NATO-Gipfel: Zwei Prozent für Rüstung als „Untergrenze“ – Stoltenberg verspricht Konzernen „gute Marktchancen“

Der diesjährige NATO-Gipfel in Washington, D. C., wird der letzte sein, dem der scheidende Generalsekretär Stoltenberg vorsteht. Im Herbst wird der niederländische Ex-Regierungschef Mark Rutte das Bündnis leiten. Neben dem Ukraine-Krieg sind 2024 auch China und der Nahe Osten Gipfelthemen.
Der eine kommt, der andere geht: Jens Stoltenberg (links) übergibt das Amt des Nato-Generalsekretärs an Mark Rutte.
Der eine kommt, der andere geht: Jens Stoltenberg (links) übergibt das Amt des NATO-Generalsekretärs an Mark Rutte.Foto: Peter Dejong/AP/dpa
Von 10. Juli 2024

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Am Dienstag, 9. Juli, hat der dreitägige NATO-Gipfel in Washington, D. C., begonnen. Während sich das Militärbündnis selbst zu seinem 75-jährigen Bestehen beglückwünscht, trüben der Ukraine-Krieg und mehrere weitere Konflikte die Feierlaune.

Um einen Eklat wie im Vorjahr in Vilnius zu vermeiden, hat man das Nichtmitglied Ukraine bereits im Vorfeld mit einer laut US-Präsident Joe Biden „historischen“ Schenkung für die Luftabwehr bedacht. Im Vorjahr hatte Präsident Wolodymyr Selenskyj die aus seiner Sicht unzureichenden Zusagen seitens des Bündnisses scharf kritisiert.

NATO diskutiert „Brücke“ für Mitgliedschaft der Ukraine

Deutschland, Rumänien und die USA werden die Führung in Kiew gemeinsam mit weiteren „Patriot“-Abwehrsystemen versorgen. Weitere Partner wollen einer gemeinsamen Erklärung zufolge zusätzliche Komponenten zu den Systemen beitragen. Italien will ein SAMP-T-Abwehrsystem liefern. Insgesamt sollen fünf Luftabwehrbatterien aus NATO-Ländern in die Ukraine geschickt werden.

US-Präsident Joe Biden kündigte zudem an, es werde für die Führung in Kiew in den kommenden Monaten noch „dutzende weitere taktische Luftabwehrsysteme“ geben. Unter diesen sollen sich unter anderem Systeme der Typen NASAMS, HAWK, IRIS T-SLM, IRIS T-SLS und Gepard befinden. Außerdem will Biden für Partnerstaaten bestimmte Lieferungen von Hunderten Munitionsteilen aufschieben und diese stattdessen in die Ukraine umleiten.

Außenminister Antony Blinken hat am Dienstag zudem mit dem scheidenden NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg die Möglichkeit einer „Brücke“ zur Mitgliedschaft der Ukraine erörtert. Verbindliche Aussagen gab es diesbezüglich jedoch nicht.

Vorfall Kinderkrankenhaus in Kiew

Allerdings war man sich einig, dass man Kiew weiterhin zur „Verteidigung gegen die russische Aggression“ befähigen wolle – „heute und in der Zukunft“. Stoltenberg nahm dabei auch Bezug auf ein Kinderkrankenhaus in Kiew, das am Montag durch Kriegswaffen getroffen wurde. Dabei kamen 36 Menschen ums Leben.

Stoltenberg sieht in dem Vorfall einen Beweis für „die Brutalität des russischen Aggressionskrieges gegen die Ukraine“. Der Kreml weist jedwede Anschuldigungen in seine Richtung zurück. Präsidentensprecher Dmitri Peskow betonte, Russland verwende bei seiner Militäroffensive lediglich Hochpräzisionswaffen, um zivile Opfer zu vermeiden. Darüber hinaus greife man nur militärische Ziele und kritische Infrastruktur an.

Das Kinderkrankenhaus wurde nach Einschätzung des Kremls von einem Geschoss der Luftabwehr in Kiew getroffen. Um diese Darstellung zu untermauern, präsentierte der Kreml-Sprecher Fotos und Videoaufnahmen, deren Authentizität nicht unparteiisch überprüft werden konnte.

