten Bereiche ist, die die Zukunft der EU bestimmen werden“, sagte er in laut der Zeitung „Magyar Nemzet“.
Deutsch wandte sich auch auf Facebook an die Spötter. In seinem Beitrag schrieb er, dass „all diejenigen, die sich jetzt aus politischer Voreingenommenheit über die neuen Aufgaben des designierten ungarischen Kommissars lustig machen, in Wirklichkeit Patienten und Beschäftigte im Gesundheitswesen verhöhnen.“
Der ungarische Außenminister Péter Szijjártó zeigte sich nicht begeistert. Er sagte, dass „die Entscheidung des Präsidenten der Europäischen Kommission, Olivér Várhelyi nicht zu erlauben, seine Arbeit als Kommissar für Erweiterungspolitik fortzusetzen, zur Heuchelei von Brüssel passt“.
Es ist jedoch bisher nicht sicher, ob die Ernennung tatsächlich stattfinden wird. Von der Leyen stellte zwar am Dienstag ihre Liste für die neue Europäische Kommission vor, das letzte Wort hat aber das Europäische Parlament. Eine Mehrheitsentscheidung könnte bestimmte Kandidaten sogar ausschließen. Dadurch könnte sich auch der für den 1. November geplante Amtsantritt der Kommission verzögern.
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