Nach Waffenruhe: Erste israelische Geiseln und 90 palästinensische Gefangene freigelassen

Israel hat die ersten 90 Gefangenen freigelassen. Von den Hunderten freizulassenden Palästinensern sollen 236 umgehend ins Exil geschickt werden, vor allem nach Katar oder in die Türkei. Der Gesundheitszustand der drei israelischen Geiseln, die die Hamas herausgab, ist stabil.
Titelbild
Emily Damari (l) schüttelt ihren Freunden die Hand, während sie am 19. Januar 2025 mit zwei weiteren Geiseln nach ihrer Ankunft im Sheba Tel HaShomer Medical Centre in Ramat Gan transportiert werden.Foto: Jack GUEZ/AFP via Getty Images
Epoch Times20. Januar 2025

Der erste Austausch im Rahmen des Waffenruhe-Abkommens zwischen Israel und der islamistischen Hamas ist vollzogen: Nach mehr als 15 Monaten in der Gewalt der Hamas im Gazastreifen sind drei israelische Geiseln wieder zu Hause in Israel.

Die drei Frauen wurden am Sonntag im Gazastreifen dem Roten Kreuz übergeben, dann in Israel mit ihren Müttern vereint und schließlich für medizinische Untersuchungen in ein Krankenhaus gebracht. Israel ließ wiederum 90 palästinensische Gefangene frei.

Die drei israelischen Geiseln kamen am Sonntagabend in Militärhubschraubern und in Begleitung ihrer Mütter am Scheba-Krankenhaus nahe Tel Aviv an, wie ein AFP-Journalist berichtete.

Gesundheitszustand der Frauen sei „stabil“

Davor hatten Hamas-Kämpfer die drei Frauen auf einem belebten Platz in der Stadt Gaza an das Rote Kreuz übergeben. Die israelischen Geiseln waren umringt von einem regelrechten Menschenmeer, unter ihnen zahlreiche bewaffnete Männer in Hamas-Kampfmontur.

Bei der Übergabe an das Rote Kreuz werden die Fahrzeuge von bewaffneten Hamas-Kämpfern und einer dichten Menschenmenge umringt, die dabei „Allahu Akbar“ (Gott ist groß) skandiert. Bei einer früheren Waffenruhe freigelassene Geiseln hatten berichtet, dass sie den Moment der Übergabe – umringt von einer riesigen Menschenmenge – als extrem beängstigend empfunden hatten.

Die Frauen wurden daraufhin aus dem Küstenstreifen heraus nach Israel gefahren und in ein Erstaufnahmezentrum verbracht, wo sie einer ersten medizinischen Untersuchung unterzogen und zu ihren Müttern gebracht wurden. Ein Arzt am Scheba-Krankenhaus sagte am Abend, der Gesundheitszustand der Frauen sei „stabil“.

Bei den Geiseln, deren Namen die Hamas Israel am Sonntag nach mehrstündiger Verzögerung übermittelt hatte, handelt es sich um Romi Gonen, Doron Steinbrecher und Emily Damari.

Emily Damari (r) ist nach mehr als 15 Monaten in der Geiselhaft der islamistischen Hamas im Gazastreifen freigelassen worden.

Emily Damari (r.) ist nach mehr als 15 Monaten in der Geiselhaft der islamistischen Hamas im Gazastreifen freigelassen worden. Foto: -/Israeli Army/AP/dpa

Nach ihrer Rückkehr nach Israel veröffentlichte die Armee ein Foto der lächelnden Emily Damari neben ihrer Mutter, auf dem sie mit einer bandagierten Hand mit offenbar nur noch drei Fingern in die Kamera winkt.

Die 24-jährige Romi Gonen war am 7. Oktober vom Nova-Festival verschleppt worden. Die 28-jährige Emily Damari, eine israelisch-britische Doppelstaatlerin, sowie die 31-jährige Doron Steinbrecher wurden vor 15 Monaten von den Islamisten mit Gewalt aus dem Kibbuz Kfar Aza in den Gazastreifen entführt.

