„Die Impfpflicht soll ein Weg sein zurück in die Freiheit“
Der neue österreichische Bundeskanzler und ÖVP-Parteivorsitzende Karl Nehammer war mehrere Jahre Berufssoldat, bevor er den Weg in die Politik einschlug. Als Innenminister war er für seinen harten Kurs in der Asyl- und Flüchtlingspolitik bekannt, was ihm Beifall in eigenen Reihen, aber auch Kritik von der Opposition einbrachte.
In den letzten Tagen gab Nehammer einige Medieninterviews zu Österreichs künftigen politischen Kurs. Fragen der Journalisten betreffen die Corona-Politik, Nord Stream 2 sowie Österreichs Haltung zur Migrationsfrage innerhalb der EU.
In seiner neuen Rolle ist die Bewältigung der Corona-Pandemie eine zentrale Herausforderung. Was die künftige Ausrichtung angeht, wird an seinen ersten öffentlichen Statements deutlich, dass Nehammer vorerst an der Strategie seines Vorgängers Sebastian Kurz festhalten wird – und damit auch an der umstrittenen Impfpflicht.
Somit wird sich an der für 1. Februar geplante Impfpflicht für Kinder ab 14 Jahren trotz massiver Proteste von Zigtausenden Bürgern im eigenen Land nichts ändern.
Impfpflicht als Ausweg aus der Pandemie
Nehammer bezeichnetet die Impfung im Interview mit der „Welt“ als einzigen Ausweg aus der Pandemie: „Wir wollen keine Lockdowns mehr, die unsere Freiheit massiv einschränken und der gesamten Wirtschaft schaden. Die Impfpflicht soll ein Weg sein zurück in die Freiheit“.
Dabei beruft er sich auf Experten, die eine Durchimpfungsrate von 85 bis 90 Prozent notwendig halten, um Resilienz aufzubauen. Auch die Strafen für Impfverweigerer hält der Kanzler für angemessen: „Wir können nicht nur vertrauen auf die Einsicht aller impffähigen Bürger, dass Gesetze auch zu befolgen sind. Darum haben wir uns für Bußgelder entschieden.“
Die Höhe der Bußgelder würden sich am Einkommen orientieren. Auch würden sie fallengelassen, falls sich der Betroffene dazu entschließe, sich impfen zu lassen.
Zu den Demonstrationen von Maßnahmen-Kritikern äußerte sich Nehammer im ORF. Die Demonstranten seien eine Mischung aus besorgten Bürgern und teils gewaltbereiten Rechtsextremen. In Wahrheit, so sagt er, werde die Gruppe der Besorgten „missbraucht und instrumentalisiert“.
Auch einen weiteren Lockdown schließt der Kanzler nicht aus. Er bezeichnete sich noch als „Lernenden“ in seiner neuen Rolle.
Die Öffnungsschritte für Geimpfte und den Lockdown für Ungeimpfte verteidigte Nehammer, trotz der Einwände, dass es hinsichtlich der Inzidenzen in Vorarlberg und Wien große Unterschiede gebe.
Die Schutzmaßnahmen beim Öffnen seien streng, sagte er etwa in Verweis auf die FFP2-Maskenpflicht. Auch Experten hätten die Öffnungsschritte als vertretbar bezeichnet.
„Abrüsten der Worte auf allen Seiten“
Wegen einiger Wortgefechte zwischen Nehammers Parteikollegen und der FPÖ betonte der ÖVP-Chef die Notwendigkeit des „Abrüstens der Worte auf allen Seiten“.
Erst kürzlich hatte Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger FPÖ-Chef Herbert Kickl vorgeworfen, er habe „Blut an den Händen“.
Das geht dem neuen Bundeskanzler zu weit. Er habe mit seiner Parteikollegin Köstinger darüber gesprochen. Der FPÖ spricht er derzeit die Regierungsfähigkeit jedoch ab. Kickls Sprache sei momentan „sehr aggressiv“.
Nord Stream 2 notwendig für Versorgungssicherheit
Gegenüber der „Welt“ macht Österreichs Bundeskanzler klar, dass er die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 weiterhin für notwendig hält. Dies sei wichtig, die „Versorgungssicherheit in Energiefragen“ innerhalb der EU sicherzustellen.
Damit positioniert sich Österreich in dieser Frage anders als Deutschland. Erst kürzlich hat die neue Außenministerin Annalena Baerbock sich gegen die Gaspipeline ausgesprochen.
Von der Idee der USA Nord Stream 2 als Druckmittel im Ukraine-Konflikt gegen Russland einzusetzen, um eine mögliche russische Invasion in der Ostukraine zu verhindern, hält er nichts. Damit würde sich die EU nur selbst schaden.
Allerdings macht Nehammer hinsichtlich eines gewaltsamen Vormarsches Russlands deutlich, dass „ein möglicher Völkerrechtsbruch“ wie in der Vergangenheit auch „entsprechende Konsequenzen nach sich ziehen“ würde.
Illegale Migration verhindern
In der Migrationsfrage bleibt Nehammer weiterhin auf Kurs seines Vorgängers. Als Lösung für das Problem der illegalen Migration fordert er schnelle Asylverfahren an den Außengrenzen sowie mehr Rückführungsabkommen mit Herkunfts- und Transitländern.
„Wir müssen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln unkontrollierte und illegale Grenzübertritte verhindern. Es geht dabei auch um unsere Sicherheit: Wenn ehemalige IS-Kämpfer als Migranten in die EU kommen, dann bedeutet das eine ernsthafte Gefahr für die Sicherheit in Europa“, so Nehammer.
Der Kanzler wisse nicht, wie lange die Ressourcen des Landes zur Integration von Flüchtlingen ausreichten. Allein in 2021 gab es 35.000 Asylanträge, womit Österreich an Platz 2 in der EU liegt. Zudem habe das Land seit 2015 insgesamt 136.000 Menschen Schutz gewährt und integriert. (nh)
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