Nach X-Sperrung: Großdemo gegen Richter in Brasilien

In São Paulo protestierten Zehntausende gegen die Sperrung des Onlinedienstes X. Sie forderten die Absetzung des Richters Alexandre de Moraes von Brasiliens Oberstem Gerichtshof. Parallel dazu fand in Brasília eine Parade mit dem linksgerichteten Staatschef Luiz Inácio Lula da Silva statt.
Titelbild
Unterstützer des ehemaligen brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro (2019-2022) bei einer Kundgebung zum Unabhängigkeitstag in Sao Paulo, Brasilien, 7. September 2024.Foto: Nelson Almeida/AFP via Getty Images
Epoch Times8. September 2024

Nach der Sperrung des Onlinedienstes X in Brasilien sind in dem südamerikanischen Land am Samstag rund 45.000 Demonstranten auf die Straßen von São Paulo gegangen. Die Zahl beruht auf einer Schätzung der Universität von São Paulo.

Die Kundgebung in der Wirtschaftsmetropole São Paulo fand am brasilianischen Unabhängigkeitstag als Gegenveranstaltung zu einer offiziellen Parade in der Hauptstadt Brasília mit dem linksgerichteten Staatschef Luiz Inácio Lula da Silva statt. Dessen Amtsvorgänger Jair Bolsonaro unterstützte den Protestmarsch in São Paulo. Auch in anderen Städten gab es große Kundgebungen.

Demokratie und Freiheit gefordert

Die Demonstranten forderten auf Transparenten unter anderem „Demokratie“ und „Freiheit“ – und die Absetzung des Richters Alexandre de Moraes von Brasiliens Oberstem Gerichtshof.

Dieser hatte vor einer Woche die landesweite Sperrung des beliebten Onlinedienstes X des US-Milliardärs Elon Musk verfügt. Zu der Großdemo in São Paulo hatten Vertreter der Rechten schon vor dieser Entscheidung aufgerufen.

In einer vorab auf Instagram veröffentlichten Video-Botschaft rief auch Bolsonaro seine Landsleute auf, massenhaft in den Landesfarben grün und gelb auf die Straße zu gehen. Der 69-jährige Ex-Präsident ließ sich am Samstagmorgen nach Angaben seiner Mitarbeiter wegen einer „üblen Grippe“ kurz im Krankenhaus behandeln.

Dies werde ihn aber nicht davon abhalten, an der Demonstration in São Paulo teilzunehmen, hieß es weiter. Später sprach Bolsonaro vor der Menge.

„Wir werden denen einen Riegel vorschieben, die die Grenzen unserer Verfassung überschreiten“, sagte er. Mit Blick auf ein geplantes Absetzungsverfahren im brasilianischen Senat sagte Bolsonaro, er hoffe, dass die Parlamentskammer Moraes „einen Riegel vorschiebt, diesem Diktator, der Brasilien noch mehr schadet als Luiz Inácio Lula da Silva selbst“.

Zensur, Machtmissbrauch, Bolsonaro

Die „sofortige, vollständige und umfassende“ Sperrung des Onlinedienstes X hatte Moraes vor gut einer Woche angeordnet, weil X-Eigentümer Musk seine „völlige Missachtung der brasilianischen Souveränität und insbesondere der Justiz demonstriert“ habe.

Während Moraes die Sperrung als Maßnahme gegen Desinformation präsentiert, werfen ihm seine rechtsgerichteten Gegner Zensur und Machtmissbrauch vor.

Bei der Parade in Brasília am Samstag saß Moraes auf der offiziellen Tribüne nur wenige Meter von Lula entfernt. Der Präsident war zuvor in einem Rolly-Royce stehend und winkend durch die Stadt gefahren.

In einer Ansprache zum Unabhängigkeitstag hatte Präsident Lula am Freitag gesagt: „Wir werden immer intolerant gegenüber jeder Person sein, unabhängig von ihrem Vermögen, die die brasilianische Gesetzgebung missachtet.“ Den Namen Musk nannte er nicht.

Der brasilianische Präsident Luiz Inacio Lula da Silva während einer Gedenkparade zur Feier des 202. Jahrestages der Unabhängigkeit Brasiliens am 7. September 2024 in Brasilia. Foto: Andressa Anholete/Getty Images

Bolsonaro will mit der Kundgebung in Brasiliens bevölkerungsreichster Stadt möglicherweise auch seinen Rückhalt im Land demonstrieren – einen Monat vor den Kommunalwahlen in dem tief gespaltenen Land

Bolsonaro fordert Amnestie

Bei der Demonstration am Samstag forderte der frühere Staatschef auch zum wiederholten Mal eine Amnestie für seine Anhänger, die wegen des Angriffs auf das Regierungsviertel in Brasília am 8. Januar 2023 zu Haftstrafen verurteilt worden waren.

Vor zwei Jahren war Bolsonaro abgewählt worden, sein Widersacher Lula gewann mit einer knappen Mehrheit. In der Folge stürmten Bolsonaros Anhänger am 8. Januar den Präsidentenpalast, das Parlament und den Obersten Gerichtshof und behaupteten ohne Belege, Bolsonaro sei der Wahlsieg gestohlen worden. Im Zusammenhang mit diesen Ereignissen wird gegen Bolsonaro wegen eines versuchten Staatsstreichs ermittelt.

Mit Moraes führt Bolsonaro eine Fehde, weil dieser als Richer des Wahlgerichts TSE verfügt hatte, dass Bolsonaro wegen versuchter Diskreditierung des brasilianischen Wahlsystems bis 2030 für kein Wahlamt mehr kandidieren darf. (afp/red)



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