Nach Zwischenfall vor Latakia: Israel und Russland können diplomatische Krise abwenden
Zwei Tage nach dem Abschuss eines russischen Aufklärungsflugzeuges durch die syrische Luftabwehr über Latakia scheinen tiefgreifende diplomatische Spannungen zwischen Moskau und Jerusalem abgewendet zu sein. Israels Premierminister Benjamin Netanjahu sprach am gestrigen Dienstag telefonisch mit dem Präsidenten der Russischen Föderation, Wladimir Putin.
Netanjahu äußerte im Namen des Staates Israel sein Bedauern darüber, dass bei dem Zwischenfall alle 15 Besatzungsmitglieder des russischen Flugzeugs getötet wurden. Die Verantwortung dafür liege jedoch bei Syrien, hieß es in einem Statement des Büros des Premierministers.
Der Beschuss des russischen Flugzeugs ereignete sich, als Israel gerade Luftangriffe gegen eine syrische Militäreinrichtung in Latakia flog. Diese richteten sich einer Erklärung der Israelischen Streitkräfte (IDF) zufolge gegen dort vermutete „zielgenaue und tödliche Waffen“, die im Auftrag des Iran an die terroristische Hisbollah im Libanon gehen sollten. Die Waffen wären dazu bestimmt gewesen, Israel anzugreifen, und stellten eine nicht hinnehmbare Gefahr für das Land dar, hieß es aus der Armee.
Waffenlager oder Forschungseinrichtung?
Syrien bestritt diese Darstellung und erklärte, die Angriffe galten einem Labor der Organisation für technische Industrien, die eine Einrichtung des Verteidigungsministeriums darstelle. International war die Organisation in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt, nachdem Anhaltspunkte bekannt geworden waren, sie könnte mit Chemiewaffen- und Raketenprogrammen des syrischen Regimes in Verbindung stehen.
Zu Beginn war scharfe Kritik an Israel aus russischen Regierungskreisen laut geworden. Aus dem Verteidigungsministerium kamen Vorwürfe, die israelischen Kampfjets hätten Russland zu kurzfristig gewarnt. Man habe darüber hinaus die in der Luft befindlichen russischen Aufklärungsflugzeuge als Deckung missbraucht und den Vorfall provoziert. Russlands Außenministerium bestellte den israelischen Botschafter ein. Darüber hinaus war von möglichen weiteren Reaktionen die Rede, die man erwäge.
Präsident Putin hingegen reagierte deutlich moderater auf den Vorfall. Er sprach von einer „Verkettung tragischer und unbeabsichtigter Umstände“. Einen Vergleich mit der Situation rund um den Abschuss einer russischen Su-24 durch die Türkei im November 2015 an der syrischen Grenze wies er zurück.
„Syrien hat unterschiedslos drauflosgefeuert“
Zuvor hatte Jerusalem – was nicht immer der Fall ist – offen eingeräumt, Angriffe auf Ziele in Syrien geflogen zu haben und Bedauern bezüglich der russischen Opfer geäußert. Zudem übermittelte Israels Regierung einen detaillierten Bericht über den Ablauf des Vorfalls an die zuständigen russischen Stellen. Verantwortlich für den Abschuss sei jedoch Syrien.
Im Bericht der IDF hieß es:
„Was feststeht, ist, dass die syrische Luftabwehr mit schwerem Feuer geantwortet hatte – auch wenn sich keine aktuellen Ziele wie israelische Flugzeuge in der Umgebung befanden. Die syrischen Luftabwehrbatterien feuerten unterschiedslos und trafen unseren Erkenntnissen zufolge keine Vorkehrungen, um sicherzugehen, dass sich zu diesem Zeitpunkt keine russischen Maschinen in der Luft befanden.“
Im Gespräch mit Putin betonte Netanjahu am Dienstagnachmittag die Wichtigkeit der dauerhaften Sicherheitskoordination zwischen Israel und der Russischen Föderation an der syrischen Grenze, die im Laufe der bisherigen drei Jahre ihres Bestehens zahlreiche Personenschäden auf beiden Seiten verhindern habe können.
Putin pflichtete dieser Aussage bei, erklärte jedoch auch, dass der israelische Angriff aus russischer Sicht eine Verletzung der syrischen Souveränität darstelle und Jerusalem dem russisch-israelischen Abkommen zur Verhinderung von Zusammenstößen nicht in ausreichendem Maße nachgekommen sei. Er forderte Netanjahu auf, „solche Situationen künftig nicht [zu] erlauben“.
Israel sichert vollständige Übermittlung aller Unterlagen zu
Netanjahu erklärte, Israel sei entschlossen, eine Festsetzung des iranischen Militärs in Syrien zu verhindern. Außerdem werde man sich gegen Versuche des Iran wehren, der regelmäßig mit der Vernichtung Israels droht, tödliche Waffen an die Hisbollah zu liefern.
Mit Moskau werde man vollständig alle Informationen austauschen, die mit dem jüngsten Vorfall zu tun haben, und man sei bereit, Israels Oberkommandierenden der Streitkräfte in die Russische Föderation zu schicken, um diese zu übergeben.
Dass Israel Ziele in Latakia angriff, deutet darauf hin, dass es sich tatsächlich um sehr schwerwiegende Interessen gehandelt haben muss, schrieb Avi Issacharoff in der „Times of Israel“. Es habe zwar seit Beginn der Kampfhandlungen in Syrien hunderte Fälle gegeben, in denen Israels Armee offiziell oder inoffiziell Ziele jenseits der syrischen Grenze angegriffen habe.
Latakia habe man dabei jedoch meist bewusst ausgeklammert, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der dort gelegenen russischen Militärpräsenzen in Hmeimim und Tartus, die man gleichsam wie ein exterritoriales russisches Gebiet betrachtete. Gegen mutmaßliche Aktivitäten von Hisbollah oder iranischen Verbänden sei man vorgegangen, bevor diese in das Gebiet vordringen konnten.
Anfängliche Gerüchte über französisches Kriegsschiff
Syriens reguläre Armee habe die Region jedoch für eine Reihe eigener Vorhaben genutzt. So habe sich das Assad-Regime über Latakia Komponenten für den Atomreaktor Al-Kabir in Deir ez-Zor liefern lassen, den Israel 2007 zerstörte – und damit möglicherweise verhinderte, dass er wenige Jahre in die Hände des IS fiel.
Auch dass der Angriff der vier involvierten israelischen F-16 seegestützt erfolgte, war ein Novum. Anfangs hatten Gerüchte die Runde gemacht, ein französischer Zerstörer wäre in den Vorfall rund um den Abschuss der russischen Aufklärungsmaschine involviert gewesen. Diese stellten sich jedoch rasch als Falschmeldungen heraus.
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