NATO-Gipfel: Zeremonie zum 75-jährigen Bestehen – Beratungen über China, Ukraine und Geld

Heute beginnt in Washington der diesjährige NATO-Gipfel. Neben Kanzler Olaf Scholz werden auch der neue britische Premierminister Keir Starmer und der Staatschef der Ukraine erwartet. Um welche Themen wird es gehen?
Nicht alle in einem Boot? Über den Umgang mit dem Beitrittswunsch der Ukraine gibt es in der Nato große Differenzen. (Archivbild)
Nicht alle in einem Boot? Über den Umgang mit dem Beitrittswunsch der Ukraine gibt es in der NATO große Differenzen.Foto: Kay Nietfeld/dpa
Epoch Times9. Juli 2024

In Washington beginnt am Dienstag der diesjährige NATO-Gipfel. Zum Auftakt hat US-Präsident Joe Biden die Verbündeten zu einer Feierstunde zum 75-jährigen Bestehen der Allianz eingeladen (23:00 Uhr MESZ). Die Zeremonie findet in dem heutigen Andrew-W.-Mellon-Saal statt, in dem zwölf Länder um die USA am 4. April 1949 den Nordatlantikpakt unterzeichneten.

Zuvor hält Bündnis-Generalsekretär Jens Stoltenberg eine Rede bei einem Rüstungsindustrie-Forum in Washington (19:15 Uhr MESZ). Neben Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und dem neuen britischen Premierminister Keir Starmer wird auch der ukrainische Staatschef Wolodymyr Selenskyj in Washington erwartet.

Keine erneute Konfrontation mit Selenskyj

Über eins sind sich in der NATO alle einig: Eine Konfrontation mit Selenskyj wie beim letzten Gipfeltreffen in der litauischen Hauptstadt Vilnius vor einem Jahr darf sich in Washington nicht wiederholen. Beim Gipfel in Vilnius hatte Selenskyj die Zusagen der Verbündeten als zu schwach kritisiert und es „absurd“ genannt, die Ukraine nicht zum NATO-Beitritt einzuladen. In Washington sollen solche Worte nicht mehr fallen. „Erwartungsmanagement“ heißt das Zauberwort im Bündnis.

Der scheidende NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat Selenskyj diesmal genau erläutert, was er in Washington erwarten kann – und was nicht. Die Gelegenheit bot sich, als der ukrainische Präsident Ende Juni während des EU-Gipfels nach Brüssel reiste und Stoltenberg im NATO-Hauptquartier besuchte, wie mehrere Diplomaten bestätigen.

Der Gipfel sei diesmal „besser vorbereitet“, sagt ein Diplomat, der sich wie alle anderen nur anonym äußern will. „Selenskyj wird akzeptieren müssen, was wir ihm anbieten.“

Ukraine-Hilfen sichern

Die Staats- und Regierungschefs wollen unter anderem einen Plan beschließen, der die Ukraine-Hilfen auch im Fall eines Trump-Siegs sichern soll. Damit sollen die Europäer mehr Verantwortung von den USA übernehmen. Die NATO will von einem neuen Hauptquartier in der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden aus ihre Waffenlieferungen an die Ukraine koordinieren sowie die Ausbildung ukrainischer Soldaten in Europa.

Die von der Ukraine erhoffte Beitrittseinladung wird es auch in Washington nicht geben. Hauptgrund ist die Furcht der USA und Deutschlands vor einer Konfrontation mit Russland. Trump gilt als Gegner einer Aufnahme der Ukraine und will einen Deal mit Russlands Präsident Wladimir Putin schließen, um den Krieg zu beenden.

Beim NATO-Gipfel in Litauens Hauptstadt Vilnius hatten sich die Verbündeten vor einem Jahr auf die Formulierung geeinigt, „die Ukraine zu einem Bündnisbeitritt einzuladen, wenn die Verbündeten sich einig und Voraussetzungen erfüllt sind“. Die Osteuropäer wollten eine konkretere Formulierung und von einem „unumkehrbaren“ Weg der Ukraine in die NATO sprechen. Dies ist aber laut Diplomaten nicht konsensfähig. Durchsetzen dürfte sich der Vorschlag der USA, die Ukraine-Hilfen als „Brücke zur Mitgliedschaft“ zu bezeichnen.

Regierungsvertreter in Kiew äußerten sich vor dem Washington-Gipfel ernüchtert. „Die Chancen, eine Beitrittseinladung zu erhalten, tendieren gegen Null“, sagt ein Vertreter der Ukraine.

Mehr Patriots für Kiew erwartet

Besänftigt werden soll der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj durch weitere Militärhilfezusagen. Selenskyj hat von den NATO-Partnern sieben Patriot-Luftabwehrsysteme zur Verteidigung gegen russische Angriffe gefordert. Die Allianz hofft, sechs davon zusammenzubekommen.

Aus Deutschland und Rumänien kommt je eine Patriot-Batterie, die Niederlande arbeiten mit Partnern an einer dritten. Italien will ein vergleichbares System Typ SAMP/T liefern. Die USA prüfen laut Medienberichten eine Vereinbarung mit Israel zur Abgabe älterer Patriot-Systeme an die Ukraine.

Verteidigungsminister Lloyd Austin kündigte vor dem Gipfel neue Hilfen von 2,3 Milliarden Dollar (gut 2,1 Milliarden Euro) an. Sie sollen „mehr Patriot- und Nasams-Luftabwehrsysteme in einem beschleunigten Zeitplan“ umfassen. Medien zufolge planen die USA eine Vereinbarung mit Israel, ältere Patriot-Systeme an Kiew abzugeben.

Die Staats- und Regierungschefs wollen der Ukraine zudem auf dem Gipfel Militärhilfen im Umfang von 40 Milliarden Euro zusagen. Anders als von NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg vorgeschlagen, sind sie zunächst auf ein Jahr befristet.

Ab dem NATO-Gipfel in Den Haag im kommenden Jahr sollen die Hilfen laut Diplomaten jährlich neu überprüft werden. Deutschland hat für das laufende Jahr bereits acht Milliarden Euro zugesagt und sieht sein Soll daher vorerst erfüllt.

Härtere Sprache zu China

Beim Gipfel in Litauen vor einem Jahr hatten die NATO-Länder „die von der Volksrepublik China erklärten Ziele und ihre Politik des Zwangs“ kritisiert, sich jedoch „offen für eine konstruktive Zusammenarbeit“ gezeigt. Auf Druck der USA wird in Washington eine härtere Sprache erwartet. Die Verbündeten dürften in der Abschlusserklärung Kritik an Chinas Unterstützung für den russischen Angriffskrieg üben.

US-Präsidenten fordern von den Verbündeten in Europa, deutlich mehr in ihre eigene Sicherheit zu investieren. Als Beleg, dass die Europäer „verstanden“ haben, führt die NATO die gestiegene Zahl von inzwischen 23 der 32 Mitgliedsländer an, die in diesem Jahr mindestens zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Verteidigung ausgeben.

Deutschland erfüllt die Quote mit geschätzten 2,1 Prozent erstmals seit Ende des Kalten Kriegs wieder. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kann auf die Berliner Haushaltseinigung verweisen, nach der die NATO-Quote nach seiner Darstellung dauerhaft erfüllt wird.

Polen und die Baltenstaaten dringen bereits auf eine höhere Zielmarke von bis zu drei Prozent. Sollte Trump erneut Präsident werden, könnte dieses Ziel „schneller kommen“, sagt ein Diplomat. (afp/red)

 



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion