Nahost-Konflikt: Teheran befürchtet Flächenbrand und sucht Schulterschluss mit Peking
Der chinesische Premierminister Li Qiang sprach am 26. Oktober mit dem Ersten Vizepräsidenten des Iran, Mohammad Mokhber. Die beiden kamen bei einem Treffen der Mitgliedstaaten der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) in Bischkek, der Hauptstadt Kirgisistans zusammen.
Li sagte, China werde den Iran bei der Sicherung seiner „staatlichen Souveränität, territorialen Integrität und nationalen Würde unterstützen.“ China werde sich entschieden gegen jede Einmischung von außen in die inneren Angelegenheiten des Irans wehren, heißt es in einer breit gestreuten Erklärung des chinesischen Außenministeriums.
Die sorgfältig formulierte Erklärung geht auf Irans Bedenken ein. Sie kommt zu einer Zeit, in der die Region aufgrund des Krieges zwischen Israel und der Hamas, von einem sich ausweitenden Krieg bedroht ist. Die Erklärung sei eine Reaktion auf Irans Suche nach einem Schutzschild, so Experten gegenüber The Epoch Times.
„Es ist wahrscheinlich, dass der Iran chinesische Sicherheitsgarantien für den Fall sucht, dass die Rolle Teherans bei der Unterstützung der Hamas-Terrorgruppe das Land in Schwierigkeiten bringt. In diesem Zusammenhang ist diese öffentliche chinesische Unterstützungsbekundung wichtig und bedeutsam“, erklärte Ahmed Quraishi, ein in Dubai ansässiger Journalist, der seit über zwei Jahrzehnten über den Nahen Osten berichtet, gegenüber The Epoch Times in einer schriftlichen Antwort.
Iran warnt vor „weitreichenden Konsequenzen“
Nur eine Woche nach dem Hamas-Angriff auf Israel vom 7. Oktober warnte Teheran Israel über die Vereinten Nationen. Der Iran beabsichtige, einzugreifen, wenn Israel seine Operationen im Gazastreifen fortsetze. Das berichtete die US-Nachrichtenwebsite „Axios“ in einem Exklusivbericht am 14. Oktober unter Berufung auf zwei mit der Angelegenheit vertraute diplomatische Quellen.
Danach warnte die iranische Vertretung bei den Vereinten Nationen in einem Beitrag auf X vor „weitreichenden Konsequenzen“, falls Israels „Kriegsverbrechen und Völkermord“ nicht gestoppt würden.
Zehn Tage nach dem „Axios“-Bericht erklärte das US-Verteidigungsministerium, dass Milizen die US-Streitkräfte in Nahost seit dem 7. Oktober mehrfach angegriffen hätten.
„Wir wissen, dass die Gruppen, die diese Angriffe durchführen, vom Korps der Islamischen Revolutionsgarden und dem iranischen Regime unterstützt werden“, sagte der Pressesprecher des Pentagon, Brigadegeneral Pat Ryder, während eines Briefings. Er warnte außerdem vor einer Eskalation der vom Iran unterstützten Angriffe auf die US-Streitkräfte in der Region.
Eine Anti-West-Achse
Clare Lopez ist eine ehemalige CIA-Beamtin, die am Zentrum für Spionageabwehr und Sicherheitsstudien gelehrt hat. Sie war auch Geschäftsführerin des Iran Policy Committee (Ausschuss für Iran-Politik). Sie war als Beraterin, Geheimdienstanalystin und Forscherin für eine Reihe von Verteidigungsunternehmen tätig und ist Gründerin und Präsidentin von Lopez Liberty, LLC.
Lopez erklärte gegenüber The Epoch Times, dass die enge Verbindung zwischen der Kommunistischen Partei Chinas (KPC) und dem iranischen Regime allgemein bekannt sei.
„Ein Teil dieser Verbindung hat mit Chinas wirtschaftlicher Abhängigkeit vom iranischen Öl zu tun. Aber China ist auch Teil der Anti-West-Achse, die sowohl den Iran als auch Putins Russland einschließt“, sagte Lopez.
Der demokratische Staat Israel – den sie als „moralisch, mächtig und als engen Verbündeten der Vereinigten Staaten“ bezeichnete – werde von dieser neuen antiamerikanischen Achse gehasst, weil er so sei, wie er ist, sagte sie.
„Freie Radikale“ und Schurkenstaaten
Experten zufolge nutzt China einerseits den Iran als Destabilisierungsfaktor im Nahen Osten. Andererseits beobachteten iranische Verbündete die Reaktionen des Regimes in Teheran, um ihre Möglichkeiten abzuschätzen.
China habe den Iran und die Hamas als „perfekte Werkzeuge“ zur Destabilisierung des Nahen Ostens entdeckt. Das erklärte Abhijit Iyer-Mitra gegenüber The Epoch Times. Er ist Verteidigungsökonom und Senior Fellow am Institute of Peace and Conflict Studies in Neu-Delhi.
„China glaubt nicht an Verbündete, sondern an freie Radikale, d.h. an hochgradig revisionistische Staaten, die wir als Schurkenstaaten bezeichnen würden und die im Grunde die gesamte Nachbarschaft destabilisieren“, so Iyer-Mitra.
Eine „klassische“ chinesische Taktik sei es, destabilisierende Agenten in verschiedenen Regionen zu finden, so Iyer-Mitra. Wie den Iran im Nahen Osten beabsichtigten die Chinesen, Nordkorea zur Destabilisierung Ostasiens, Pakistan zur Destabilisierung Südasiens und Russland zur Destabilisierung Europas einzusetzen.
„Und das bedeutet, dass die Status-quo-Macht Amerika die Bürde trägt, dort hineinzugehen und den Frieden zu erhalten, während China alle Vorteile einstreicht“, sagte er.
Schwierige Situation
Quraishi sagte, er glaube, dass das iranische Regime aus einem tiefen Gefühl der Unsicherheit heraus handele, weil seine Reaktion auf den Konflikt von seinen verschiedenen anderen Verbündeten genau beobachtet werde.
„Die Basis der iranischen Extremisten – die Khomeinisten – wollen, dass der Iran der Hamas offen im Krieg hilft. Die Stellvertretergruppen in der Region beobachten im Stillen, ob Teheran die Hamas ihrem Schicksal überlässt“, sagte er.
Nach dem Anschlag vom 7. Oktober kündigte das US-Finanzministerium Sanktionen gegen wichtige Hamas-Vertreter und Finanznetzwerke an, um das Finanzierungsnetz der Hamas zu zerschlagen. Zu den Betroffenen gehörten ein Hamas-Funktionär im Iran und Mitglieder des Korps der Islamischen Revolutionsgarde (IRGC) sowie eine im Gazastreifen ansässige Organisation. Diese habe „als Kanal für illegale iranische Gelder an die Hamas und den Palästinensischen Islamischen Dschihad (PIJ) gedient“, heißt es in einer Pressemitteilung des Finanzministeriums.
Die derzeitige Situation für das iranische Regime sei schwierig, so Quraishi, da es auch geostrategisch gezwungen sei, chinesische Unterstützung zu suchen.
„Der Iran weiß, dass eine Ablehnung der Hamas seine eigenen Stellvertreter schwächen könnte. Der Oberste Führer Khamenei und die IRGC-Befehlshaber müssen also vor einer ebenso schwierigen Entscheidung stehen wie Israelis und Amerikaner. Das ist kein leichter Weg“, sagte er.
„Echte Angst“ vor synchronisierten Handlungen
Experten zufolge sind Chinas Äußerungen mit geopolitischen Absichten verknüpft, da das Land versuche, destabilisierende Akteure wie den Iran für seine eigenen größeren politischen Vorteile zu nutzen. China wolle schließlich zum globalen Hegemon aufsteigen.
Iyer-Mitra sagte, dass China versuche, die Kräfte der USA über den Iran zu binden. So könne es sich besser auf Taiwan konzentrieren.
„Für mich ist die eigentliche Befürchtung, dass all diese Aktionen synchronisiert und koordiniert werden“, sagte er.
„Das heißt, dass man von Pakistan etwas Großes erwarten kann. Erwarten Sie [auch] etwas Großes aus Nordkorea und einen allgemeinen Flächenbrand sowohl im Nahen Osten als auch in Osteuropa […] mit der russischen Offensive im Winter.“ Das würde dann bedeuten, dass Amerika an vier verschiedenen Fronten gebunden ist und „China seinen Angriff auf Taiwan startet“.
Quraishi ist anderer Ansicht. Trotz der lautstarken Erklärungen Chinas zur Unterstützung des Irans, sei es eben nicht sicher, dass es dem Iran im Ernstfall tatsächlich zu Hilfe kommen werde, sagte er.
„Theoretisch kann China die USA in Südostasien ablenken, indem es eine Front eröffnet als eine passive Form der Unterstützung für den Iran in diesem Szenario. Aber würde Peking dies für Teheran tun? Das ist ein großes Fragezeichen“, sagte er.
Der Nahost-Journalist glaubt, dass die Chinesen in einer solchen Situation höchstwahrscheinlich keine aktive Hilfe für den Iran leisten würden.
„Das iranische Regime ist zwar ein wichtiger und nützlicher Partner, aber die chinesische Führung ist zu klug, um mit den Iranern unterzugehen“, so Quraishi.
Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel: „IN-DEPTH: Tehran Seeks Security From Beijing Amidst Fears of a ‚General Conflagration‘ in the Middle East“ (deutsche Bearbeitung jw)
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