Ein israelischer Hubschrauber startet im Süden Israels mit den Geiseln Romi Gonen, Doron Steinbrecher und Emily Damari, die am 7. Oktober im Gazastreifen von der Hamas entführt worden waren, nachdem sie aus dem Gazastreifen befreit wurden.

Ein israelischer Hubschrauber startet im Süden Israels mit den Geiseln Romi Gonen, Doron Steinbrecher und Emily Damari. Foto: Ohad Zwigenberg/AP/dpa

Hamas verbreitet zynisches Video

Der militärische Arm der Hamas verbreitete ein Propagandavideo von der Freilassung der drei jungen Frauen, das in Israel als sehr zynisch eingestuft wurde. Zu sehen ist in dem Video, wie die Israelinnen vor ihrer Übergabe in einem Fahrzeug sitzen und lächeln.

Um den Hals tragen sie Bänder mit der Aufschrift „Palestine“ (Palästina) in den Farben der palästinensischen Flagge. Tüten mit „Andenken“ an ihren Aufenthalt in Gaza werden ihnen überreicht.

Angehörige in Israel reagierten mit großer Freude auf die Freilassungen. Wie auf einem von der Armee veröffentlichten Video zu sehen war, sprangen einige der Angehörigen in die Luft, andere weinten vor Freude, als sie auf dem Bildschirm verfolgten, wie die drei Frauen die Grenze zu Israel überquerten.

Auf dem nach dem Hamas-Massaker vom 7. Oktober 2023 in „Platz der Geiseln“ umbenannten Platz im Zentrum von Tel Aviv brach Jubel aus.

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu sagte einer Erklärung zufolge, die Frauen seien im Gazastreifen „durch die Hölle gegangen“, nun träten sie „aus der Knechtschaft in die Freiheit.“

Hamas-Kämpfer eskortieren ein Fahrzeug des Roten Kreuzes, um israelische Geiseln abzuholen, 19. Januar 2025, Gaza-Stadt. Foto: Abood Abusalama/Middle East Images/AFP via Getty Images

In der ersten, 42 Tage dauernden Phase des Waffenruhe-Abkommens zwischen Israel und der Hamas sollen nun weitere 30 Geiseln freikommen. Ein ranghoher Vertreter der islamistischen Palästinenserorganisation sagte, die „zweite Gruppe“ israelischer Geiseln werde „am nächsten Samstagabend“ freikommen.

90 palästinensische Gefangenen freigelassen

Die mit Hilfe der Vermittler Katar, Ägypten und USA in monatelangen zähen Verhandlungen ausgehandelte Vereinbarung sieht zudem vor, dass im Austausch gegen die Geiseln in Israel inhaftierte Palästinenser aus dem Gefängnis entlassen werden sollen.

Israel hatte am Freitag die Zahl von 737 palästinensischen Häftlingen genannt, nach ägyptischen Angaben sind es 1.890 palästinensische Gefangene.

Hamas-Kämpfer eskortieren ein Fahrzeug des Roten Kreuzes, um israelische Geiseln abzuholen, 19. Januar 2025, in Gaza-Stadt. Foto: Abood Abusalama/Middle East Images/AFP via Getty Images

Das Abkommen sieht vor, dass von den freizulassenden Palästinensern 236 umgehend ins Exil geschickt werden. Nach Angaben von zwei Hamas-Quellen sollen sie vor allem nach Katar oder in die Türkei gebracht werden.

Das betrifft diejenigen, die an tödlichen Attentaten auf Israelis teilgenommen oder sie verübt haben und deshalb zu lebenslanger Haft verurteilt wurden.

In der Nacht zum Montag erklärte die israelische Gefängnisbehörde, dass „90 Terroristen“ aus dem Militärgefängnis Ofer im Westjordanland und einer Haftanstalt in Jerusalem seien freigelassen worden seien.

