NATO: Neues strategisches Konzept beschlossen

Als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine stellt sich das westliche Bündnis komplett neu auf. In Madrid wird militärische Stärke beschworen.
Epoch Times29. Juni 2022

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Die Staats- und Regierungschefs der 30 NATO-Staaten haben bei ihrem Gipfeltreffen in Madrid ein neues strategisches Konzept für das Militärbündnis beschlossen. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Mittwoch von Sitzungsteilnehmern.

In dem Grundlagendokument für politische und militärische Planungen wird Russland als „größte und unmittelbarste Bedrohung für die Sicherheit der Verbündeten und für Frieden und Stabilität im euro-atlantischen Raum“ bezeichnet, China als Herausforderung.

Offiziell wurde das Verfahren zur Aufnahme von Finnland und Schweden gestartet. Die Staats- und Regierungschefs sprachen auf ihrem Gipfeltreffen in Madrid die offizielle Beitrittseinladung für die beiden Länder aus, wie aus der am Mittwoch veröffentlichten Gipfelerklärung hervorgeht. Die Türkei hatte zuvor nach wochenlangen Verhandlungen ihren Widerstand gegen die Norderweiterung der Allianz aufgegeben.

Stärkung der Ostflanke

Mit einer deutlichen Verstärkung der Ostflanke und mehr als 300.000 schnell einsatzfähigen Soldaten will die NATO Russland zudem vor einer möglichen Aggression gegen Alliierte abschrecken.

Die schnellen Eingreifkräfte sollten im kommenden Jahr einsatzbereit sein, sagte Generalsekretär Jens Stoltenberg am Mittwoch auf dem NATO-Gipfel in Madrid.

US-Präsident Joe Biden kündigte infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine einen weiteren Ausbau der Truppenpräsenz in Europa an. „Putin wollte die Finnlandisierung Europas. Er wird die Natoisierung Europas bekommen“, sagte er mit Blick auf das bislang neutrale und nun in die NATO strebende Land.

Am Dienstagabend hatte die Türkei ihren Widerstand gegen die Aufnahme von Finnland und Schweden in die NATO aufgegeben. Die drei Staaten unterzeichneten eine Absichtserklärung, die auf die türkischen Vorbehalte eingeht. Dabei geht es unter anderem um Waffenexporte und den Kampf gegen Terrorismus.

Geschlossenheit demonstriert

Stoltenberg bezeichnete das Gipfeltreffen der Verteidigungsallianz als historisch. Der Gipfel werde die Geschlossenheit zeigen sowie die Fähigkeit, sich an eine sich ändernde Welt anzupassen. Er verwies auch auf das neue strategische Konzept. Er erwarte, dass deutlich gemacht werde, dass Russland „eine direkte Bedrohung unserer Sicherheit“ darstelle, sagte Stoltenberg. China sei eine Herausforderung für die Werte, Interessen und Sicherheit der NATO.

Um schnell handlungsfähig zu sein, will die NATO die bislang rund 40.000 Soldaten umfassende Eingreiftruppe NRF durch ein neues Streitkräfte-Modell mit mehr als 300.000 schnell einsatzfähigen Kräften ersetzen. „Sie werden in ihren eigenen Ländern stationiert, aber schon bestimmten Staaten und Gebieten zugewiesen und verantwortlich sein für die Verteidigung dieser Gebiete“, sagte Stoltenberg. Schwere Waffen und Gerät sollen bereits in den Einsatzgebieten vorgehalten werden. Deutschland könnte sich an diesen verstärkten Eingreifkräften der NATO mit 15.000 Soldaten beteiligen.

„Enorme Herausforderung“ für die Bundeswehr

Die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Eva Högl (SPD), sieht die Bundeswehr durch die geplanten Umstellungen im Rahmen der NATO deutlich belastet. „Absehbar ist, dass die Anforderungen an Deutschland steigen werden“, sagte sie der „Augsburger Allgemeinen“ vom Mittwoch. „Für die Bundeswehr bedeutet das eine enorme Herausforderung und erfordert große Anstrengungen hinsichtlich Personal, Material, Ausrüstung und Infrastruktur.“

Högl sprach angesichts der Erhöhung der NATO-Einsatzkräfte auf über 300.000 von einem deutlichen Zeichen und einer „konsequenten Reaktion auf den russischen Angriffskrieg“. Mit der Erhöhung kommen auch auf Deutschland entsprechend zusätzliche Anforderungen zu.

Der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbands André Wüstner, sagte dazu dem TV-Sender „Welt“, es sei „eine große Führungs- und Managementaufgabe der Verteidigungsministerin, das jetzt sicherzustellen.“ Mit Blick auf das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr sagte Wüstner, im Fußball heiße es ja, Geld allein schieße keine Tore – „man braucht die Strukturen. Man braucht vieles jetzt an Veränderung in der Bundeswehr.“

Scholz kündigt weitere Waffenlieferungen an

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) stellte der Ukraine weitere Waffenlieferungen in Aussicht. Neben der humanitären und finanziellen Hilfe werde man auch „Waffen zur Verfügung stellen, die die Ukraine dringend braucht“, sagte er. „Die Botschaft ist: Das werden wir so lange fortsetzen und auch so intensiv fortsetzen, wie es notwendig ist, damit die Ukraine sich verteidigen kann.“ Er begrüßte auch die Einigung über eine Aufnahme von Schweden und Finnland in die NATO. Das sei „etwas, das uns sehr, sehr wichtig ist“, sagte der Kanzler. „Beide Länder passen sehr gut zu unserem Bündnis.“

Die USA schicken mehr Soldaten und Waffen nach Europa. „Gemeinsam mit unseren Verbündeten werden wir dafür sorgen, dass die NATO in der Lage ist, Bedrohungen aus allen Richtungen und in allen Bereichen – zu Lande, in der Luft und auf See – zu begegnen“, sagte Biden. So werde beispielsweise in Polen ein Hauptquartier des fünften US-Korps eingerichtet. In den baltischen Staaten würden die im Rotationsprinzip eingesetzten Truppen verstärkt.

Zudem werden den US-Angaben zufolge zwei zusätzliche Geschwader mit F-35-Kampfjets nach Großbritannien entsandt. In Deutschland und Italien sollen zusätzliche Kräfte zur Luftverteidigung stationiert werden. In Spanien wird die Zahl der US-Zerstörer von vier auf sechs erhöht. Teilweise waren diese Schritte bereits zuvor bekannt. In den vergangenen Monaten haben die USA die Zahl ihrer Soldaten in Europa auf rund 100.000 erhöht.

„Heute ist eine Gelegenheit zu zeigen, dass die NATO zurück ist“, sagte der niederländische Regierungschef Mark Rutte. Der britische Premier Boris Johnson bekräftigte Entschlossenheit zur militärischen Stärkung der NATO-Ostflanke. Er sagte: „Falls Wladimir Putin gehofft hat, als Resultat seiner unprovozierten, illegalen Invasion in die Ukraine weniger NATO an seiner westlichen Front zu bekommen, lag er komplett falsch. Er bekommt mehr NATO.“ (dpa/afp/mf)



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