Netanjahu vor US-Kongress: Scharfe Worte gegen den Iran – Hamas nennt Bemühungen um Waffenruhe „eine glatte Lüge“

Eine Nachkriegsordnung im Gazastreifen sollte die Entmachtung der Hamas umfassen, erklärte der israelische Regierungschef Netanjahu vor dem US-Kongress. Das Gebiet solle zivil verwaltet werden, von Palästinensen, „die nicht versuchen, Israel zu zerstören". Er wies Kritik am militärischen Vorgehen seines Landes im Gazastreifen zurück.
Netanjahu hat sein Vorgehen im Gaza-Krieg vor dem US-Kongress verteidigt.
Netanjahu hat sein Vorgehen im Gaza-Krieg vor dem US-Kongress verteidigt.Foto: Julia Nikhinson/AP
Epoch Times25. Juli 2024

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Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat sich in einer Rede vor dem US-Kongress zuversichtlich zu den Erfolgsaussichten der Verhandlungen über eine Freilassung der von der radikalislamischen Hamas gehaltenen Geiseln gezeigt. Netanjahu warb für den gemeinsamen Kampf Israels und der USA gegen den Iran und dessen Verbündete im Nahen Osten und um schnellere Lieferungen von US-Militärhilfen für sein Land.

Der israelische Regierungschef verwies in der gemeinsamen Sitzung von Senat und Repräsentantenhaus in Washington auf die derzeit stattfindenden Verhandlungen in Doha und dankte US-Präsident Joe Biden für seine „unermüdlichen Anstrengungen im Interesse der Geiseln“.

Die Verhandlungen über eine Waffenruhe und die Freilassung von Geiseln befinden sich nach Angaben eines US-Regierungsvertreters in der „Schlussphase“. US-Präsident Joe Biden werde bei seinen Gesprächen mit dem israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu am Donnerstag versuchen, einige „letzte Lücken“ zu schließen.

Wichtige Bereiche, wie etwa in Bezug auf die Geiseln, würden jedoch in der Hand der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas liegen. Die USA seien der Ansicht, dass eine Einigung erzielt werden könne. In der kommenden Woche werde es dafür „viele Aktivitäten“ geben.

Nachkriegsordnung: Entmachtung der Hamas

Eine Nachkriegsordnung im Gazastreifen sollte aus Netanjahus Sicht die Entmachtung der islamistischen Hamas umfassen.

„An dem Tag, nachdem wir die Hamas besiegt haben, kann ein neues Gaza entstehen“, sagte Netanjahu am Mittwoch in einer gemeinsamen Sitzung von Senat und Repräsentantenhaus in Washington. „Meine Vision für diesen Tag ist ein entmilitarisierter und deradikalisierter Gazastreifen.“

Der Gazastreifen solle eine zivile Verwaltung haben, an deren Spitze „Palästinenser stehen, die nicht versuchen, Israel zu zerstören“, führte Netanjahu aus. Die sei „nicht zu viel verlangt“.

Er betonte, dass Israel „keine Umsiedlung“ des Gazastreifens anstrebe. „Aber für die absehbare Zukunft müssen wir dort die oberste Sicherheitskontrolle behalten, um das Wiederaufleben des Terrors zu verhindern und sicherzustellen, dass der Gazastreifen nie wieder eine Bedrohung für Israel darstellt.“

Alles tun, um sich zu verteidigen

In diesem Zusammenhang sagte Netanjahu, Israel werde „alles tun, was nötig ist, um die Sicherheit an unserer Nordgrenze wiederherzustellen und unsere Bevölkerung sicher in ihre Häuser zurückzubringen“.

Seit Beginn des Krieges zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen feuert auch die Hisbollah nahezu täglich Raketen auf Israel ab. Zehntausende Menschen mussten evakuiert werden und können nicht in ihre Häuser zurückkehren.

„Während wir uns an allen Fronten verteidigen, weiß ich, dass Amerika hinter uns steht“, sagte Netanjahu mit Blick auf anhaltenden Angriffe der Hamas, der Hisbollah und der Huthis auf sein Land.

Vor diesem Hintergrund warb der israelische Regierungschef auch für schnellere US-Militärhilfe. Diese könnte das Ende des Krieges im Gazastreifen „erheblich beschleunigen und dazu beitragen, einen größeren Krieg im Nahen Osten zu verhindern“.

Netanjahu wies Vorwürfe zurück, Israel ziele im Gaza-Krieg absichtlich auf Zivilisten ab. Er warf vielmehr der Hamas vor, „alles in ihrer Macht Stehende getan, um palästinensische Zivilisten in Gefahr zu bringen“. Er wies Verantwortung für die humanitäre Not der Menschen im Gazastreifen von sich: „Wenn es Palästinenser im Gazastreifen gibt, die nicht genug Nahrung bekommen, dann nicht, weil Israel sie blockiert. Es liegt daran, dass die Hamas sie stiehlt.“

„Achse des Terrors“

Das Verhältnis zwischen Biden und Netanjahu ist stark angespannt. Zwar hat die Biden-Regierung Israel im seit Anfang Oktober andauernden Krieg gegen die Hamas im Gazastreifen mit Rüstungslieferungen unterstützt. Allerdings hat sich Biden in den vergangenen Monaten kritisch über die israelische Kriegsführung geäußert.