Palästinensische Gefangene winken der Menge aus einem Bus des Roten Kreuzes, als sie in den frühen Morgenstunden des 20. Januar 2025 in der besetzten Westjordanlandstadt Beitunia am Stadtrand von Ramallah ankommen. Foto: Zain Jaafar/AFP via Getty Images

AFP-Journalisten beobachteten, wie zwei Busse das Gefängnis Ofer verließen. Menschen jubelten, als die Busse mit einigen der 90 palästinensischen Gefangenen in Beitunia im Westjordanland eintrafen.

Manche Menschen aus der Menge stiegen auf einen der Busse und entrollten eine Flagge der islamistischen Hamas, wie AFP-Journalisten beobachteten. Auch Flaggen unter anderem von der Fatah und dem Islamischen Dschihad wurden geschwenkt.

Hilfsgüter unterwegs, Vertriebene feiern Rückkehr

Die Waffenruhe im Gazastreifen war ursprünglich für 7:30 Uhr geplant gewesen, ihr Beginn verzögerte sich um mehrere Stunden, weil die Hamas Israel nicht wie zugesichert rechtzeitig die Namensliste übermittelte.

Die Einigung nach 15 Monaten Krieg war am Mittwochabend verkündet worden. Damit gibt es erstmals seit November 2023 wieder eine Waffenruhe, während der die in der Gewalt der Hamas verbliebenen Geiseln freikommen sollen.

Bereits Minuten nach Inkrafttreten der Feuerpause verkündeten die Vereinten Nationen, dass die ersten Lastwagen mit Hilfsgütern im Gazastreifen angekommen seien. Das UN-Welternährungsprogramm (WFP) teilte mit, erste Lastwagen mit Hilfsgütern seien über die Grenzübergänge Kerem Schalom und Eres in den Gazastreifen gefahren.

Lastwagen mit Hilfsgütern am 19. Januar 2025 auf der ägyptischen Seite des Grenzübergangs Rafah. Foto: Khaled Desouki/AFP via Getty Images

Wenige Stunden nach Beginn der Waffenruhe machten sich zudem bereits Tausende Palästinenser auf den Weg zurück in ihre Häuser. Alleine in Dschabalia im Norden des Küstenstreifens waren hunderte Menschen zu sehen, die auf einer staubigen, von Trümmern zerstörter Wohngebäude gesäumten Straße Habseligkeiten bei sich trugen.

Im weiter südlich gelegenen Chan Junis feierten Vertriebene ihre bevorstehende Rückkehr. Bewaffnete Männer fuhren in Pick-Ups durch die Straßen, hielten ihre Kalaschnikow-Gewehre und feuerten Schüsse in die Luft.

Wie viele Geiseln sind es noch?

Den Krieg im Gazastreifen hatten die Hamas und mit ihr verbündete Gruppen mit ihrem Großangriff auf Israel am 7. Oktober 2023 ausgelöst. Dabei wurden israelischen Angaben zufolge 1.210 Menschen getötet, 251 Geiseln wurden in den Gazastreifen verschleppt.

91 der Verschleppten sollen sich nach wie vor dort befinden, 34 von ihnen sind laut der israelischen Armee tot. Unter den verbliebenen Geiseln befindet sich auch eine niedrige zweistellige Zahl von Menschen mit Deutschland-Bezug, wie es aus dem Auswärtigen Amt hieß.

Israel ging seit dem Hamas-Überfall massiv militärisch im Gazastreifen vor. Dabei wurden nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde, die nicht unabhängig überprüft werden können, mindestens 46.900 Menschen getötet.

Israels Außenminister Gideon Saar warnte vor einem vorzeitigen Kollaps der Waffenruhe. „Wir haben heute die Bilder aus Gaza gesehen. Die Hamas ist noch immer an der Macht in Gaza“, sagte er in einem Interview des US-Senders CNN. „Es ist kein Automatismus, von einer Phase in die nächste überzugehen.“ (afp/red)



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