NATO: Türkei nimmt Beitrittsantrag von Finnland an – Schweden muss weiter warten
Am Donnerstag, 30. März, hat die Große Nationalversammlung in Ankara in einer Abendsitzung den Antrag Finnlands auf Mitgliedschaft in der NATO angenommen. Nach Ungarn war die Türkei der letzte Mitgliedstaat, dessen Zustimmung noch ausständig war. Nun ist ein formaler Abschluss des Beitrittsverfahrens sogar bis Ende nächster Woche möglich.
Wie die englischsprachige Ausgabe der „Hürriyet“ berichtet, haben 276 Abgeordnete dem Gesetzesentwurf zugestimmt. An der Abstimmung hat lediglich die pro-kurdische und regierungskritische „Demokratische Partei der Völker“ (HDP) nicht teilgenommen.
Weder Schweden noch Finnland scheinen aktuell bedroht
Finnland und Schweden, die bisher keinem Militärbündnis angehört hatten, haben im Vorjahr ihren Beitritt zur NATO beantragt. Anlass dafür war die russische Militäroperation in der Ukraine.
Zwischen Russland und Finnland verläuft eine 1.300 Kilometer lange gemeinsame Grenze. Seit dem Ende des Winterkrieges zwischen dem skandinavischen Land und der Sowjetunion im Jahr 1940 hatte es keine bilateralen Eskalationen mehr gegeben. Schweden war sogar seit 1814 in keine kriegerische Auseinandersetzung mehr verwickelt.
Dennoch haben die Regierungen beider Länder im Ukraine-Konflikt mehr oder minder offen Partei für Kiew ergriffen. Finnlands sozialdemokratische Regierungschefin Sanna Marin nahm vor einigen Wochen sogar an der Begräbniszeremonie für den bei Bachmut gefallenen Kommandanten Dmytro Kozjubailo teil. Der als „Held der Ukraine“ ausgezeichnete Militär hatte bis zuletzt eine führende Funktion im Freiwilligenverband „Rechter Sektor“ inne, der von einigen Analysten als rechtsextrem eingeschätzt wird.
NATO-Führung äußert Zufriedenheit mit Votum der Türkei
Unmittelbar nach der Abstimmung erklärte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg auf Twitter:
Ich begrüße das Votum der Großen Nationalversammlung der Türkei, die Ratifizierung des Beitritts Finnlands abzuschließen.“
Der Beschluss werde „die gesamte NATO-Familie stärker und sicherer machen“. Der finnische Präsident Sauli Niinisto dankte den 30 NATO-Mitgliedstaaten für die Unterstützung des Beitrittsantrags seines Landes. In einer auf Twitter veröffentlichten Erklärung hieß es:
Ich möchte jedem einzelnen von ihnen für ihr Vertrauen und ihre Unterstützung danken. Finnland wird ein starker und fähiger Verbündeter sein, der sich für die Sicherheit des Bündnisses einsetzt.“
PKK nutzt europäisches Exil als ruhiges Hinterland
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hatte im Zusammenhang mit den Beitrittsgesuchen Finnlands und Schwedens im Vorjahr ein türkisches „Ja“ von Bedingungen abhängig gemacht. Zu den zentralen Forderungen Ankaras gehörte dabei ein entschlosseneres Eintreten gegen terroristische Bestrebungen.
Seit 2002 wird die PKK in der gesamten EU als terroristische Vereinigung eingestuft. Der Verfolgungsdruck auf die Mitglieder und Unterstützer durch Polizei und Justiz ist unterdessen nicht überall gleich stark. In einigen Ländern sitzen Sympathisanten der Vereinigung sogar in den Parlamenten.
Auch deshalb hat die türkische Regierung den NATO-Beitritt von Finnland und Schweden unter den Vorbehalt eines entschlosseneren Vorgehens gegen die PKK gestellt. Im Vorjahr gab es zwischen Ankara und den Beitrittskandidaten eine Vereinbarung am Rande des NATO-Gipfels. Diese sicherten der Türkei zu, deren Forderungen nach einem stärkeren Kampf gegen den Terror zu erfüllen.
Präsident Erdoğan betonte nun, Finnland sei dieser Zusage nachgekommen. Schwedens Antrag auf Beitritt zum Bündnis bleibt unterdessen in der Schwebe. Neben der Türkei hat auch Ungarn dem schwedischen Antrag noch nicht zugestimmt. Das Parlament in Budapest hatte Anfang der Woche allerdings grünes Licht für den finnischen Beitritt gegeben.
Umgang mit Gülen-Bewegung wird weiterhin Streitpunkt bleiben
Inwieweit die Türkei in absehbarer Zeit den schwedischen NATO-Beitritt ermöglichen wird, ist ungewiss. Mehrere öffentliche Provokationen von PKK-Anhängern und deren Duldung durch schwedische Behörden trübten das bilaterale Verhältnis zuletzt weiter ein.
Auch hat Schweden sich geweigert, einigen Auslieferungsanträgen der Türkei nachzukommen. Diese betrafen neben mutmaßlichen PKK-Terroristen auch Anhänger der Gülen-Bewegung. In der Türkei wird diese als „Fetullahistische Terrororganisation“ (FETÖ) bezeichnet, Exekutive und Justiz gehen mit großer Härte gegen mutmaßliche Anhänger vor.
Die Regierung in Ankara sieht die Bewegung des seit 1998 in den USA lebenden Predigers Fethullah Gülen als treibende Kraft hinter dem Putschversuch von 2016. In den USA und in der EU teilt man diese Einschätzung nicht. Dort betreiben Angehörige des Netzwerks Charter-Schulen, Nachhilfeeinrichtungen, Kindergärten oder engagieren sich in Bereichen wie der Gefangenenbetreuung.
Die Gülen-Bewegung steht für ein theologisch konservatives, aber stark pro-westlich ausgerichtetes Verständnis des Islam. Viele Anhänger verfügen über eine akademische Ausbildung. In der Türkei ermöglichten ihnen ihre Qualifikation und ihre Vernetzung, hohe Positionen in Justiz und Verwaltung einzunehmen. Die türkische Regierung wirft ihnen vor, diese missbraucht zu haben, um den Staat zu unterwandern.
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