In seiner Kongressrede betonte Netanjahu nun, dass die USA und Israel „zusammenstehen“ müssten. Dies sei notwendig, damit „die Kräfte der Zivilisation triumphieren“.

Er prangerte die vom Iran im Nahen Osten errichtete „Achse des Terrors“ an, welche die USA, Israel und „unsere arabischen Freunde“ bedrohe. Die Hamas und andere Israel-feindliche bewaffnete Gruppierungen wie die Hisbollah im Libanon und die Huthis im Jemen werden von Teheran unterstützt.

Hamas antwortet: Netanjahus Gerede ist „eine glatte Lüge“

Nach der Rede von Netanjahu sprach die islamistische Hamas von Lügen und Verdrehung von Tatsachen. „Netanjahus Gerede über verstärkte Bemühungen um die Rückkehr der Geiseln ist eine glatte Lüge und führt die israelische, amerikanische und internationale Öffentlichkeit in die Irre“, heißt es in einer Stellungnahme der Hamas. Netanjahu hatte in seiner Rede keine Vereinbarung über eine Waffenruhe verkündet.

Netanjahu sei derjenige, „der alle Bemühungen zur Beendigung des Krieges und zum Abschluss eines Abkommens“ über die Freilassung der Geiseln im Austausch gegen palästinensische Häftlinge in israelischen Gefängnissen vereitelt habe, teilte die Hamas weiter mit.

Und das trotz der Bemühungen der Vermittler und der „Flexibilität“, die die Hamas bei den Verhandlungen gezeigt habe. „Man mache Netanjahu für die Folgen dieser Situation und für das Schicksal der Geiseln im Gazastreifen verantwortlich, hieß es.

Angehörige von acht amerikanisch-israelischen Geiseln kritisierten den Auftritt als „politisches Theater“, wie israelische Medien meldeten. „Er hat es versäumt, neue Lösungen oder einen neuen Weg zu präsentieren“, heißt es in einer Erklärung der amerikanischen Angehörigen. „Vor allem hat er es versäumt, sich zu dem Geiselabkommen zu bekennen, das jetzt auf dem Tisch liegt, obwohl Israels ranghohe Verteidigungs- und Geheimdienstbeamte ihn dazu aufgefordert haben“, wurden sie zitiert.

Scharfe Worte gegen den Iran

Netanjahu steht in Israel wegen des Schicksals der Geiseln massiv in der Kritik. Auf Demonstrationen wird ihm seit Monaten vorgeworfen, sich nicht genügen für die Freilassung der Geiseln einzusetzen.

Auch vor dem Kongresssitz in Washington gab es am Mittwoch Proteste gegen Netanjahu. Tausende Menschen forderten vor dem Kapitol eine Waffenruhe im Gazastreifen. Ein Teil der Demonstranten trug palästinensische Flaggen. Die Kapitol-Polizei teilte mit, ganz in der Nähe des Parlaments sei „ein Teil der Menge gewalttätig“ geworden. Es gab Berichte über mehrere Festnahmen.

In seiner Rede griff Netanjahu auch den Iran scharf an. Er warf Teheran vor, die Anti-Israel-Proteste in den USA zu finanzieren und zu fördern. Die pro-palästinensischen Protestteilnehmer vor dem Kapitol kritisierte er mit den Worten, sie seien „nützliche Idioten des Iran“.

Bei seiner Ankunft im Saal des Repräsentantenhauses war der israelische Regierungschef von den oppositionellen Republikanern mit Applaus und Jubel empfangen worden, während sich die Parlamentarier der Demokratischen Partei von Präsident Biden deutlich zurückhielten.

Etliche Demokraten boykottierten seine Rede. Eine von ihnen, die Abgeordnete Ilhan Omar, erklärte, es sei „unmoralisch und grausam“ gegenüber den vielen Kriegsopfern, Netanjahu eine Bühne zu bieten. Sie bezeichnete ihn als „Kriegsverbrecher“, der „Völkermord“ an den Palästinensern begehe.

Weitere Treffen mit Biden, Trump und Harris geplant

Netanjahu war am Montag in Washington eingetroffen. Für Donnerstag ist ein Treffen mit Biden vorgesehen. Auch ein Treffen mit Bidens Stellvertreterin Harris ist geplant. Am Freitag soll Netanjahu auch mit dem früheren US-Präsidenten und erneuten Präsidentschaftskandidaten Donald Trump im US-Bundesstaat Florida zusammentreffen. Zu Trump unterhielt Netanjahu während dessen Präsidentschaft ein deutlich engeres Verhältnis als danach zu Biden.

Der Krieg zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen war durch den beispiellosen Angriff der Radikalislamisten auf Israel am 7. Oktober ausgelöst worden. Dabei waren nach israelischen Angaben 1197 Menschen getötet und 251 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt worden. 114 Geiseln werden immer noch dort festgehalten.

Als Reaktion auf den Überfall geht Israel seither massiv militärisch im Gazastreifen vor. Nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, wurden dabei bislang mehr als 39.100 Menschen getötet.

Die für heute angekündigte Reise einer israelischen Delegation nach Katar zu den indirekten Verhandlungen mit der Hamas verschiebt sich weiter. Sie werde nun erste kommende Woche erwartet, bestätigte eine israelische Repräsentantin. Das genaue Datum sei noch unklar. Da Israel und die Hamas nicht direkt miteinander verhandeln, fungieren Katar, Ägypten und die USA als Vermittler. (afp/dpa/red)



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