Stoltenberg: Zwei Prozent werden Untergrenze für Rüstungsausgaben sein

Bereits im Vorfeld des Gipfels hatte der scheidende NATO-Generalsekretär Stoltenberg am Dienstag Vertretern der Rüstungsindustrie „gute Marktchancen“ in Aussicht gestellt. Derzeit hätten 23 der 32 Mitgliedstaaten das 2014 beschlossene Zwei-Prozent-Ziel erfüllt.

Bei diesem könne es jedoch nicht bleiben, betonte Stoltenberg. Das Zwei-Prozent-Ziel werde perspektivisch „nicht länger eine Art Obergrenze, sondern die Untergrenze für unsere Verteidigungsausgaben“ sein. Es sei „nicht gut genug, was wir jetzt tun“. Den Vertretern der Rüstungskonzerne kündigte er an, die Rüstungsausgaben würden überall steigen „und man wird weiterhin in Dinge investieren, die Sie liefern“.

Die Bemühungen würden „dazu beitragen, dass unsere Industrie in Europa und Nordamerika stärker und innovativer wird und in der Lage ist, in großem Maßstab zu produzieren“. Wie die türkische Nachrichtenagentur „Anadolu Ajansı“ berichtet, hat die US-Vertretung bei der NATO auch ein Informationsblatt verteilt.

Dieses benannte eine Vielzahl bereits bestehender Partnerschaften zwischen bedeutenden Rüstungsunternehmen der NATO-Staaten. Von der Zusammenarbeit verspricht man sich eine effiziente Bündelung eigener Kräfte.

Multilaterale Projekte für Waffensysteme

Beteiligt seien unter anderem die Konzerne Northrop Grumman, Airbus, Lockheed Martin, BAE Systems und Diehl Defense. Diese sollen gemeinsam eine Reihe von Waffensystemen entwickeln, produzieren und warten. Auch eine Weiterentwicklung der „Patriot“-Systeme und des F-35-Kampfjets soll von den Vereinbarungen umfasst sein.

Eine weitere Komponente sei das weltraumbasierte Überwachungsprogramm „Alliance Persistent Surveillance from Space“. An diesem sollen 17 NATO-Staaten teilnehmen. Nach Angaben der US-Mission stellt das Projekt die „größte multinationale Investition in weltraumgestützte Fähigkeiten in der Geschichte der NATO“ dar.

Andere Projekte betreffen eigene Software für Cloud- und Edge-Dienste, an denen 22 NATO-Staaten teilnehmen. Zwei weitere Vereinbarungen betreffen die Nutzung des verbündeten Luftraums und einen Vertrag über Stinger-Raketen im Wert von fast 700 Millionen US-Dollar. Dieser soll den Verbündeten 940 zusätzliche Raketen sichern.

Weitgehende Einigkeit bezüglich Ukraine und China – aber nicht bezüglich Krieg in Gaza

Neben dem Ukraine-Krieg ist auch die zunehmende Aggressivität des chinesischen kommunistischen Regimes gegenüber seinen Nachbarn im Westpazifik ein Thema. Die NATO hat das KP-Regime in Peking in ihrem strategischen Konzept 2022 als „zentrales Sicherheitsrisiko“ benannt. Betroffene Länder wie die Philippinen verfügen über bilaterale Verteidigungspakte mit den USA.

Allerdings fühlt sich die NATO indirekt von den Konflikten im Südchinesischen Meer und um Taiwan betroffen. Zum einen glaubt man, dass Peking eine mögliche Aggression gegen Taiwan vom Ausgang des Ukraine-Krieges abhängig machen werde. Zum anderen sind auch NATO-Staaten von Cyberangriffen betroffen, die dem chinesischen Regime zugeordnet werden.

Uneinig ist man sich hingegen bezüglich des Nahostkonflikts. Während die meisten Mitgliedstaaten das Recht Israels anerkennen, sich gegen den Terror der Hamas zu verteidigen, gehen einige auf Distanz zum Krieg in Gaza.

So wird der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan, der am Dienstag ebenfalls in der US-Hauptstadt eingetroffen war, die Entschlossenheit der NATO im weltweiten Kampf gegen Terror betonen. Außerdem wolle er, so kündigen türkische Medien an, das „anhaltende Massaker gegen die Palästinenser“ in Gaza ansprechen.



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